Öl:Saudi-Arabien hat Milliarden verbrannt - mit Erfolg

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Saudi-Arabien hat durch den niedrigen Ölpreis gelitten, ihn aber durch die hohe Fördermenge auch selbst verursacht. (Foto: Fayez Nureldine/afp)

Das Königreich flutet die Märkte mit billigem Öl, die Abhängigkeit der Welt von Saudi-Arabien ist ungebrochen. Es gibt nur einen Ausweg.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Bis Mitte 2014 war die Welt am Golf in bester Ordnung - zumindest was die Staatseinnahmen anging. Der Ölpreis lag seit Jahren die meiste Zeit über 100 Dollar pro Barrel. Saudi-Arabien und die anderen Petro-Monarchien finanzierten damit üppige Subventionen, um ihre Untertanen bei Laune zu halten, klotzten mit Infrastrukturprojekten und steckten Milliardengewinne in Devisenreserven, Staatsfonds und Investitionen in der ganzen Welt. Dann zeigte der Fracking-Boom in Nordamerika Wirkung - die USA träumten von der Energie-Unabhängigkeit, die schon Präsident Richard Nixon 1973 versprochen hatte. Sie überflügelten Saudi-Arabien als größten Öl-Produzenten.

Doch die Kombination aus stagnierender Nachfrage, die teils auf Effizienzsteigerung zurückging und teils auf das langsamere Wirtschaftswachstum vor allem in Asien, führte zu einem neuen Überangebot. Diese Öl-Schwemme ließ die Preise purzeln wie nie zuvor. Sie stürzten binnen eines Jahres auf unter 30 Dollar ab. Und alle blickten an den Golf, auf Saudi-Arabien, in der Erwartung, das Königreich werde seine Produktion drosseln, um die Preise zu stabilisieren - ganz so, wie die Saudis es als entscheidende Macht des Opec-Kartells jahrzehntelang getan hatten.

Doch diesmal spielte Riad nicht mit: Das Königshaus und die staatliche Ölfirma Aramco betrachteten das Auftreten der neuen Konkurrenten als strategische Herausforderung - wissend, dass es in den USA kaum ein Feld gibt, das sich bei diesen Preisen mit den neuen Fördermethoden gewinnbringend ausbeuten ließe. Mehr als 60 US-Ölfirmen gingen allein zwischen Anfang 2015 und Frühjahr 2016 pleite. Die meisten brauchen Preise jenseits der 50 Dollar, an einigen Orten gar 75 Dollar, um überhaupt rentabel zu sein.

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Eine Beruhigung des Marktes wird für kommendes Jahr erwartet

Saudi-Arabien hatte in den Achtzigerjahren, als Nordseeöl auf den Markt drängte, schon einmal versucht, die Preise hoch zu halten, indem es die Fördermenge drosselte. In der Folge verlor das Land massiv an Marktanteilen. Diesmal beschlossen die Saudis, ihre Marktanteile zu verteidigen - und pumpten sogar noch mehr Öl. Dass dabei neben den Amerikanern auch Produzenten in Lateinamerika, aber auch Russland und Konkurrenten in der Region, allen voran Iran, Problem bekamen, nahmen die Verantwortlichen in Riad als Kollateralschäden billigend in Kauf.

Ihre Strategie scheint nun Früchte zu tragen: Neue Zahlen der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zeigen, dass Produzenten aus dem arabischen Raum mit 34 Prozent den höchsten Anteil an der globalen Ölproduktion seit Mitte der Siebzigerjahre haben. Von den 31 Millionen Barrel pro Tag fördert Saudi-Arabien alleine ein Drittel - bei Produktionskosten von weniger als zehn Dollar, bei einigen der größten Felder nicht einmal fünf Dollar pro Fass. Aramco hat auch in den schlimmsten Monaten noch Geld verdient - freilich längst nicht so viel, wie Riad für einen ausgeglichenen Haushalt bräuchte.

Das Land hat einen hohen Preis gezahlt, allein 2015 verbrannte es 115 Milliarden Dollar seiner einst auf 750 Milliarden geschätzten Reserven, im Mai sanken sie erneut um sechs Milliarden. Doch scheint das Kalkül der Machthaber aufzugehen, diese Baisse länger durchstehen zu können als alle Konkurrenten. Der Ölpreis konsolidiert sich gerade bei etwa 50 Dollar, eine Beruhigung des Marktes wird für kommendes Jahr erwartet. Von Riad aus betrachtet sind das überschaubare Zeiträume und ein Preisniveau, das sich langsam akzeptablen Gegenden annähert.

Die Öl-Krise könnte sich als heilsamer Schock erweisen

Politisch heißt das: Die Abhängigkeit vom arabischen Öl bleibt erheblich in den USA und China, wo die Menschen wieder deutlich mehr spritschluckende Autos kaufen. Vor allem aber in Europa, das Aramco gerade mit Rabatten umgarnt. Der Plan von US-Präsident Barack Obama, die US-Volkswirtschaft von der Instabilität der arabischen Welt abzukoppeln und die Region weitgehend sich selbst zu überlassen, erweist sich als kaum durchhaltbar. Für Europa galt er ohnehin nie. Fracking in großem Stil ist hier politisch nicht durchsetzbar, alternative Lieferanten, Russland allen voran, sind nicht weniger problematisch. Die einzige Option hierzulande wäre, konsequent auf alternative Energien und Energieeffizienz zu setzen.

In Saudi-Arabien könnte die Ölpreiskrise sich als heilsamer Schock erweisen: Mit ihr im Rücken versucht der ambitionierte Königssohn Mohammad bin Salman, Wirtschaftsreformen durchzudrücken, die das Land schon seit Jahrzehnten dringend nötig hat. Wenn die Ölpreise allzu schnell steigen oder wieder alte Höhen erreichen sollten, könnten auch diese für viele Saudis unbequemen Veränderungen versanden. So oder so aber hat Saudi-Arabien vorerst seine Position im Markt gefestigt - und damit auch gegenüber dem Westen.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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