Milliardendeal im Energiemarkt:Rebellen auf Einkaufstour

Lesezeit: 2 min

Ein Bündnis von Stadtwerken übernimmt die Eon-Tochter Thüga - und macht nun den etablierten Energiekonzernen Konkurrenz.

Markus Balser, Hans-Willy Bein und Uwe Ritzer

In Leipzig schoben Bürger die Privatisierung ihrer Stadtwerke per Volksabstimmung einen Riegel vor. Am Bodensee und im Hochsauerland gründen Bürgermeister neue Stadtwerke. Elf Jahre nach Beginn der Liberalisierung in der Energiewirtschaft gewinnen landauf landab immer mehr Kommunen die Hoheit über die Energieversorgung ihrer Bürger zurück.

Arbeiten an Hochspannungs-Strommasten in Brandenburg: Nicht weniger als eine "Veränderung der Energielandschaft" wird durch das jüngste Milliardengeschäft erwartet. Der Eon-Konzern verkauft die Stadtwerkeholding Thüga. (Foto: Foto:)

Seit Mittwoch ist klar: Kommunale Stromzwerge wollen es nun endgültig mit den großen deutschen Energieriesen aufnehmen. Ein Konsortium von fast 50 Stadtwerken kauft für fast drei Milliarden Euro die Eon-Tochter Thüga - und will künftig den vier etablierten Energiekonzernen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW Konkurrenz machen.

Eon-Chef Bernotat war sich am Mittwoch der Tragweite des Milliardengeschäfts bewusst. Der Verkauf habe zentrale strategische Bedeutung. Die Thüga ist den meisten Stromkunden unbekannt, zählt aber zu den großen Energie- und Wasserversorgern in Deutschland. Sie hat sich bei 90 regionalen Versorgern eingekauft. Rund 20.000 Mitarbeiter beliefern 2,9 Millionen Gas-, 3,5 Millionen Strom- und eine Million Trinkwasserkunden. Noch im Laufe dieses Jahres soll die Thüga den Besitzer wechseln.

Der Käufer: Ein Bündnis aus etwa 50 Stadtwerken - angeführt von der Frankfurter Mainova, den Stadtwerken Hannover, der Nürnberger N-Ergie und der Freiburger Badenova.

Neuordnung im Energiemarkt

Damit zeichnet sich auf dem deutschen Strom- und Gasmarkt eine Neuordnung ab. "Die Branche steht vor einem Umbruch", sagt Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). "Erstmalig entsteht in Deutschland ein kommunaler Energiekonzern." Die Kaufverträge sollen in den kommenden Wochen unterzeichnet werden. Sie stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundeskartellamts, erklärte Eon am Mittwoch. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die Führung der Behörde jedoch bereits Zustimmung signalisiert. Es habe zwei Gespräche mit Bernhard Heitzer, dem Präsidenten des Bundeskartellamtes, gegeben, der "die Signale auf Grün" gestellt habe.

Das neue Unternehmen wird damit zur Nummer fünf auf dem Energiemarkt- mit großer Einkaufsmacht. Gleichzeitig verringern etablierte Konzerne wie Eon den Einfluss in Deutschland und konzentrieren sich stärker auf das internationale Geschäft. Eon war zuletzt ins Visier von Kartellbehörden geraten und muss sich nun von Geschäftsfeldern trennen. Das Bundeskartellamt würde Eon weitere Übernahmen kaum erlauben. Die Thüga-Minderheitsbeteiligungen verloren damit für den Konzern an Bedeutung.

Die Käufer sehen in ihrem Engagement keine Finanzbeteiligung, sondern wollen mit der Thüga zu einer neuen Kraft am Energiemarkt werden. "Ich glaube, dass von uns eine Veränderung der Energielandschaft ausgehen wird", sagte Badenova-Vorstandschef Thorsten Radensleben, der SZ. Auch der Aufbau einer eigenständigen Stromerzeugung sei ein Thema, mit dem sich die neue Gruppe jetzt beschäftigen werde. Sie könne Projekte angehen, die ein einzelnes Stadtwerk nicht stemmen könne. Radensleben nannte Hochseewindparks oder einen Biomassehandel als Beispiel. Die kommunalen Stadtwerke, nicht die Energiekonzerne, seien bislang Treiber beim Klimaschutz gewesen.

Trend zur Privatisierung

Der Trend zur Privatisierung der deutschen Strom- und Gasversorgung könnte sich endgültig umkehren. Der Bund der Energieverbraucher sieht den geplanten Eigentümerwechsel positiv. Die Stadtwerke könnten in der neuen Konstellation Energie günstiger einkaufen. Ob das auch wirklich an die Verbraucher weitergegeben werden, bleibe allerdings abzuwarten.

Denn die Kosten für die Stadtwerke sind zunächst hoch. Mit jeweils 600 Millionen Euro steigen die großen Stadtwerke Mainova, N-Ergie und die Stadtwerke Hannover bei der Thüga ein. Zusammen bilden sie den einflussreichen Kern des neuen Milliardenkonzerns. Eine Gruppe von 45 Stadtwerken um die Freiburger Badenova investiert gut eine Milliarde Euro in die Übernahme.

Allerdings konnte sich Eon mit den Bietern noch nicht über alle Verkaufsdetails einigen. Die Beteiligungen an der Gasag, dem rentablen größten Berliner Versorger, wurde aus dem Paket gelöst. Auch Anteile an der Südhessischen Energie AG, den Stadtwerken Duisburg und Karlsruhe werden später verkauft.

© SZ vom 13.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: