Armut:Die Periode muss man sich leisten können

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Hygieneartikel sind teuer, für manche zu teuer - auch für viele Frauen in Deutschland. (Foto: Political-Moments/IMAGO)

Wenn Frauen kein Geld für Tampons, Binden und Co. haben, spricht man von "pad poverty". Das ist auch in Deutschland ein Problem - gegen das immer mehr Kommunen vorgehen.

Von Paulina Würminghausen

Es gibt Ungerechtigkeiten, die sind so unsichtbar und so alltäglich. Sie betreffen Millionen Menschen - doch keiner spricht darüber. Weil es den Betroffenen unangenehm ist. Weil ihnen suggeriert wird, dass sie nicht über so etwas sprechen sollten. Also schweigen sie. Die Rede ist von der sogenannten "pad poverty", zu Deutsch: der "Periodenarmut". Das ist der armutsbedingte Verzicht auf Binden oder Tampons. Weltweit haben schätzungsweise 500 Millionen Menstruierende keinen Zugang zu Produkten für ihre Periode.

Wie teuer es sein kann, eine menstruierende Frau zu sein, zeigt eine Umfrage der britischen Huffington Post. Umgerechnet 540 Euro gibt eine Frau demnach im Jahr für Hygieneartikel, Schmerzmedikamente oder neue Unterwäsche aus. Nicht jede kann sich das leisten. Periodenarmut betrifft Frauen weltweit. Im globalen Süden müssen viele mit Lumpen, Gras oder Blättern auskommen. "Das zieht nicht selten Infektionskrankheiten nach sich, teilweise mit tödlichem Ausgang", sagt Michaela Kreyenfeld, Soziologin von der Hertie School.

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Die Kosten übernimmt die Stadt München. Ob die Schulen das Angebot nutzen wollen, entscheiden sie selbst.

Jugendliche sehen sich nach Angaben des Kinderhilfswerks "Plan Deutschland" gezwungen, während der Periode zu Hause zu bleiben und den Schulunterricht zu verpassen. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara versäumen einige junge Frauen bis zu 20 Prozent ihres Schuljahres; manche brechen die Schule ganz ab. Durch die Pandemie hat sich das Problem vielerorts noch verschärft: Lieferketten seien unterbrochen worden. Die Preise für Binden und Tampons seien zum Teil so stark gestiegen, dass eine einzige Binde mancherorts so viel koste wie ein Laib Brot. In Indien seien Programme, die Periodenarmut reduzieren wollten, teilweise gestoppt worden, sagt Soziologin Kreyenfeld. "Die Monatshygiene wurde nicht als Grundbedürfnis wahrgenommen, sodass das Thema schlichtweg durch das Raster gefallen ist."

Doch nicht nur im globalen Süden ist Periodenarmut ein Problem, sondern auch in Europa. In Deutschland sind es fast drei Viertel der jungen Frauen, die die monatlichen Ausgaben für die Periode als finanzielle Belastung empfinden. Das steht in einem Bericht von "Plan International". Jede Zehnte zögert den Wechsel von Tampons oder Binden bewusst hinaus, um länger damit auszukommen.

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Die Stadt Heidelberg stellt fest: Periodenarmut erschwere einkommensschwachen Frauen "eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben". Die Stadt hat deswegen ein Projekt gestartet, bei dem Tampons und Binden in öffentlichen Einrichtungen und Schulen umsonst verfügbar sind. Eine umfangreiche Öffentlichkeitskampagne habe das Thema Menstruation sichtbar gemacht und zu dessen Enttabuisierung beigetragen, hieß es aus dem Rathaus. "Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung, dass das Thema Monatsblutung und Monatshygiene aus der 'Frauenproblem-Ecke' rauskommt", sagt Kreyenfeld.

Auch viele andere Kommunen im Südwesten Deutschlands haben ähnliche Initiativen gestartet, darunter Tübingen, Karlsruhe und Freiburg. Damit die alltägliche Ungerechtigkeit nicht mehr ganz so alltäglich ist. Und nicht mehr ganz so unsichtbar.

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