Streaming:Netflix will bald fünf Euro pro Trittbrettfahrer

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Das Bridgerton-Spin-off "Queen Charlotte" läuft derzeit erfolgreich auf Netflix. Aber nicht jeder, der das schaut, zahlt auch dafür. (Foto: Liam Daniel/AP)

100 Millionen Netflixer nutzen den Dienst, ohne dafür zu bezahlen, behauptet das Unternehmen. Das soll sich jetzt ändern. Unklar ist allerdings, wie die neue Gebührenregel durchgesetzt werden soll.

Von Max Muth

Der Videostreaming-Anbieter Netflix will von Kunden zusätzliche Gebühren, wenn sie ihr Passwort mit Personen teilen, die nicht im selben Haushalt wohnen. Das Unternehmen verschickte in dieser Woche eine entsprechende Mail. Demnach sollen Abonnenten in Deutschland pro zusätzlicher Person jeden Monat 4,99 Euro zahlen. Wie schnell Netflix die neuen Regeln durchsetzen will, sagte das Unternehmen nicht. Accounts, die fremdgenutzt werden, sollen zunächst eine Nachricht erhalten, die eine baldige Sperrung ankündigt.

Nicht komplett geklärt ist auch, wie Netflix künftig herausfinden will, ob ein Gerät zum eigenen Haushalt gehört oder nicht. Testläufe in Märkten in Mittel- und Südamerika zeigen jedoch, wo die Reise hingehen dürfte. Demnach definiert Netflix den "Haushalt" über das hauptgenutzte Wlan und die IP-Adresse der genutzten Geräte. In Testmärkten wie Costa Rica müssen sich Nutzer einmal alle 31 Tage mit ihrem Heim-Wlan verbinden und etwas auf Netflix ansehen. Die Geräte, mit denen sie das tun, bleiben auch für die mobile Nutzung freigeschaltet. Wer ein Tablet nur gelegentlich auf Reisen nutzt, könnte so Gefahr laufen, Netflix auf diesem Gerät zunächst nicht nutzen zu dürfen. Dieses Problem soll offenbar über einen Freischaltcode gelöst werden, der per SMS oder E-Mail an die Kunden geschickt wird. Dieser schaltet das Gerät dann für sieben Tage frei.

Werden Eltern künftig um Netflix-Codes angeschnorrt?

Das könnte auch eine der Möglichkeiten sein, wie hartnäckige Schwarzseher den Netflix-Account von Freunden oder Eltern weiter nutzen können. Viele Kinder, die von zu Hause ausgezogen sind, dürften lieber einmal pro Woche ihre Eltern nach einem Freischaltcode bitten, als fünf Euro monatlich zu überweisen. Andererseits sind fünf Euro durchaus verkraftbar. Netflix geht offenbar davon aus, dass die Account-Inhaber von den Nachfragen nach Freischaltcodes so genervt sind, dass sie lieber fünf Euro mehr ausgeben.

Szene aus der amerikanischen Netflix-Reality-Serie Queer Eye. (Foto: Netflix)

Netflix verspricht sich von der strengeren Regelung deutlich höhere Einnahmen. Zwar verdient das Unternehmen immer noch viel Geld. Seit dem Höhepunkt 2021, als Netflix über fünf Milliarden Dollar erwirtschaftete, ging der Gewinn stetig zurück. Das Unternehmen geht laut eigener Aussage davon aus, dass bis zu 100 Millionen Nutzer den Service über einen fremden Account nutzen, bei rund 230 Millionen zahlenden Kunden ein sehr hoher Anteil. Freunde teilen ihren Account untereinander, Kinder nutzen den Account der Eltern oder umgekehrt. Untersagt ist das Account-Sharing laut den Nutzungsbedingungen des Unternehmens schon länger, nur setzte Netflix das Verbot bislang nie um. Es gab keinen Grund, denn Netflix wuchs und wuchs, bis zum ersten Quartal 2022. Da meldete Unternehmen erstmals einen Mitgliederrückgang um 200 000. Im darauf folgenden Quartal kündigte fast eine Million Nutzer ihr Abo.

Gespart wird auch bei den eigenen Mitarbeitern

Seitdem hat Netflix einige Maßnahmen umgesetzt, die die Profitabilität steigern sollen. So wurden über 400 Mitarbeitende entlassen und das billigere Basis-Abo mit Werbung eingeführt. Das härtere Vorgehen gegen Schwarzseher soll Netflix nun dabei helfen, mittelfristig wieder mehr Kunden zu gewinnen. Das Unternehmen rechnet damit, dass die Nutzerzahl mit dem Vorgehen gegen Trittbrettfahrer zunächst sinkt. In Kanada etwa gebe es inzwischen aber mehr zahlende Nutzer und höhere Einnahmen als vorher, sagte Netflix. Dadurch habe man sich bestätigt gefühlt.

Im 17,99 Euro teuren Premium-Account sollen Abonnenten für bis zu zwei "Extra-Mitglieder" bezahlen können. Im Standard-Account, der 12,99 Euro im Monat kostet, ist nur ein zusätzlicher Platz vorgesehen. Das Zusatzabo kostet mit 4,99 Euro genau so viel wie der billigste Netflix-Account, bei dem Kunden allerdings mit Werbeunterbrechungen leben müssen. Der neue Zusatz-Account wird dagegen in der Qualität des Mutteraccounts bereitgestellt. Wer sich bei einem Premium-Account ohne Werbung unterhakt, bekommt diese Qualität also ebenfalls für 4,99 Euro. Der Zusatz-Account kommt dafür mit anderen Einschränkungen. So kann das Konto nur im Land des zahlenden Kunden aktiviert werden. Am Dienstag wurde auch der Start des Vorgehens im wichtigen US-Markt angekündigt. Dort soll der Zusatz-Account 7,99 Dollar kosten.

Im vergangenen Monat hatte Netflix angekündigt, dass nach mehr als 25 Jahren der DVD-Versand per Post in den USA endgültig eingestellt werde. Die letzten Scheiben in den charakteristischen roten Umschlägen sollen Ende September verschickt werden, das Angebot wird schon länger kaum noch genutzt. Das Aus wird im Umsatz kaum zu spüren sein, aber es ist ein Symbol, dass Netflix mit alten Traditionen bricht. Das gilt nun auch für den Umgang mit den lange tolerierten Schwarzsehern.

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