Peter Bofinger für höhere Gehälter:Wirtschaftsweiser drängt auf sattes Lohnplus

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Euro-Rettung einmal anders: Geht es nach dem Ökonomen Peter Bofinger, dann müsste die Produktion in Deutschland dringend teurer werden, um Staaten wie Griechenland günstiger werden zu lassen. Wie das gehen soll? Zum Beispiel durch eine kräftige Erhöhung der Löhne.

Die Euro-Krise zeigt, wie schwer es Ländern wie Griechenland oder Spanien fällt, wieder wettbewerbsfähiger zu werden. Denn wettbewerbsfähiger meint vor allem eines - billiger. Das Problem: Eine Gemeinschaftswährung lässt sich nicht zu Gunsten eines Landes abwerten, folglich muss beispielsweise das Lohnniveau sinken.

Vergleichsweise billiger kann aber ein Euro-Staat auch werden, indem andere Länder teurer werden. Genau das schlägt nun der Wirtschaftsweise Peter Bofinger vor. Er hält kräftige Gehaltssteigerungen in Deutschland für unerlässlich. "Fünf Prozent Plus über alle Branchen hinweg sollten es schon sein", sagte der Professor dem Nachrichtenmagazin Spiegel. In dieser Gehaltsforderung ist nach Ansicht von Bofinger ein Zuschlag in Höhe von zwei Prozentpunkten zur Euro-Rettung enthalten.

Hässliche Alternativen

Denn eigentlich ergebe sich aus dem Produktivitätszuwachs und der Inflation für Deutschland nur eine dreiprozentige Lohnsteigerung. "Aber wir können bei Tarifverhandlungen nicht länger so tun, als lebten wir auf einer Insel", zitiert das Magazin Bofinger.

Durch eine kräftige Lohnsteigerung könnten die Deutschen den notwendigen Anpassungsprozess abfedern. Und: Die Renten müssten dabei genauso zulegen wie die Hartz-IV-Sätze, auch wenn dann die Preise stärker stiegen. "Wir haben nur die Wahl zwischen hässlichen Alternativen: entweder eine zeitweise höhere Inflationsrate bei uns oder eine Deflation in Südeuropa." Immerhin betrage seine Forderung mehr als das Doppelte dessen, was sein Kollege im Rat der Wirtschafsweisen, Wolfgang Franz, für vertretbar halte, heißt es im Spiegel weiter.

Doch den Gewerkschaften kommen die Argumente von Bofinger gerade recht: Verdi wird bei den anstehenden Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf 6,5 Prozent mehr Gehalt drängen.

Rückkehr zur Unsicherheit

Zudem ist nun erneut die Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn entbrannt: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will nach einem Sieg bei der Bundestagswahl im Herbst umgehend eine solche Lohnuntergrenze einführen. "Wenn wir die Wahl gewinnen, dann wird die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes zu den ersten Maßnahmen unseres 100-Tage-Programms gehören", sagte er dem Berliner Tagesspiegel am Sonntag.

Verdi-Chef Frank Bsirske betonte: "Das Thema Arbeitswelt wird im Bundestagswahlkampf 2013 für die Gewerkschaften an führender Stelle stehen." Die jüngsten Studien über wachsende Armut in Deutschland bestätigten die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Wenn trotz steigender Beschäftigungsquoten und sinkender Arbeitslosigkeit das Armutsrisiko wachse, "dann wird der direkte Zusammenhang zwischen menschenunwürdigen Niedrigstlöhnen und zunehmender Armut überdeutlich", sagte Bsirske. "Viele Menschen erleben derzeit eine Rückkehr zur Unsicherheit, zu einer längst überwunden geglaubten proletarischen Lebenserfahrung, nämlich nicht zu wissen, wie die eigene Existenz und die der Familie in den nächsten zwei Monaten abzusichern ist."

Steinbrück sagte, ein Mindestlohn von 8,50 Euro in ganz Deutschland werde vor allem sehr vielen Frauen und auch Männern im Osten helfen, die bislang weit unter 8,50 Euro verdienten. "Diese grotesken Verhältnisse müssen ein Ende haben." Der SPD-Politiker betonte: "Zum Zusammenhalt der Gesellschaft (...) gehört es, dass in diesem Land niemand, egal wo er wohnt oder wie alt er ist, für weniger als 8,50 Euro Stundenlohn arbeiten gehen muss. Ein Betrieb, der Mitarbeiter mit vier bis fünf Euro nach Hause schickt und die nötige Aufstockung dem Steuerzahler aufbürdet, der hat kein funktionierendes Geschäftsmodell." Bsirske zeigte sich optimistisch, dass es in diesem Jahr zu einem Mindestlohn kommt. Alle Parteien außer der FDP hätten inzwischen das Problem erkannt.

Während die Armut wachse, steige gleichzeitig der Reichtum weniger in Deutschland, kritisierte der Gewerkschaftsvorsitzende. "Das reichste Promille in dieser Gesellschaft konnte inzwischen ein Privatvermögen von 2,2 Billionen Euro anhäufen." Es sei nun ein Gebot der Gerechtigkeit, diese Superreichen endlich in die Verantwortung für den Erhalt des Sozialstaates zu nehmen.

© Süddeutsche.de/dpa/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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