Piloten-Streik:"Das denkbar schärfste Mittel"

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Die Lufthansa-Führung ist konsterniert über die Streikankündigung ihrer Piloten: Die Flugkapitäne versuchten, unzulässig die unternehmerische Freiheit der Fluglinie zu beschneiden.

J. Flottau, Frankfurt

Die Lufthansa rechnet wegen des Pilotenstreiks vom kommenden Montag an mit "außerordentlich gravierenden Störungen". Nach den Worten des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Christoph Franz geht das Unternehmen davon aus, den Ausstand nicht mehr verhindern zu können.

Die Piloten wollen streiken, die Lufthansa-chefs halten das für rechtswidrig, zumindest in dem geplanten Ausmaß. (Foto: Foto: Reuters)

Sie hält den von der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) angekündigten Streik aber für unverhältnismäßig und damit für "rechtswidrig", so Stefan Lauer, Vorstand für Personal und Verbund-Airlines. Ein Rechtsgutachten soll bis Montag Klarheit schaffen, womöglich könne der Streik auf dem Gerichtswege verkürzt werden.

Franz und Lauer machten deutlich, dass die Piloten mit ihren Forderungen unzulässig die unternehmerische Freiheit der Fluggesellschaft beschneiden wollen. Es gehe den Piloten in Wirklichkeit nicht um mehr Geld, sondern darum, bei wichtigen strategischen Grundsatzfragen in Zukunft mitreden zu wollen. Dies könne die Geschäftsleitung aber nicht zulassen.

"Forderung, die niemals aufgestellt wurde"

Die VC wies die Vorwürfe umgehend zurück. "Die Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage", so Illona Ritter, Vorstand Tarifpolitik. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Konzernvorstand einen Tarifkonflikt erheblichen Ausmaßes provoziert, in dem er behauptet, eine Forderung nicht erfüllen zu können, die niemals aufgestellt wurde."

Die beiden Lufthansa-Vorstände räumten ein, dass sie nicht gleich mit einem viertägigen Streik gerechnet hatten. "Das ist ein absolutes Novum für das Unternehmen, das denkbar schärfste Mittel", so Lauer. Der Streik treffe die Lufthansa zu einer Zeit, da die Luftfahrtbranche immer noch "in der tiefsten Krise ihrer Geschichte" stecke

Kosten von 100 Millionen Euro

Darüber hinaus habe das Unternehmen schon jetzt strukturelle Probleme: Die Billig-Konkurrenz werde immer größer, die Kosten im Kerngeschäft Passage Airline seien zu hoch. Vor allem im Europaverkehr fliegt das Unternehmen daher hohe Verluste ein. Der Ausstand kostet die Lufthansa Franz zufolge voraussichtlich direkt rund 100 Millionen Euro. Selbst wenn sich Gewerkschaft und Konern sich auf eine Nullrunde einigen würden, würde das "unsere strukturellen Probleme nicht lösen".

Im Kern geht es bei dem Konflikt um zwei Hauptthemen: Erstens wollen die Piloten wollen sich dagegen schützen, dass neue Tochtergesellschaften wie Austrian oder Lufthansa Italia nach und nach Flüge des Konzerns übernehmen und somit Arbeitsplätze in der so genannten Passage gefährden. Deswegen fordern sie Abgrenzungsvereinbarungen, die etwa regeln sollen, wie der Verkehr zwischen Deutschland und Österreich zwischen Lufthansa und Austrian aufgeteilt wird.

Solche Kontingente findet Lauer "nicht akzeptabel": Lufthansa müsse dann im Zweifel Flüge durchführen, die wirtschaftlich überhaupt nicht vertretbar seien. Lufthansa Italia-Maschinen sollen laut VC nur nach deutschen Tarifbedingungen geflogen werden.

Konfliktherd: Regionalflugzeuge

"Wir machen aber nur das, was jedes Unternehmen auch tut, nämlich in einem anderen Land eine Tochtergesellschaft zu gründen und Mitarbeiter zu lokalen Bedingungen einzustellen", so Lauer.

Der zweite wichtige Konfliktherd sind die großen Regionalflugzeuge, die Lufthansa bei Konzerntöchtern wie CityLine und Eurowings einsetzen will. Die Vereinigung Cockpit pocht indes darauf, dass sie nur bei Lufthansa selbst fliegen dürfen und verweist auf ein Abkommen von 1992, das diese Regelung für alle Maschinen mit mehr als 70 Sitzen gilt. "Die Luftverkehrsindustrie von heute hat aber mit der von vor 18 Jahren nichts mehr zu tun", so Lauer. Deswegen müsse die Vereinbarung den neuen Gegebenheiten angepasst werden.

In diesem Punkt habe es bereits Anfang 2009 eine "98-prozentige Einigung" mit dem alten Vorstand der VC gegeben. Diese sei aber durch eine gewerkschaftsinterne Revolte zunichte gemacht worden.

Klagen von Flughäfen und anderen Airlines möglich

Die Pilotengewerkschaft hatte am Mittwoch angekündigt, von Montag an vier Tage lang an allen Stationen streiken zu wollen. Damit dürfte der Flugbetrieb der Lufthansa mit wenigen Ausnahmen weitgehend zum Stillstand kommen.

Von dem Streik könnten indirekt auch andere Fluggesellschaften betroffen sein, denn die deutschen Flughäfen, insbesondere die Drehkreuze in Frankfurt und München, haben nicht genügend Parkflächen für hunderte Flugzeuge, die normalerweise nicht alle gleichzeitig am Boden stehen. Selbst gewerkschaftsintern werden deswegen erste Stimmen laut, die vor Klagen von Flughäfen und anderen Airlines warnen.

© SZ vom 19.02.2010/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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