Energiewende:Wie Solaranlagen auf Mietshäusern von der Bürokratie behindert werden

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Geht doch: Mehrfamilienhäuser in München mit Solardach. (Foto: Solarenergie-Förderverein Deutschland)

Sonnenstrom ist wichtig für die Energiewende. Doch die Bürokratie behindert ihren Ausbau, vor allem in den Städten mit ihren Mehrfamilienhäusern.

Von Helmut Martin-Jung, München

Strom ist teuer, irgendwann kommt womöglich auch die Pflicht zur Solaranlage auf dem Dach. Warum also nicht gleich Sonnenstrom einfangen, auch auf Mietshäusern? "Wir bekommen sehr viele Anfragen", sagt Rudolf Stürzer. Der Jurist ist Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung. "Aber viele sind dann sehr abgekühlt aus der Beratung gegangen". Der Grund ist einfach zu benennen, aber kompliziert zu bewältigen: Bürokratie.

Etwa 40 Millionen Gebäude gibt es in Deutschland. Deren Hüllen und Fassaden bieten Studien zufolge ein theoretisches Potenzial von 1000 Gigawatt Peak, also Leistung unter Idealbedingungen. 1000 Gigawatt, das entspricht etwa 1000 Kohlekraftwerksblöcken. Theoretisch. In der Praxis schmilzt dieser Wert rasch zusammen. Nicht jede Fassade lässt sich mit Solarmodulen versehen, nicht jedes Dach ist geeignet. Und die Sonne scheint eben auch nicht immer.

Luft nach oben wäre trotzdem noch jede Menge. Doch Deutschland ist überwiegend Mieterland. Damit auch vermietete Häuser mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden, sind also die Vermieter gefragt. Entweder als Investoren, oder indem sie den Mietern erlauben, solche Anlagen auf und an ihren Objekten zu installieren. Eigentlich, sagt Fachanwalt Stürzer, gebe es auch Interesse bei den Vermietern, viele wollten einen Beitrag leisten zur Energiewende.

Doch damit das auch klappt, müssen die Hausbesitzer einige Hürden überwinden. Gerade private Vermieter, die nur ein Haus besitzen, das sie vermieten, scheuen den Aufwand, der auf sie zukommt, wenn sie sich darauf einlassen. Zum einen muss die Anlage bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden. Das lässt sich relativ einfach online erledigen - doch schon das ist für ältere Vermieter oft ein Problem.

Der Vermieter als Energieanbieter?

Ist diese Hürde geschafft, kommt die große Frage: Soll der erzeugte Strom direkt an die Mieter verkauft werden, genannt Direktvermarktung? Oder tritt der Vermieter auch als Energieanbieter auf? Bei der ersten Variante wird ein Vertrag zusätzlich zum Mietvertrag aufgesetzt. Dafür ist dann lediglich ein zweiter Zähler nötig, mit dem der Verbrauch von Strom aus der Solaranlage gemessen wird. So weit, so vergleichsweise einfach.

Eigentlich aber will der Staat auch PV-Anlagen auf Mietshäusern fördern und hat dafür den sogenannten Mieterstromzuschlag erfunden. Bei Anlagen bis zu zehn Kilowatt Peak sind das 2,67 Cent pro Kilowattstunde, bei Anlagen zwischen zehn und 40 Kilowatt Peak 2,48 Cent pro Kilowattstunde. Diesen Zuschlag bekommt man allerdings nur dann, wenn man gegenüber den Mietern als Energieanbieter auftritt.

Das heißt, man stellt die PV-Anlage zur Verfügung, und was die Mieter zusätzlich an Strom verbrauchen, kommt von einem Stromlieferanten, den der Vermieter aussucht. Dazu muss der Vermieter Stromzähler stellen und den Betrieb der Messstellen übernehmen. In der Praxis funktioniert dies meist über online-fähige Zähler, deren Messwerte in einer Cloud landen. Dort können sie die Vermieter bequem abrufen. Alles machbar, doch Fachleute raten, der Aufwand lohne sich erst bei Objekten mit mehr als zehn Wohneinheiten.

Das größte Hindernis aber ist nicht einmal der Verwaltungsaufwand, sondern eine andere Vorschrift. Die besagt, dass der Preis für Strom aus der PV-Anlage, den Vermieter an Mieter verkaufen wollen, höchstens 90 Prozent des Preises betragen darf, den der örtliche Grundversorger verlangt. In München zum Beispiel sind das die Stadtwerke, in Berlin ist der Vattenfall-Konzern dafür zuständig. Nun gibt es aber zum einen Stromanbieter auf dem Markt, die günstigere Tarife als den der Grundversorger anbieten.

Zum anderen dürfen Mieter nicht dazu verpflichtet werden, den Solarstrom vom Vermieter abzunehmen. Es kann Vermietern also passieren, dass nicht alle Mieter mitziehen, weil sie Strom woanders günstiger bekommen. Damit wird die Sache für die Vermieter natürlich unattraktiver.

Immerhin: Die Gewerbeanmeldung fällt weg

Sie bekommen dann zwar eine Einspeisevergütung, wenn sie Strom ins Netz einspeisen. Die ist allerdings wesentlich niedriger als die potenziellen Einnahmen beim Mieterstrom: Bei kleineren Anlagen bis zehn Kilowatt Peak sind es 8,2 Cent pro Kilowattstunde, bei größeren 7,1 Cent. Immerhin müssen Vermieter, die eine PV-Anlage betreiben, mittlerweile nicht mehr wie früher ein Gewerbe anmelden. Sie fallen stattdessen unter die Kleinunternehmer-Regelung, wenn ihr Umsatz mit der PV-Anlage 22 000 Euro pro Jahr nicht übersteigt.

Vermieter, die mit Abrechnung, Anträgen und dem ganzen Trallala nichts zu tun haben wollen, können alles auch an Drittanbieter auslagern. Diese übernehmen diese Dienstleistung dann, lassen sich dafür aber natürlich auch bezahlen - finanziell lohnender wird die Sache dadurch nicht für die Vermieter. Auch möglich: Die Mieter gründen eine Genossenschaft und errichten selbst eine PV-Anlage, vorausgesetzt der Vermieter stimmt dem zu. Sie müssen sich dann aber auch selbst um die Abrechnung kümmern oder dies auslagern. Die Anlage kann gekauft oder auch gepachtet sein.

So richtig einfach ist die Sache also noch immer nicht. Daher sind viele Hausbesitzer, gerade die privaten, noch zögerlich. "Die Anfragen sind zahlreich", sagt Rudolf Stürzer vom Münchner Haus- und Grundbesitzerverein, "aber was am Ende übrig bleibt, ist wenig".

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