Zigarettenpreise:Alle Raucher brauchen jetzt einen ganz langen Atem

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Was hätten Willy Brandt und Helmut Schmidt wohl zu den WHO-Vorschlägen gesagt? (Foto: Kurt Rohwedder/dpa)

Raucher kosten den Staat jedes Jahr viele Milliarden. Experten schlagen nun vor, Zigaretten deutlich teurer zu machen: 22,80 Euro statt 8,20 Euro. Da stehen einem ja die Flimmerhärchen zu Berge.

Von Theo Harzer

Eine Schachtel Zigaretten für 22,80 Euro? Rauchern dürften bei dieser Vorstellung die Flimmerhärchen zu Berge stehen. Geht es aber nach Wissenschaftlern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Deutschen Krebszentrums (DKFZ), sollten derartige Preise für Tabakwaren in Deutschland ganz normal sein. Der Gesundheit zuliebe.

Die WHO hat Ende Juli ihren "Report zur globalen Tabak Epidemie 2023" vorgestellt. Darin präsentiert die Organisation Vorschläge, mit denen der Tabakkonsum weltweit eingeschränkt werden soll und Raucher wie Nichtraucher vor den tödlichen Folgen des Tabakkonsums geschützt werden können. Neben Risikoaufklärung, Hilfsangeboten für Raucher und Verboten von Tabakwerbung und -sponsoring sieht die WHO vor allem höhere Tabaksteuern als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer rauchfreien Welt.

In Deutschland fällt die Tabaksteuer unter die Verbrauchsteuern, zu denen auch Steuern auf Alkoholika, auf Kaffee oder Energie zählen. Das Bundesfinanzministerium bezifferte die Einnahmen aus den Verbrauchsteuern im Jahr 2022 auf mehr als 62 Milliarden Euro, die Tabaksteuer trug dazu 14,7 Milliarden Euro bei.

Im Vergleich zu anderen Rauschmittel-Abgaben ist das viel. Die Alkoholsteuer für Spirituosen bringt dem Staat jährlich 2,1 Milliarden Euro ein, die Biersteuer nur 600 Millionen Euro und die Schaumweinsteuer 360 Millionen Euro. Nach Berechnungen des DKFZ sind die Einnahmen aus der Tabaksteuer trotzdem viel zu niedrig: Raucher würden den Staat jedes Jahr 97,24 Milliarden Euro kosten, errechnete das Forschungsinstitut in der letzten Ausgabe seines "Tabak-Atlas" aus dem Jahr 2020. Davon entfielen 30,32 Milliarden Euro auf das Gesundheitswesen, also Behandlung, Pflege und Reha für Rauchgeschädigte. Noch größere Verluste macht der Staat aufgrund wegfallender Arbeitskraft: Raucher sterben früher und sind öfter arbeitsunfähig oder arbeitslos als Nichtraucher. Die Kosten für diesen Ressourcenverlust beziffert das DKFZ auf 66,92 Milliarden Euro. Würde die Tabaksteuer drastisch erhöht, könnte der Staat mit dem Geld diese Ausgaben refinanzieren. Dafür müsste der Packungspreis für 20 Stück bei 22,80 Euro liegen.

Weltgesundheitsorganisation
:Deutschland bei Tabakkontrolle unter Schlusslichtern in Europa

Immer mehr Länder gehen gegen den Tabakkonsum vor, stellt die Weltgesundheitsorganisation fest. Deutschland sieht sie aber als Sorgenkind. Was fehlt, erläutert ein WHO-Spezialist.

In anderen Ländern sind hohe Steuern auf Tabakwaren längst etabliert. Weltweiter Vorreiter im Kampf gegen Tabakkonsum ist Neuseeland. Eine Schachtel Zigaretten kostet dort umgerechnet etwas mehr als 20 Euro, und Tabakprodukte dürfen teils nicht beworben werden. Anfang dieses Jahres erließ die neuseeländische Regierung sogar ein Gesetz, das Menschen, die nach dem 1. Januar 2009 geboren sind, den Erwerb von Tabakwaren ganz verbietet. Die strengen Rauch-Regeln scheinen zu wirken: Neuseelands Raucherquote ist eine der niedrigsten auf der Welt: Sie liegt bei acht Prozent. In Deutschland dagegen rauchten im vergangenen Jahr 34,5 Prozent der über 14-Jährigen. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Zahl der Raucher in Deutschland wieder stark gestiegen.

Bundeskanzler Olaf Scholz beschloss 2021, damals noch als Bundesfinanzminister, eine Anpassung der Tabaksteuer. Von 2022 bis 2026 steigt die Tabaksteuer für eine 20er-Packung Zigaretten um durchschnittlich acht Cent pro Jahr. Die 20er-Schachtel der meistverkauften Marke Marlboro kostet derzeit 8,20 Euro. Bis zum Preis von 22,80 Euro bräuchte es da noch einen langen Atem.

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