Verpackungen:Es grünt so grün im Plastik-Land

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Persil-Waschmittel: Umweltschützer haben den Verdacht, dass Henkel sich beim Plastikmüll weißwaschen will. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • Viele Unternehmen werben mit dem Versprechen, weniger Plastik zu produzieren oder zu nutzen. Die Firmen wollen es unbedingt verhindern, als Verursacher des Kunststoffproblems angesehen zu werden.
  • Doch fast ein Drittel der gesamten Kunststoff-Produktion in Deutschland wird zu Verpackungen weiterverarbeitet.
  • Nun gibt einen neuen Leitfaden für Plastikverpackungen. Der zeigt, wie sehr die Industrie mittlerweile den Druck aus Politik und Gesellschaft spürt.

Von Janis Beenen, Düsseldorf, Michael Kläsgen und Vivien Timmler

Es ist nur ein kleiner Stand auf dem Werksgelände, aber die Botschaft, die Henkel damit vermitteln will, ist groß: Auch Konzernen ist die Umwelt wichtig. Der Persil- und Pritt-Produzent hat Verpackungen von Putzmitteln und Kleber auf weißen Brettchen aufgereiht, daneben steht, wie viel Prozent aus recyceltem Plastik besteht und wie viel recycelt werden kann. Mal sind es 40, mal 50, mal sogar angeblich 100 Prozent. Und damit, so das Signal, mehr als bei vielen Konkurrenten.

Der Konzern gibt sich gerne grün, tritt Initiativen zur Vermeidung von Plastikmüll bei und notiert es stolz auf Verpackungen, wenn diese nachhaltig daherkommen. Gleichzeitig gibt es kaum ein Henkel-Produkt, das nicht in Plastik verpackt ist und nach einmaligem Gebrauch in der Tonne landet. Wie viele andere Firmen stehen die Düsseldorfer unter Druck: Ihr Image leidet unter immer neuen Berichten und Bildern von Plastikmüll in den Ozeanen. Marken wie Persil verlieren einer Studie der GfK-Marktforscher zufolge an Glaubwürdigkeit. Viele Verbraucher nehmen den Konzernen ihre Werbeslogans nicht mehr ab. Die Firmen wollen es jedoch unbedingt verhindern, als Verursacher des Kunststoffproblems angesehen zu werden. Doch wie glaubwürdig ist das?

In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 19 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. Fast ein Drittel der gesamten Produktion wird zu Verpackungen weiterverarbeitet. Zum Vergleich: In die Elektroindustrie gehen etwa sechs Prozent der Kunststoffe, in die Medizinbranche nur knapp zwei Prozent. Sucht man nach Ansätzen, um Plastikmüll in Deutschland zu reduzieren, landet man also schnell bei jenen, die Verpackungen in den Markt spülen.

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Das weiß auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). In ihrer Amtszeit wurde ein neues Verpackungsgesetz auf den Weg gebracht: Alle Firmen, die Verpackungen in Umlauf bringen, müssen sich nun in ein Register eintragen. Wenn ihre Produkte aus Neu-Plastik bestehen oder sich schlecht recyceln lassen, sollen die Hersteller, zumindest in der Theorie, mehr zahlen als jene, die sich für nachhaltigere Alternativen entscheiden. Ziel ist, dass die Firmen die Plastikmenge freiwillig reduzieren, verbindliche Pflichten gibt es nicht. Die Lobby der Hersteller, die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, lobt das Gesetz: Es sei ein "ausgewogener Mix aus gesetzlichen Vorgaben und freiwilligen Vereinbarungen".

Nun hat eben diese Interessenvertretung einen neuen Leitfaden für das Design von Plastikverpackungen herausgebracht. Der knapp 60-seitige Entwurf, an dem neben den Herstellern von Plastikverpackungen auch Konzerne wie Henkel, der Grüne Punkt und die Verbraucherzentralen mitgewirkt haben, zeigt deutlicher als je zuvor, wie sehr die Industrie mittlerweile den Druck aus Politik und Gesellschaft spürt.

Dementsprechend ambitioniert kommt der neue Leitfaden daher: Er richtet sich nicht nur an Verpackungsexperten, sondern explizit auch an Manager und zeigt auf, wo bei klassischen Verpackungen Optimierungspotenzial steckt. Und das ist demnach an vielen Stellen der Fall. Vor allem was den Einsatz von Recyclingmaterial und die Recyclingfähigkeit angeht, führt der Leitfaden viele Beispiele an, wie Konzerne bessere Verpackungen auf den Markt bringen können - und so am Ende beim Verpackungsregister Geld sparen.

Thorsten Leopold ist leitender Verpackungsentwickler bei Henkel. Zu seinen Aufgaben gehört es, zu erklären, warum das Unternehmen nicht umgehend komplett auf nachhaltige Verpackungen umstellt - entweder aus nachwachsenden Rohstoffen oder aus recyceltem Material. Leopold zufolge ist von Letzterem schlicht nicht genug in hoher Qualität auf dem Markt. Hinzu kommt, dass neue Ware günstiger ist als recycelte. Immerhin: Bis zum Jahr 2025 möchte Henkel alle Verpackungen recycelbar, wiederverwendbar oder kompostierbar machen. Die EU schreibt das für 2030 vor. Ebenfalls bis 2025 soll der Anteil von recyceltem Plastik in den Verpackungen für Konsumenten­produkte in Europa bei 35 Prozent liegen.

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Doch selbst da, wo "recycelt" draufsteht, ist Vorsicht geboten. Anfang Mai untersagte das Landgericht Stuttgart es Henkel, damit zu werben, das strahlend weiße Körbchen seines Toilettenspülers "WC Frisch Kraft Aktiv" bestehe aus 100 Prozent recyceltem Plastik. Der Mittelständler Werner & Mertz, Hersteller der Öko-Marke Frosch, war gerichtlich gegen die aus seiner Sicht Irreführung der Verbraucher vorgegangen. Ihm fiel auf, dass Produkte aus so viel recyceltem Haushaltsplastik kaum strahlend weiß sein können. Da sich in den Anlagen Plastikabfälle mischen, ist das Endprodukt meist dunkel gefärbt. Henkel unterlag vor Gericht - änderte aber nichts. "Wir müssen das Produkt nicht vom Markt nehmen, sondern können es zunächst weiter verkaufen und werden die strittige Bezeichnung entsprechend anpassen", sagt eine Sprecherin.*

Ein weiteres Problem: Viele Firmen sind dazu übergegangen, ihre Produkte immer aufwendiger zu verpacken, damit sie dem Kunden eher auffallen: Hier noch ein Sichtfenster, dort noch eine Banderole. Das Verpackungsgesetz schreibt vor, welche Anforderungen eine Verpackung zu erfüllen hat: Sie muss das Produkt schützen, zu seiner optimalen Lagerung beitragen und einen effektiven Transport ermöglichen. Alles Weitere ist optional, oder wie Umweltschützer sagen: unnötig. "Kunststoff erfüllt oft einen wichtigen Zweck, keine Frage", sagt WWF-Verpackungsexperte Tom Ohlendorf, "aber wir haben zu viel davon auf dem Markt, vor allem im Bereich der kurzlebigen Verpackungen und Einwegartikel."

Eine Alternative zu Plastik sind nachwachsende Rohstoffe - oder schlicht Vermeidung. Dieser Aspekt jedoch fehlt in der Lobbyrichtlinie der Plastikhersteller gänzlich, genau wie im neuen Verpackungsgesetz. Dabei ist das Verhindern von Abfällen laut Umweltministerium der Wiederverwendung und dem Recycling klar vorzuziehen. Im Interesse der Industrie liegt das nicht: Sie beschreibt in ihrem Leitfaden die negativen Auswirkungen von "Unterverpackung" als weitaus gravierender für die Umwelt als jene von "Überverpackung".

*Henkel erklärte dazu nachträglich: "Kern der genannten Auseinandersetzung ist die Frage, ob die Bezeichnung "100% recycelt" für das Körbchen einer Variante des "WC Frisch Kraft Aktiv"-Toilettenspülers auch in Bezug auf so genanntes Post-Industrial Rezyklat - also Rezyklat aus industriellen Plastikabfällen - zulässig ist. Nach unserer Auffassung ist auch für dieses Plastik der Begriff "recycelt" gerechtfertigt und nicht irreführend, da auch hier Plastikabfälle wiederverwertet werden und kein neues Plastik in den Kreislauf eingebracht wird."

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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