Handwerk in Deutschland:Handwerker bangen um den Meisterbrief

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Auch Schornsteinfeger fürchten um die Qualität ihrer Berufsabschlüsse. (Foto: dpa)
  • Die EU-Kommission plant neue Regeln für die Weiterentwicklung von Berufen. Neue Ausbildungsrichtlinien müssten dann möglicherweise zentral in Brüssel geprüft werden.
  • Handwerker in Deutschland fürchten, dadurch könnte die Qualität der Ausbildung sinken.
  • Schornsteinfeger Andreas Ehlert aus Düsseldorf ärgert sich über die Pläne - und über die geringe Wertschätzung der Ausbildung in Deutschland.

Von Elisabeth Dostert

Andreas Ehlert, 55, ist Handwerker. Er klingt wie ein Mann, der seinen Beruf mag. Ehlert ist selbständiger Schornsteinfegermeister. Er hat vier Mitarbeiter, er führt den Betrieb in der vierten Generation. Sein Bezirk - das Wort stammt aus einer Zeit, als die Welt der Schornsteinfeger noch in Ordnung war - liegt im Zentrum von Düsseldorf. Viele Mietshäuser, Geschäfte.

Ehlert ist ein freundlicher Mensch. Es stört ihn nicht, wenn ihn Fremde am Ärmel seines schwarzen Kehranzugs packen, weil Schornsteinfeger doch angeblich Glück bringen. In seiner Jackentasche hat er meist ein paar winzige Schornsteinfeger aus Kunststoff stecken. Die verschenkt er. "Unser Image in der Bevölkerung ist gut", sagt Ehlert. In der Bevölkerung schon, aber nicht bei den Behörden in Brüssel.

Dort bahnt sich, so sieht das Ehlert, der nächste Angriff auf die deutschen Handwerker und die duale Ausbildung an. Wer in Deutschland ein Handwerk erlernt, tut das nicht nur im eigenen Lehrbetrieb, sondern geht auch zur Berufsschule und in überbetriebliche Werkstätten. Das alles sieht Ehlert in Gefahr. Die EU-Kommission hat ein Dienstleistungspaket geschnürt. Der Richtlinienvorschlag sieht unter anderem vor, dass neue Regeln für die Weiterentwicklung von Berufen künftig abschließend in Brüssel anhand einheitlicher Kriterien auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden.

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Unverhältnismäßig aus Sicht der Behörde sind Vorschriften, die die Mobilitäts- und Dienstleistungsfreiheit einschränken. Das könnte bedeuten, so Ehlert, dass zum Beispiel eine neue Prüfungsordnung in Brüssel vorgelegt werden müsste. Erfüllt sie die Kriterien nicht, muss sie geändert werden. Die Anforderungen an die Meisterprüfung könnten gelockert werden, und das schwäche die Qualität der Ausbildung. "Ein schlechter Meister ist auch ein schlechter Ausbilder. Wer schlecht ausgebildet ist, macht schlechte Arbeit", sagt Ehlert. Er spricht nicht nur für sich. Seit 2014 ist er Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf und des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstages.

Während Ehlerts Berufsleben hat sich das Berufsrecht für Schornsteinfeger dramatisch gewandelt. Als er 1977 in die Lehre ging, gab es noch das Schornsteinfeger-Monopol. Nach der Meisterprüfung 1984 bewarb er sich beim Regierungspräsidenten um einen Bezirk in Düsseldorf - und bekam elf Jahre später den Zuschlag. "Damals war das eine Bestellung auf Lebenszeit", erzählt Ehlert. 2004 fiel für viele Handwerksberufe die Meisterpflicht, allerdings nicht für Schornsteinfeger. Schwerer traf Ehlert 2009 der Wegfall des Monopols: "Ich muss mich jetzt alle sieben Jahre neu für den Bezirk bewerben."

Bundesregierung will sich bei der EU beschweren

Das Handwerk trage maßgeblich zum Wohlstand des Landes bei, sagt Ehlert, daher sollten akademische und gewerbliche Bildung auch gleich wertgeschätzt werden. In Sonntagsreden sei das oft so. Aber im Alltag? Sein "Lieblingsfeind" sei die OECD, sagt Ehlert. Die Organisation veröffentlicht regelmäßig Berichte über den Bildungsstand. "Wenn der Sohn eines Akademikers eine Lehre macht, dann ist das aus Sicht der OECD ein Bildungsverlierer. Das kann doch nicht sein!", schimpft Ehlert.

An diesem Montag kommt Angela Merkel zur Handwerksmesse nach München. Eine Gabe hat sie schon. Vergangene Woche haben Bundesrat und Bundestag eine Subsidiaritätsrüge beschlossen. Sie halten, wie die Handwerker, die geplante Richtlinie für einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip, weil Bildung Aufgabe der nationalen Staaten sei. Nun muss die Bundesregierung in Europa nur noch die nötigen Stimmen hinter sich bringen, mindestens ein Drittel aller Stimmen, jedes Land hat zwei. Dann müsste die EU die Richtlinie im Hinblick auf die Subsidiarität überprüfen.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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