Die Preise in Deutschland haben auch im Juli stark angezogen. Die Inflationsrate, die die Teuerung im Vergleich zum Vorjahresmonat angibt, lag bei 7,5 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Das bedeutet gegenüber Juni, als es 7,6 Prozent waren, zwar einen leichten Rückgang, ändert aber nichts daran, dass die hohe Inflation eine der derzeit größten ökonomischen Herausforderungen darstellt. "Es handelt sich nur um eine vorübergehende Entspannung, das Inflationsproblem wird uns noch über Jahre erhalten bleiben", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
Im Mai hatte die Inflationsrate in Deutschland noch bei 7,9 Prozent gelegen. Der Rückgang im Juni hatte vor allem politische Ursachen: Die Bundesregierung führte das Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ein und senkte die Steuer für Superbenzin um 35 Cent und für Diesel um 17 Cent. Allein diese beiden Erleichterungen drückten die Inflationsrate um rund 0,7 Prozentpunkte. Im Juli kam nun hinzu, dass die Energiepreise allgemein fielen. Deshalb der leichte Rückgang bei der Inflationsrate.
Es ist aber absehbar, dass dies nicht so bleiben wird. Im September laufen sowohl Neun-Euro-Ticket als auch Benzinsteuer-Rabatte aus. Das dürfte die Inflationsrate auf mehr als acht Prozent steigen lassen. Manche Ökonomen halten es auch für möglich, dass die Preissteigerung in Deutschland die Zehn-Prozent-Marke erreicht. Erst um die Jahreswende dürfte es dann zu einem Rückgang kommen, und zwar wegen des sogenannten Basiseffekts: Die Preisbasis im Vergleichsmonat des Vorjahres wird zunehmend höher, dadurch fällt die Steigerung nicht mehr so stark aus.
Die hohe Inflation wird zunehmend zu einem sozialen Problem
Ökonom Krämer erwartet, dass die Inflationsrate für längere Zeit deutlich über der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent bleiben wird. "Bis vor wenigen Monaten ging die EZB davon aus, dass die hohe Inflation vorübergehender Natur sein wird", sagt er, nun zeige sich immer mehr, dass der für 2023 erwartete Rückgang der Inflationsrate nur vorübergehend sei. So lägen die Inflationserwartungen der Bundesbürger für die nächsten fünf Jahre inzwischen bei jährlich fünf Prozent, "das wird natürlich in künftige Lohnforderungen einfließen".
Die hohe Inflation führt dazu, dass der Wert des Geldes schnell schwindet, mindert die Ersparnisse der Menschen und belastet vor allem ärmere Haushalte. Eine Inflation, die sich verfestigt, ist eine extreme Bedrohung für das ökonomische Gleichgewicht. Deshalb sind die Zentralbanken in Alarmstimmung. Die US-Notenbank Fed erhöhte die Leitzinsen am Mittwoch zum zweiten Mal in Folge um den ungewöhnlich hohen Wert von 0,75 Prozentpunkten. Die EZB hob die Leitzinsen vor einer Woche um 0,50 Prozentpunkte an, erwartet worden waren nur 0,25. Im September soll ein weiterer Zinsschritt von 0,25 Punkten folgen. Für Ökonom Krämer ist dies jedoch zu wenig, seiner Ansicht nach müsste die EZB mehr tun, um die hohe Inflation zu bremsen. "Sie steht immer noch mit dem Fuß auf dem Gaspedal, auch wenn sie zuletzt etwas Gas weggenommen hat", sagt er.
Die Preise für Familien mit geringem Einkommen stiegen im Juni um 8,5 Prozent
Dass die hohe Inflation zunehmend zu einem sozialen Problem wird, zeigt eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Es rechnet in seinem Inflationsmonitor jeden Monat aus, wie sich die Preissteigerung auf unterschiedliche Haushaltstypen auswirkt. Demnach stiegen die Preise für Familien mit geringem Einkommen im Juni um 8,5 Prozent. Für Singles mit hohem Einkommen waren es dagegen nur 6,3 Prozent, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,6 Prozent lag. Auch Familien mit zwei Kindern und Alleinerziehende mit jeweils mittlerem Einkommen waren mit einer Inflationsrate von 8,1 Prozent überdurchschnittlich belastet.
Der Grund: Besonders gestiegen sind die Preise für Strom, Gas, Heizöl und Nahrungsmittel, also für Waren, die jeder braucht. Diese fallen bei den Ausgaben von Haushalten mit geringem Einkommen sehr stark ins Gewicht. Bei vermögenderen Haushalten und besonders bei wohlhabenden Singles machen sie dagegen einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs aus. Im Juli verteuerten sich Nahrungsmittel gegenüber dem Vorjahresmonat um 15 Prozent, ein Rekordanstieg seit Beginn der vergleichbaren Messung im Jahr 1991. Sonnenblumenöl und ähnliche Öle wurden zum Beispiel um mehr als 80 Prozent teurer, Weizenmehl um rund 50 Prozent. Für Energie mussten Verbraucher 38 Prozent mehr zahlen als vor einem Jahr - alles eine Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine.