Die Frage war natürlich rhetorisch: "Glauben Sie", löcherte der republikanische Senator Lindsey Graham kürzlich Facebook-Chef Mark Zuckerberg, "glauben Sie, dass der durchschnittliche Nutzer versteht, wofür er sich da anmeldet?" Es war einer der wenigen Momente in der mehrstündigen Befragung, in denen Zuckerberg in Verlegenheit kam. Er antwortete schließlich wahrheitsgemäß mit "Nein" und fügte hinzu, es gebe wohl Möglichkeiten, die Nutzungsbedingungen klarer auszudrücken.
Die erste Gelegenheit dazu aber hat sein Unternehmen schon mal verpasst. Da am 25. Mai die neue europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt, hat Facebook damit begonnen, Nutzer um Zustimmung zu einigen Punkten zu bitten. Wer das ernst nimmt, darf sich auf Leckerbissen freuen wie diesen in Großbuchstaben geschriebenen Satz: "WIR STELLEN FACEBOOK IM VORLIEGENDEN ZUSTAND ("AS IS") OHNE JEGLICHE AUSDRÜCKLICHEN ODER KONKLUDENTEN GARANTIEN BEREIT; DIES SIND U. A. KONKLUDENTE GARANTIEN DER MARKTGÄNGIGKEIT, DER EIGNUNG FÜR EINEN BESTIMMTEN ZWECK UND DER NICHTVERLETZUNG."
Dabei fängt alles ganz verständlich an. Unter der leicht anglisierend wirkenden Überschrift "Wichtige Updates zu überprüfen" werden die Nutzer ganz oben in ihrer Facebook-Timeline aufgefordert, sich doch ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um ein paar Dinge zu regeln. Wer will, kann das auch erst einmal lassen. Ist der Termin dann aber erreicht, wird es verpflichtend, um Facebook weiter nutzen zu können.
Wer jedoch wirklich lesen will, was Facebook in seine Nutzungsbedingungen und die Datenrichtlinie hineingeschrieben hat, muss aber wesentlich mehr Zeit mitbringen als ein paar Minuten. Alleine die Nutzungsbedingungen umfassen, ausgedruckt auf DIN-A4-Papier, dreieinhalb Seiten mit sehr kleiner Schrift. Auf einem Handybildschirm müssten die Facebook-Nutzer Dutzende von Bildschirmseiten durchblättern und lesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das jemand macht, dürfte nicht sehr hoch sein. Die Datenrichtlinie ist noch umfangreicher. Ein Forscher der Universität Wien hat das mal in einer Studie mit etwa 1000 Facebook-Nutzern überprüft. Das Ergebnis ist allenfalls in seiner Deutlichkeit überraschend: 99 Prozent hatten keine Ahnung, in welche Klauseln sie eingewilligt hatten. Hätte man ihnen die Wahl gelassen, hätten nur drei Prozent von ihnen allen Bedingungen zugestimmt.
Versteckter Scherz in AGB: 40 Tage lang Toiletten putzen?
Verbraucherschützer bemängeln schon lange, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vieler Unternehmen zu lang und für die meisten Kunden in weiten Teilen unverständlich seien. Sie alle zu lesen, ist für durchschnittliche Nutzer von Internetangeboten so gut wie unmöglich. Etwa 76 Tage pro Jahr müssten sie nichts anderes tun, als all die AGB lesen, die ihnen von Versendern und Dienstleistern im Netz zum Abnicken vorgelegt werden, das haben Verbraucherschützer hochgerechnet. Als hätte es noch eines Beweises bedurft, erlaubte sich ein Internetanbieter 2017 bei einem Festival in Großbritannien einen kleinen Scherz. In den AGB für die Nutzung eines kostenfreien Wlan-Dienstes versteckten sie die Verpflichtung, im Gegenzug für den Internet-Zugang gut 40 Tage lang Toiletten zu putzen. 22 000 Besucher stimmten zu.
Das war natürlich völlig absurd. Auf eine andere Art absurd wirken dagegen Bedingungen aus der aktuellen Datenrichtlinie von Facebook. Daten würden "an Anbieter, Dienstleister und sonstige Partner" übertragen, heißt es darin, zum Beispiel, um die Wirksamkeit von Werbeanzeigen zu messen. Oder auch für wissenschaftliche Zwecke. Man erinnere sich: Ein Wissenschaftler war es, über den ein ganzer Wust an Daten an die britische Firma Cambridge Analytica gelangte. Davor schützen soll die Nutzer nun dieser Satz: "Diese Partner müssen im Einklang mit dieser Datenrichtlinie und den mit ihnen geschlossenen Vereinbarungen strenge Geheimhaltungspflichten einhalten." Bei der Überprüfung dieser Pflichten war Facebook in der Vergangenheit nicht besonders sorgfältig vorgegangen.
Der Prozess, durch den man als Nutzer beim Aktualisieren der Datenschutzeinstellungen geführt wird, zeichnet sich dadurch aus, dass die Schaltfläche "Allem zustimmen" prominent farbig gestaltet ist, der Knopf, der zu den Einzeleinstellungen führt, ist dagegen unscheinbar grau. Und bevor man diese Einstellungen vornehmen darf, malt einem Facebook noch aus, was einem alles entgeht, wenn man bestimmte Daten nicht preisgibt. Erst dann öffnet sich eine weitere Seite, auf der die Einstellung dann gewählt werden.
Vieles aber muss man entweder schlucken oder aber draußen bleiben. Zum Beispiel: Gerichtsstreitigkeiten sollen ausschließlich in San Mateo, Kalifornien, geklärt werden. Manche der Bedingungen würden vermutlich vor Gericht nicht standhalten. Doch wer klagt schon als Einzelperson gegen ein Milliarden-Unternehmen?