Börsengang:Koalitionskrach um die Bahn

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Keine gemeinsame Linie: Verkehrsminister Tiefensee stößt mit seiner Absage an die Bahn-Privatisierung und mit der Kritik an Konzernchef Mehdorn auf Widerstand in der Union.

Michael Bauchmüller und Klaus Ott

So deutlich wie nie zuvor hat Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) Ende vergangener Woche dem Vorstandschef der Deutschen Bahn (DB), Hartmut Mehdorn, wegen der Datenaffäre und anderer Pannen das Misstrauen ausgesprochen. Der von Mehdorn seit Jahren vorangetriebenen Privatisierung des Staatsunternehmens erteilte der SPD-Politiker auch noch eine Absage. Jetzt gibt es Krach in der Regierungskoalition um die Bahn.

Der Bund hätte das letzte deutsche Staatsunternehmen schon längst privatisieren wollen. Wegen der Finanzkrise wurde das Vorhaben jedoch erst einmal abgesagt. (Foto: Foto: ddp)

Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel ist offenbar ganz und gar nicht damit einverstanden, wie der Partner SPD mit der Bahn und deren Konzernchef umgeht. Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) distanzierte sich in ungewöhnlich scharfem Ton von den Einschätzungen seines Kabinettskollegen Tiefensee. "Der Bundesverkehrsminister spricht nicht für die gesamte Bundesregierung, wenn er dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn faktisch das Misstrauen ausspricht", sagte de Maizière der Nachrichtenagentur dpa. Die Aufarbeitung der Datenaffäre gehe doch gut voran. "Jetzt geht es um die Aufklärung des Sachverhaltes, nicht um Personen", sagte der Kanzleramtschef.

Festhalten an Beschlusslage

Auch von Tiefensees Absage an den Börsengang der Bahn will der CDU-Politiker nichts wissen. "Der Bundesverkehrsminister kann nicht einseitig den verabredeten Zeitplan ändern", erklärte de Maizière. Was Gespräche mit geeigneten Investoren im In- und Ausland angehe, gebe es "keine neue Beschlusslage der Bundesregierung".

Aus der Unionsfraktion im Bundestag wird ebenfalls Zuspruch für Mehdorn laut. Der Abgeordnete Georg Brunnhuber sagte, in der Datenaffäre gebe es "überhaupt keinen Grund, auch nur ein Jota Kritik am Bahnvorstand zu üben". Brunnhuber gehört dem Aufsichtsrat der Bahn an, der die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG sowie die Ex-Minister Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin (SPD) als Sonderermittler eingesetzt hat. Sie sollen herausfinden, wer bei der Bahn für die wiederholte Ausspähung der Belegschaft verantwortlich ist. Die beiden Ex-Minister haben sich wortreich darüber beklagt, in der Bahn lege man ihnen Steine in den Weg.

Dafür werden der ehemalige Bundesinnenminister Baum und die frühere Justizministerin Däubler-Gmelin, die für die SPD nach wie vor im Bundestag sitzt, von Brunnhuber attackiert. Mehdorn habe doch erklärt, wenn es irgendwo klemme, sollten die Sonderermittler sich direkt an ihn wenden. Das hätten Baum und Däubler-Gmelin aber nicht getan, wirft ihnen Brunnhuber vor. Bei dem CDU-Abgeordneten nährt das den Verdacht, den beiden Ex-Ministern gehe es gar nicht um die Aufklärung der Affäre. Sondern um politische Ziele. Auch beim Thema Börsengang widerspricht Brunnhuber Verkehrminister Tiefensee. Union und FDP seien für die Privatisierung.

Es zeichnet sich immer mehr ab, dass Union und SPD mit unterschiedlichen Aussagen über die Zukunft des letzten großen Staatsbetriebs in den Bundestagswahlkampf ziehen. Das SPD-Parteipräsidium, das am Montag beriet, legte sich zwar nicht endgültig fest. Die Tendenz war nach Angaben eines Sitzungsteilnehmers aber klar. "Wir gehen davon aus, dass der Börsengang auf jeden Fall für die nächste Legislaturperiode gestoppt, wenn nicht gar ganz aufgegeben wird."

Gegen Tiefensees Absage an den Börsengang habe es keine Einwände gegeben, nur einen Hinweis von Parteichef Franz Müntefering. Der habe erklärt, dass der Bund wegen des Konjunkturprogramms mehr Geld für die Bahn ausgebe. Das sei wohl nicht jedes Jahr möglich. Die Frage, wie die Bahn auf Dauer finanziert werde, müsse noch beantwortet werden. Doch die Linie in der SPD ist klar: "Die Kapitalprivatisierung der Bahn wird nicht weiter verfolgt", heißt es auch in einer Beschlussvorlage zum Wahlprogramm von SPD-Fraktionsvize Klaas Hübner.

© SZ vom 17.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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