Nahaufnahme:Zurück in die Siebziger

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"Bis zum Gymnasium bin ich aus meinem Dorf nie herausgekommen. So habe ich gelernt, mich durchzusetzen", erzählt die Managerin. (Foto: oh)

IBM-Managerin Angelika Steinacker begeistert Frauen für Technik. Sie ärgert sich darüber, dass sich die Gesellschaft rückwärts bewegt. In den Siebzigerjahren sei die Branche schon weiter gewesen, was die Chancen von Frauen betrifft.

Von Kathrin Werner

Schneller kann ein Mensch eine Frage gar nicht beantworten. Hat es Sie nicht manchmal eingeschüchtert, immer von so vielen Männern umgeben zu sein? "Nein", schießt es aus ihr hervor. "Das hat mit meiner Sozialisation zu tun." Angelika Steinacker, eine der mächtigsten Cybersecurity-Managerinnen Europas, ist in einem Dorf im Westerwald aufgewachsen. In ihrem Jahrgang gab es fast keine Mädchen, ein Zufall der Natur. So war sie in ihrer Kindheit immer von Jungen umgeben, auch in der kleinen Grundschule. "Bis zum Gymnasium bin ich aus meinem Dorf nie weit herausgekommen", sagt die 58-Jährige. "So habe ich gelernt, mich durchzusetzen."

Steinacker ist europäische Chefin für Lösungen zu Identitäts- und Zugriffsmanagment beim US-Computerkonzern IBM, in der Branche ist sie schon seit mehr als 30 Jahren. "Natürlich hat man mich auch mal für die Sekretärin von meinem Chef gehalten und so", erzählt sie. Aber es hat sie nicht weiter gestört. Sie wusste ja, was sie kann. "So etwas hat mich nicht aufgehalten." Heute sieht sie es als Teil ihrer Aufgaben, dass junge Frauen in ihre Fußstapfen folgen und sich für Karrieren in der Computerbranche begeistern, speziell in der Cybersecurity, einem schnell wachsenden Feld, in dem es kaum Frauen gibt, vor allem in Deutschland. Darum ist es ihr auch wichtig, von ihrer Laufbahn zu erzählen, etwa auf der Cyberwomen 2019, der Konferenz für Frauen in der IT-Sicherheitsbranche in Deutschland. Steinacker ist eines der Vorbilder, an denen es jungen Frauen fehlt, die sich für technische Berufe interessieren, aber sich nicht so recht trauen.

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Sie selbst ist nie auf die Idee gekommen, dass Computer nur etwas für Jungs sind. "Unsere Eltern waren sehr fortschrittlich", sagt Steinacker. "Sie haben meinen Bruder und mich quasi gegengeschlechtlich erzogen." Die kleine Tochter spielte mit Bauklötzen, ihr Bruder mit Puppen. Steinacker hat deshalb gedacht, dass es komplett an der Sozialisierung liegt, dass sich Mädchen seltener für Informatik interessieren als Jungen. Dann bekam sie selbst Kinder: Obwohl diese mit einer Mutter aufwuchsen, die ein Vorbild für Frauen in typischen Männerberufen ist, interessieren ihre Kinder nun doch Felder, die typischerweise zu ihrem Geschlecht passen. "Ein bisschen etwas muss doch genetisch sein", sagt sie.

Cybersecurity sei ein Fach, das Frauen eigentlich liegt. Natürlich müsse man sich für Technik interessieren, aber in ihrem Beruf seien Kommunikation und der Umgang mit Menschen mindestens genauso wichtig. Steinacker hat viel mit Menschen aus anderen Ländern zu tun. Dem Management in den USA erklärt sie, wie die Europäer Datenschutz und Cybersecurity sehen. Und auch die Kunden müsse man verstehen. "Viele meiner jungen Kollegen sind Designer", sagt sie. "Man muss Technik schließlich so gestalten, dass Menschen sie annehmen, ohne sich belästigt oder bevormundet zu fühlen."

Es ärgert sie, dass sich die Gesellschaft in ihrer Branche wieder rückwärts bewegt. Als sie Mathematik studierte, war sie von vielen Frauen umgeben. Später promovierte sie in Mathematik mit Spezialgebiet Kryptografie. Informatik war damals eine junge Wissenschaft und galt eher als ein Frauenfach. "Ich bin ein Kind der Siebzigerjahre, da waren wir weiter als heute", sagt sie. "Und trotzdem begegne ich jungen Frauen, die glauben, wir hätten schon so etwas wie Gleichberechtigung. Aber wo ist denn zum Beispiel die Unterstützung, wenn man Kinder bekommt und weiter arbeiten will?" Das Klischee von der Rabenmutter sei heute ausgeprägter als früher. Sie will, dass die Chancen von Frauen in ihrer Branche wieder besser werden. "Ich bin froh, dass ich junge Kolleginnen habe, denen ich einen Schubs geben kann, um sich weiterzuentwickeln."

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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