Tiefensee im Gespräch:"Bahn-Börsengang nicht mehr auf Agenda"

Pleiten, Pech und Pannen: Minister Tiefensee wirft Bahn-Chef Mehdorn Fehlentscheidungen vor und erteilt dem Börsengang eine Absage.

M. Bauchmüller

SZ: Herr Tiefensee, Streit um Ticketgebühren, angeknackste ICE-Achsen, jetzt noch eine Datenaffäre: Viel Freude kann die Bahn dem Verkehrsminister derzeit nicht machen.

Minister Tiefensee: "Der Börsengang der Bahn steht nicht mehr auf der Agenda"

Verkehrsminister Tiefensee über Bahn-Chef Mehdorn: "Mein Vertrauen ist nicht uneingeschränkt."

(Foto: Foto: ddp)

Tiefensee: Ganz so sehe ich es nicht. Es gibt eine Menge, das an der Bahn nach wie vor Freude bereitet, und wir haben in den letzten Jahren vieles erreicht. Aber es stimmt: Die Bahn macht leider zu viele negative Schlagzeilen.

SZ: Woran liegt das?

Tiefensee: Das liegt an der Konzernspitze, an der von ihr beschädigten Unternehmenskultur. Es liegt auch daran, dass offenbar ein Stück Realitätssinn verlorengegangen ist, etwa in Bezug auf die Bonuszahlungen für die Vorstände. Oder nehmen Sie die Schaltergebühr beim Ticketkauf, die letztlich zurückgenommen werden musste. Das hat dem Image der Bahn nicht gutgetan, und das gilt auch für das Image der handelnden Personen.

SZ: Sie meinen den Bahnchef, Hartmut Mehdorn?

Tiefensee: Ja.

SZ: Viele Parlamentarier haben zuletzt Zweifel an seinem Willen bekundet, die Affäre um die Ausspähung von Mitarbeitern aufzuklären. Haben Sie noch Vertrauen zu ihm?

Tiefensee: Mein Vertrauen ist nicht uneingeschränkt. Gerade der Briefwechsel der letzten Wochen und Monate stimmt mich nachdenklich. Da ist ein Brief von Mehdorn aus dem vergangenen Januar, der um Vertrauen wirbt und mir vorwirft, ich würde Medienberichte überbewerten. Aber schon eine Woche später stelle ich fest, dass an den Vorwürfen eine Menge richtig ist.

Ich erinnere mich ferner an den Briefwechsel im vorigen Sommer, als es um die Sicherheit der ICE-Achsen ging. Damals verlangte Herr Mehdorn von mir mehr Vertrauen in die Sicherheitsgarantien der DB AG. Ich sollte meine Behörde, das Eisenbahnbundesamt, auffordern, die Achsen seltener überprüfen zu lassen. Dann stellte sich heraus, dass das Gegenteil nötig ist, nicht weniger, sondern viel mehr Kontrollen der Achsen. Mehdorns Forderung verstieß gegen elementare Sicherheitsbedürfnisse, auch die der Bahnkunden. Und jetzt gipfelt es in dem ungeheuerlichen Vorwurf, dass zwei völlig unbescholtene und hochkompetente Ermittler, nämlich Frau Herta Däubler-Gmelin und Herr Gerhart Baum, mit gezinkten Karten spielen. Das ist in höchstem Maße ärgerlich.

SZ: Der Bahnvorstand hatte nach einem Brandbrief der beiden Ermittler deren Professionalität bezweifelt.

Tiefensee: Dieser Vorwurf richtet sich eher gegen die Verantwortlichen bei der Bahn selbst. Zweifelsfrei ist ja, dass der Vorstand das Unternehmen in Sachen Datenschutz nicht professionell geführt hat.

SZ: Klingt alles nach einem ziemlich angespannten Verhältnis.

Tiefensee: Das Verhältnis ist angespannt, ja.

SZ: Kann das dauerhaft gutgehen?

Tiefensee: Wir sollten, auch wenn es manchmal schwerfällt, zunächst die Untersuchungen abwarten. Dann erst können Entscheidungen fallen. Die Vorfälle hätten von der Bahn selbst längst aufgeklärt werden müssen, jetzt muss das in kürzester Zeit nachgeholt werden, denn wir brauchen Ergebnisse bis Ende März. Durch diese Scharmützel geht unnötig Zeit verloren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Muss Bahn-Chef Mehdorn gehen?

Muss Bahn-Chef Mehdorn gehen?

SZ: Wird Hartmut Mehdorn gehen müssen?

Tiefensee im Gespräch: Der Börsengang der Deutschen Bahn ist erst einmal vom Tisch.

Der Börsengang der Deutschen Bahn ist erst einmal vom Tisch.

(Foto: Foto: AP)

Tiefensee: Ich will, dass sich die Bahn für die Kunden, aber auch für die Mitarbeiter zu einem noch stärkeren Unternehmen entwickelt. Daran muss sich alles messen lassen.

SZ: Bis vorigen Herbst gab es noch ein anderes Thema, den Börsengang. Die Finanzkrise hat ihn vereitelt, jetzt wächst in der SPD grundsätzlicher Widerstand gegen die Privatisierung. Was sagen Sie Ihren Genossen?

Tiefensee: Der Börsengang war nie Selbstzweck, er war ein Instrument. Wir hatten ungefähr fünf Milliarden aus dem Verkauf erwartet, damit wollten wir die Bahn starkmachen. Ein Teil sollte in das Eigenkapital fließen, ein Teil in die Sanierung von Bahnhöfen und in den Lärmschutz. Das alles erreichen wir nun anders. Wir werden aller Voraussicht nach der Bahn eine Eigenkapitalspritze aus dem eigenen Gewinn geben können, und werden aus dem Konjunkturpaket 1500 kleine und mittlere Bahnhöfe sanieren und den Lärmschutz verbessern. Diese Ziele sind also weitgehend erreicht. Und die Finanzkrise wirkt fort. Aus meiner Sicht steht ein Börsengang deshalb nicht mehr auf der Agenda. Und ich denke, er sollte auch in der nächsten Legislaturperiode nicht weiter verfolgt werden.

SZ: Aber warum wollen Sie die Privatisierung dann nur bis 2013 ausschließen und nicht komplett?

Tiefensee: Niemand kann in alle Zukunft schauen, deshalb dürfen wir Wege nicht völlig verbauen. Es muss später möglich sein, Entscheidungen zu überdenken.

SZ: Die Strategie der Bahn wäre damit erst einmal dahin, die war klar am Börsengang ausgerichtet.

Tiefensee: Wir werden immer wieder strategische Ausrichtungen überdenken müssen. Das ist unsere verkehrspolitische Verantwortung. Die Herausforderung liegt darin, den europäischen Wettbewerb zu bestehen, der 2010 noch einmal härter wird durch die Öffnung der Märkte. Die Bahn ist dafür gut aufgestellt. Und die Börsentauglichkeit heißt ja im Umkehrschluss nur, dass es sich um ein starkes Unternehmen handelt. Dafür arbeiten wir hart.

SZ: Für Bahnchef Mehdorn ist das bitter, der Börsengang war sein großes Ziel, sein Vertrag wurde eigens bis 2011 verlängert. Kann er unter diesen Bedingungen noch sinnvoll weiterarbeiten?

Tiefensee: Ein Vorstandsvorsitzender ist den Zielen des Unternehmens und natürlich der strategischen Ausrichtung des Eigentümers verpflichtet. Wenn die Ziele auf anderem Wege erreicht werden können, sollte er sich dem beugen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: