Busse und Bahnen:Verdi legt am Freitag bundesweit den Nahverkehr lahm

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Am Freitag sollen in vielen Städten die U- und Stadtbahnen im Depot bleiben - so wie in diesem Archivbild aus Frankfurt von 2020. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Weil die Gewerkschaft mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten durchsetzen will, bestreikt sie Busse, Straßen- und U-Bahnen. Nur Bayern ist nicht betroffen.

Von Alexander Hagelüken

Nach dem fünftägigen Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn müssen sich die Bürger darauf einstellen, dass nun Busse, Tram- und U-Bahnen ausfallen. Die Gewerkschaft Verdi ruft für diesen Freitag zu einem nahezu deutschlandweiten Warnstreik auf, um für 90 000 Beschäftigte höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten durchzusetzen. Danach ist mit weiteren Aktionen zu rechnen.

Vom ganztägigen Streik am Freitag dürften die meisten größeren Städte in Deutschland betroffen sein: Berlin, Hamburg, Hannover, Köln und Düsseldorf genau wie Frankfurt am Main, Stuttgart oder Leipzig. Auch in Landkreisen werden wohl Verbindungen ausfallen, aber wahrscheinlich deutlich weniger. Keinen Ausstand gibt es in Bayern, wo der Tarifvertrag noch läuft und deshalb Friedenspflicht herrscht. Während bundesweit vor allem in den Städten Busse, Straßen- und U-Bahnen stehen bleiben, fahren die S-Bahnen, die die Deutsche Bahn betreibt.

Damit kommen weitere Einschränkungen auf Millionen Menschen zu, nachdem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) diesen Monat bereits zweimal für mehrere Tage den Zugverkehr lahmgelegt hat. GDL und Bahn-Konzern wollen nun erst einmal über die Tarifforderungen verhandeln. Bis Anfang März soll es hier keinen Arbeitskampf geben.

Die Forderungen unterscheiden sich in den Bundesländern

Je nachdem, wie die Verhandlungen von Verdi mit den Arbeitgebern laufen, dürfte es jedoch im Nahverkehr zu weiteren Ausständen kommen. Dabei ist nach dem eintägigen Arbeitskampf am Freitag Verschiedenes möglich: Streiks von zwei oder drei Tagen, häufige Ausstände mit kurzen Zwischenpausen, kurzfristig angekündigte Aktionen oder Arbeitsniederlegungen während des laufenden Betriebs.

Die Tarifrunde betrifft 130 Unternehmen in Städten und Landkreisen. Weil jeweils in den Bundesländern verhandelt wird, unterscheiden sich auch die Forderungen. Wo nicht der jüngste Lohnabschluss des öffentlichen Diensts übernommen wird, verlangt die Gewerkschaft etwa mehrere Hundert Euro mehr Lohn. Häufig geht es zudem um bessere Arbeitsbedingungen: Mehr Urlaub, Entlastungstage, längere Ruhezeiten oder kürzere Schichten, die bisher inklusive längerer Pausen pro Tag 14 Stunden dauern können. Eine zentrale Forderung ist, die Wochenarbeitszeit von bisher meist 38 bis 39 Stunden zu verkürzen, ohne dass Bus- und Bahnfahrer dabei auf Lohn verzichten müssten. In Schleswig-Holstein etwa verlangt Verdi eine 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, wie sie auch die Lokführer fordern.

Seit die Gewerkschaft im Dezember ihre Forderungen vorlegte, reagieren die regionalen Arbeitgeber in den Verhandlungen reserviert bis ablehnend und verweisen auf knappe Finanzmittel. Manche bieten mehr Lohn, aber keine besseren Arbeitsbedingungen an. Andere bieten bisher nichts an. Teilweise stellen die Arbeitgeber Gegenforderungen, zum Beispiel, die tarifvertragliche Aufstockung des Krankengeldes bei längeren Fehlzeiten wieder abzusenken.

Verdi verweist auf den Personalmangel

"Da jetzt in allen Bundesländern Tarifverhandlungen stattgefunden haben und ohne Ergebnis geblieben sind, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um mehr Druck auf die Arbeitgeber zu machen", begründet die Verdi-Vizevorsitzende Christine Behle den ersten Streik der Tarifrunde an diesem Freitag. Sie bedauere, dass hiermit auch die Fahrgäste getroffen würden. Jedoch werde der Streik frühzeitig angekündigt, damit sie sich darauf einstellen könnten.

Es gebe im öffentlichen Nahverkehr einen dramatischen Mangel an Arbeitskräften. "In allen Bereichen fallen täglich Busse und Bahnen aus, weil es nicht genug Personal gibt." Mit den Forderungen in der aktuellen Tarifrunde will die Gewerkschaft die Jobs im Nahverkehr attraktiver machen, um so Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen. "Viele andere Branchen bezahlen besser und bieten weniger anstrengende, verlässlichere Arbeitsbedingungen", sagt Verdi-Fachgruppenleiter Andreas Schackert.

Der Gewerkschafter zeigt aber auch Verständnis dafür, dass Städte und Gemeinden nicht allein die Probleme im Nahverkehr lösen könnten. Allein bis zum Jahr 2030 müssten 460 Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur nachgeholt werden, vom Ausbau von Bussen und Bahnen gar nicht zu reden. "Da ist die Bundesregierung finanziell stärker gefordert", findet Schackert.

60 lokale Gruppen von Fridays for Future unterstützen den Streik. "Wir alle brauchen einen verlässlichen Nahverkehr, mit dem wir sicher und günstig zur Arbeit, in den Klub oder nach Hause kommen", sagt Sprecherin Darya Sotoodeh. Es dürfe nicht auf Kosten der Beschäftigten gespart werden. "Sie haben immer weniger Pausen, werden aufgrund der hohen Belastung immer öfter krank, und nicht wenige verlassen deswegen ihren Job. Das muss sich jetzt ändern, deswegen streiken wir gemeinsam mit den Beschäftigten."

Kritik kommt dagegen von Fahrgastverband "Pro Bahn": "Für die Fahrgäste ist das äußerst unangenehm", sagte der Pro-Bahn-Vorsitzende Detlef Neuß der Deutschen Presse-Agentur. "Sie hatten sich gerade gefreut, dass jetzt einiges besser geworden ist, und schon kommt der nächste Arbeitskampf."

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