In wenigen Tagen geht es in Bonn wieder um die Zukunft des Planeten. Die Staaten der Welt treffen sich zur 23. Weltklimakonferenz, zwei Arbeitswochen verhandeln ihre Vertreter dann über Details, wie das Pariser Klimaschutzabkommen umgesetzt werden soll. Sie eint die Suche nach den richtigen Antworten auf die Frage, wie sich die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad begrenzen ließe. Einfach wird das nicht mehr. Und den Konferenz-Teilnehmern ist bewusst: Ohne die Finanzmärkte wird es sehr wahrscheinlich unmöglich.
Denn sie bestimmen, wohin das Geld von Anlegern, Investoren und Kreditgebern fließt, welche Firmen Kredite erhalten und welche Investitionen finanziert werden. "Die Finanzmärkte haben eine wichtige Hebelwirkung", sagt John Ruggie, ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Vereinten Nationen. Er meint: Man kann die Funktion der Finanzmärkte nutzen, um Geldströme so zu lenken, dass besonders klimafreundliche Unternehmen belohnt werden oder Firmen, die sich allgemein an strenge Menschenrechts- und Umweltstandards halten. Die vielen möglichen Kriterien werden unter dem Begriff der Nachhaltigkeit zusammengefasst.
60 Prozent der Deutschen wären gern besser informiert, wie Fonds ihr Geld anlegen
Seit einigen Jahren bekommen auch Privatanleger mit, dass sich an den Finanzmärkten etwas tut: Selbst die etablierten Großbanken beschäftigen sich inzwischen mit den Risiken des Klimawandels und der Rolle der Nachhaltigkeit in ihrer Branche. Und Anleger wollen genauer wissen, wohin ihr Geld fließt. In Umfragen von Banken sagen regelmäßig an die 60 Prozent der Deutschen, sie wären gern besser informiert, wie Geldinstitute und Fondsgesellschaften ihr Geld anlegen oder verleihen. Untersuchungen der Verbraucherzentrale Bremen zeigen, dass mittlerweile etwa jeder Dritte in Umfragen angibt, sich für grüne Geldanlagen zu interessieren.
Die Fonds-Branche reagiert auf die veränderte Nachfrage. Beständig werden neue Fonds mit grünem Anstrich aufgelegt. Die Kriterien, nach denen Produkte als nachhaltig vermarktet werden, sind nach wie vor denkbar unscharf: Während einige lediglich Investitionen in bestimmte kontroverse Branchen wie Waffen- und Munitionshersteller ausschließen, legen andere das Geld der Investoren nach strengen Kriterien an, mit denen sie die Umwelt- und Sozialbilanz von Unternehmen bewerten. Eine allgemeingültige Definition, welche Geldanlage nachhaltig ist, gibt es nicht. "Jeder Anbieter versteht darunter etwas anderes", heißt es bei der Verbraucherzentrale Bremen, "der Markt für diese Finanzprodukte ist unübersichtlich." Bei den Verbraucherzentralen, der Stiftung Warentest oder Vereinen wie dem Forum Nachhaltige Geldanlagen finden interessierte Sparer zusätzliche Informationen.
Im Bereich der börsengehandelten Indexfonds ist die Auswahl zwar noch überschaubar - unübersichtlich ist sie trotzdem schon. 66 neue Nachhaltigkeitsfonds kamen allein bis September in Europa auf den Markt, hat die Ratingagentur Morningstar ermittelt. Zwölf dieser Fonds waren Indexfonds. Privatanleger können inzwischen aus 37 ETF wählen, von denen die meisten ausschließlich in Aktienmärkte investieren. Aber nur 20 davon sind in Deutschland zum Verkauf zugelassen. Und viel Geld haben diese Fonds noch nicht eingesammelt: Der größte Nachhaltigkeits-ETF in Deutschland ist der "MSCI Europe Ex Controversial Weapons" der französischen Großbank BNP Paribas, der als einziges Kriterium Firmen ausschließt, die "an der Entwicklung von umstrittenen Waffen beteiligt sind". Er verwaltet ein Vermögen von 511,5 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zu herkömmlichen ETF wenig. Mehrere grüne ETF wurden in den vergangenen Jahren bereits geschlossen, weil ihr Volumen zu gering geblieben war.
Ali Masarwah, Fondsexperte von Morningstar, rät deshalb zur Geduld. Anleger sollten hinterfragen, ob ihnen die Auswahl schon groß genug sei: "Das ist noch nicht üppig. Bei aktiven ESG-Fonds ist das Spektrum deutlich größer." Nehme man die Neuauflagen der vergangenen zwei Jahre zum Maßstab, könnte die Zahl der nachhaltig investierenden ETFs in ein bis zwei Jahren bei gut 70 liegen. "Und da der Wettbewerb bei ETFs funktioniert, könnte ich mir vorstellen, dass die Kosten für diese Produkte unter Druck geraten", sagt er.
In vielen Produkten können auch Ölkonzerne enthalten sein
Angesichts der aktuellen Palette an nachhaltigen ETFs sehen sich Anleger außerdem mit einem typischen Problem dieses Sektors konfrontiert: Sie gehen möglicherweise höhere Risiken ein. Fonds wie etwa der iShares Global Clean Energy von Blackrock bilden ein Thema ab, in diesem Fall erneuerbare Energien und Zukunftstechnologien. Die Wertentwicklung solcher Themenfonds hängt von Indizes ab, die sich nur auf wenige Sektoren konzentrieren. Gerade in solchen Wachstumsmärkten schwanken die Kurse stärker. Derartige Fonds sind deshalb in der Regel nur als Beimischung zu empfehlen; Anleger sollten sie genau unter die Lupe nehmen.
Sinnvoller erscheinen ETF, die etablierte Nachhaltigskeits-Indizes nachbilden. Zu den bekanntesten gehören der Dow Jones Sustainability Index und der MSCI World ESG Index. ESG steht in der englischen Fachsprache für die Trias aus Umweltschutz, sozialen Belangen und guter Unternehmensführung und damit für ein weit gefasstes Verständnis von Nachhaltigkeit. Beide Indizes sortieren Firmen nach dem sogenannten Best-in-Class-Prinzip. Demnach können auch Ölkonzerne enthalten sein, wenn sie sauberer arbeiten als die Konkurrenz. Mehrere Ratingagenturen vergeben Noten an Börsenkonzerne, nach denen sich die Indexbetreiber richten.
Branchen-Experten erwarten, dass ESG-Kriterien dank einer verbesserten Datenlage künftig zu harten Kennzahlen werden, ähnlich dem Kurs-Gewinn-Verhältnis und der Dividendenrendite. Andreas Feiner, Partner bei der ESG-Fondsgesellschaft Arabesque, sieht die Finanzmärkte gar vor einem "Zeitalter der Hypertransparenz": Künftig werde detailgenau dokumentiert und in Echtzeit bewertet, wie Firmen unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten abschneiden. Wer Menschenrechte missachtet oder für Umweltskandale verantwortlich ist, wird spätestens dann verschärft unter Beobachtung stehen.
Mit Blick auf den Klimaschutz steht vor allem die CO₂-Bilanz von Konzernen im Mittelpunkt. Internationale Initiativen wie Carbon Tracker fordern seit Langem, den Kohlendioxid-Ausstoß von Firmen zum Teil der klassischen Risikoanalyse zu machen - weil solche mit schlechter Klimabilanz bald Probleme bekommen dürften, wenn die Weltgemeinschaft mit ihren Klimaschutzbemühungen vorankommt. Wie ernst die Staaten es meinen, wird in Bonn zu beobachten sein. Fest steht: Die Finanzmärkte stellen sich gerade erst darauf ein.