Nächster Halt: Börsengang:Die schlechte alte Bahn

Lesezeit: 3 min

Der Bund sollte an einer Privatisierung des Verkehrs auf der Schiene festhalten, sobald die Märkte es wieder zulassen - besser lässt sich eine effiziente Bahn nicht garantieren.

Michael Bauchmüller

Wer bei der Deutschen Bahn dieser Tage gute Nachrichten finden will, der muss schon verdammt weit reisen. Auf den Balkan etwa, wo ein Güterzug des deutschen Konzerns gerade einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen soll, von Slowenien in die Türkei in 37 Stunden. Oder nach Polen, wo das Unternehmen durch einen Zukauf über Nacht zum zweitgrößten Eisenbahn-Betreiber wurde. Das ist aber auch schon alles.

Großer Bahnhof in der Hauptstadt: Reisende auf dem Weg zum Zug in Berlin. (Foto: Foto: Reuters)

Daheim ist die Lage trist. Die Wirtschaftskrise trübt zunehmend die Zahlen von Bahnchef Hartmut Mehdorn. Der Börsengang, Mehdorns Lieblingsprojekt, ist vom Verkehrsminister im Alleingang zum Abschuss freigegeben. Und die Datenaffäre wirft ein eigenartiges Licht auf den Umgang des Unternehmens mit den eigenen Mitarbeitern. Probleme mit den Achsen von Hochgeschwindigkeitszügen und ein Desaster um die Einführung von Schaltergebühren wirken da schon fast wie Petitessen.

Das Reich des Hartmut Mehdorn, 66, ist ein Reich in der Götterdämmerung. Fast zehn Jahre lang konnte er das Unternehmen bedingungslos auf den Börsengang trimmen. Jetzt aber schmilzt Mehdorns Geschäftsgrundlage wie Schnee in der Sonne. Der Kampf um sein Erbe ist in vollem Gange.

Nicht anders sind die Anfeindungen zu verstehen, denen sich die Bahnspitze nun ausgesetzt sieht. Die Gewerkschaften, lange Zeit Verbündete Mehdorns, sprechen erstmals offen von der drohenden Ablösung des Bahnvorstands, und der Verkehrsminister, sozusagen oberster Verwalter des Bundeseigentums an der Bahn, entzieht Mehdorn vor Publikum das Vertrauen. Vom Börsengang wollen weite Teile der SPD vorerst auch nichts mehr wissen. Sollte die Partei an der Regierung bleiben, könnte Mehdorn seine Pläne beerdigen. Groß sind die Chancen ohnehin nicht mehr.

All das zielt auf den Bahnchef, und mehr noch: Es zielt auf den Einfluss bei der Bahn. Kippt Mehdorn noch vor der Bundestagswahl - ausgeschlossen ist das nicht -, könnte die SPD bei der Nachfolge mitreden. Genau deshalb schützt die Union Mehdorn, sie würde die Causa lieber ohne die SPD regeln, nach der Wahl.

Wer auch immer das Wettrennen gewinnt: Die Entwicklung ist bedrohlich nicht nur für die Bahn, sondern für den Schienenverkehr insgesamt. Schon jetzt wird deutlich, dass der Spitzenposten im letzten großen Staatskonzern abermals nicht allein nach Qualifikation, sondern auch nach Nähe zu politischen Parteien vergeben wird. Das verfestigt Loyalitäten, die der Bahn schaden: Wer auf dem Ticket einer politischen Partei Bahnchef wird, enttäuscht seine Paten nur ungern.

Der Anspruch der Politik an die Bahn hat leider Tradition. Jeder Parlamentarier kennt in seinem Wahlkreis Dutzende Bahnhöfe, die er gern saniert wüsste. Jeder Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt möchte, dass der ICE auch bei ihm hält. Ministerpräsidenten träumen von elektrifizierten Strecken selbst nach Hintertupfingen. Die Erfüllung von Wünschen war stets die Währung der Bahn im politischen Raum, auch Mehdorn bezahlte zuweilen damit. Effizienter wurde die Bahn so nicht. Aber gleichzeitig war die Perspektive Börsengang zuletzt auch ein Kunstgriff, um den Einfluss des Staates einzudämmen. Das Interesse privater Investoren an einer effizienten Bahn ließ mindestens den Finanzminister nicht kalt, eine Last war die Bahn lang genug. Mehdorn verschaffte sich so mehr Unabhängigkeit als seine Vorgänger.

Jetzt droht das Vakuum. Will der Bund künftig stärker in die Bahn hineinregieren, muss er ein fundamentales Defizit offenbaren: Einen Plan für die Bahn hat die große Koalition nicht in Ansätzen. Die Bahn soll Gewinne einfahren, einerseits. Andererseits soll sie als Rückgrat der Mobilität fungieren, und zwar nicht nur auf den profitablen Strecken zwischen Ballungsräumen. Sie soll agieren wie ein Privatunternehmen, ist aber keines. Sie soll sich dem Wettbewerb stellen, aber nicht darin untergehen. Sie soll sich gegen Auto und Flugzeug behaupten. Der Ausbau der nötigen Strecken aber darf nicht viel kosten.

Lang genug war die Bahn Staatsbetrieb in Reinform. Es waren sicher nicht die besten Jahre der Eisenbahn in Deutschland. Ein Zurück in diese Zeit darf es nicht geben. Der Bund sollte an einer Privatisierung des Verkehrs auf der Schiene festhalten, sobald die Märkte es wieder zulassen. Besser lässt sich eine effiziente Bahn nicht garantieren. Und er braucht einen Plan für den Erhalt von Strecken, die der betriebswirtschaftlichen Optimierung zum Opfer fallen. Vor allem aber braucht er einen Bahnchef, der wie ein Unternehmer handeln kann - und nicht nach Opportunitäten.

© SZ vom 17.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: