Der Himmel leuchtet lila, Vögel zwitschern, die Wiesen sind grün und saftig - und im Hintergrund klimpert sanft ein Lied. Durch diese computeranimierte Idylle stapft ein freundlich lächelndes Monster mit moosbewachsenen Schultern. Es rammt Windräder in den Boden, als seien sie Zahnstocher. Es setzt ein Kraftwerk in den Ozean und hat auf dem Rückweg sogar noch Zeit dafür, vor einer sehr bunten Berglandschaft mit sanften Fingern einen defekten Strommasten zu reparieren.
Es ist ein Film, in dem die saubere Energiegewinnung ein Kinderspiel ist. In dem der "Energieriese" Rasen ansät, Wolken beiseiteschiebt und eine ganze Stadt zum Öko-Leuchten bringt. "Es kann so einfach sein, Großes zu bewegen. Wenn man ein Riese ist", lautet die Botschaft des Werbefilms.
Saubere Energie - ein Kindespiel
Urheber des computeranimierten Idylls ist der Energiekonzern RWE. Seit einer Woche schaltet das Unternehmen den Film im Vorfeld des neuen Harry-Potter-Films in den deutschen Kinos - exklusiv, wie die Mediaagentur Mediacom beteuert. Im Fernsehen soll demnächst eine Kurzversion zu sehen sein. Der Film ist ein großes Versprechen an die meist jugendlichen Harry-Potter-Fans: Energie ist sauber und die Versorgung ein Kinderspiel - alles dank RWE.
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Und offenbar ist es das auch.
Denn die Wahrheit ist schmutziger. Zwar lässt RWE-Konzernchef Jürgen Großmann seit seinem Amtsantritt im Oktober 2007 nichts unversucht, den Energieanbieter von seinem schmutzigen Kohle-Image zu befreien. Doch grün ist auch derzeit bei RWE allenfalls die Fassade. Dahinter ist noch ziemlich viel schwarz. Zumindest mehr, als der idyllische Werbefilm zeigt.
"Man kann überhaupt nicht sagen, dass sich RWE gewandelt hat", sagt Thorben Becker, Energieexperte des BUND. Zwar sei der Konzern auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien aktiver als früher, doch das reiche längst nicht aus.
Größter CO2-Emittent Europas
Die in dem Streifen so prominent platzierten Windkraftanlagen tragen bei RWE lediglich einen verschwindend geringen Anteil zur Stromproduktion bei. Einer im März 2009 veröffentlichten Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zufolge lag der Windkraft-Anteil des in Deutschland produzierten RWE-Stroms im Jahr 2008 gerade einmal bei 0,1 Prozent. Zum Vergleich: Insgesamt kommt die Windkraft nach aktuellen Erhebungen des Umweltministeriums in Deutschland bereits auf einen Anteil von 6,4 Prozent am Strommix.
98 Prozent des hierzulande von RWE hergestellten Stroms stammen der IÖW-Studie zufolge aus nicht erneuerbaren Energien. Wichtigster Energieträger mit einem Anteil von etwa 30 Prozent ist danach die Braunkohle, und das ist "die schädlichste und klimafeindlichste Art, Strom zu erzeugen", sagt BUND-Experte Becker.
RWE ist auch deshalb der größte CO2-Emittent Europas, wie das Unternehmen selbst auf seiner Internetseite schreibt. Erst im Dezember 2008 intervenierte der Konzern vor dem EU-Gipfel in Brüssel massiv bei der Bundesregierung, um schärfere Klimaschutzauflagen zu verhindern. Dem Bundesumweltminister riss die Hutschnur: "Eine derart penetrante Lobbyarbeit hat man in Berlin noch nie gesehen", zürnte Sigmar Gabriel (SPD) damals.
Auf der nächsten Seite: Ein Monster als Sympathieträger - und was Umweltschützer zu der RWE-Kampagne sagen.
Dass RWE auch in den nächsten Jahren auf die rauchenden Kohle-Schlote setzt, kündigte Großmanns Vorgänger Harry Roels bereits vor Jahren an. "Unsere heimische Braunkohle reicht noch für mehr als 200 Jahre und wir bauen sie subventionsfrei ab", gab der ehemalige RWE-Chef im Geschäftsbericht 2006 zu Protokoll.
In dem filmischen Öko-Feldzug des "Energieriesen" nimmt die Kohleenergie nur verschwindend geringe zehn Sekunden ein. In der Sequenz sitzt das Monster in einer Grube wie in einem Sandkasten und wirft lediglich einige Kohlestücke aufs Fließband. Rauch und qualmende Schornsteine, die Schattenseite der Kohleenergie, sehen die jugendlichen Potter-Fans nicht.
Auch andere Negativschlagzeilen kratzten zuletzt an der grünen Fassade von RWE. In Bulgarien investiert RWE eine Milliarde Euro in einen Atommeiler - der allerdings in einem Erdbebengebiet steht. Im Sommer 2008 musste das Unternehmen zudem zähneknirschend einräumen, dass in Deutschland bleihaltige Rostschutzanstriche von Strommasten den Boden belastet haben. Von den 20.000 RWE-Höchstspannungsmasten würden noch etwa die Hälfte die bleihaltigen Rostschutzmittel tragen, hieß es damals.
"Groß, stark, freundlich"
Da kann auch das im Werbefilm erwähnte britische Meeresströmungskraftwerk nicht viel ändern. Denn das existiert bislang erst in den Köpfen der RWE-Strategen. "Wenn das Genehmigungsverfahren erfolgreich verläuft und die Finanzierung steht, könnte das Gezeitenkraftwerk bereits 2011 oder 2012 in Betrieb gehen", heißt es auf der RWE-Internetseite.
Diesem Negativ-Image soll nun das freundlich grinsende Monster als neuer Sympathieträger entgegenwirken. Und damit der Energieriese auch mit einer Persönlichkeit versehen wird, haben die RWE-Werber dem tapsigen Computer-Monster auch gleich eine ganze Biographie mit gegeben. Er ist stolze 111 Jahre alt (wie RWE), er ist "groß, stark, freundlich, gut 60 Meter hoch, wiegt knapp 300 Tonnen". Es fehlt eigentlich nur noch ein eigenes Profil bei Facebook oder eine Zeichentrickserie im Kinderkanal.
Umweltschützer sind entsetzt von der Kampagne. RWE betreibe "reinstes Greenwashing", sagt Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters. Sie stört sich vor allem daran, dass der Film im Vorprogramm der Harry-Potter-Filme zu sehen ist: "Besonders bedenklich finde ich, dass Kindern und Jugendlichen so ein Bär aufgebunden wird."
"Negative Vorurteile"
RWE dagegen begründet die Ausstrahlung des Spots im Vorprogramm von " Harry Potter" mit den "zu erwartenden hohen Besucherzahlen". Der Energieriese richte sich an alle Altersgruppen. Die Kritik der Umweltschützer kontert eine Sprecherin. "Wir zeigen in diesem Spot nur was wir ohnehin tun - unter anderem auch Braunkohletagebau." Der Vorwurf des "Greenwashing" sei also nicht berechtigt.
Im Gegenteil: RWE wolle mit dieser Kampagne "mit den typischen Vorurteilen gegenüber 'Energieriesen' aufräumen", sagt die Sprecherin. Auf der RWE-Internetseite wird auf die Parallelen zwischen dem Energie-Kuschelmonster und dem Filmhelden Shrek hingewiesen: Die beiden hätten "gemeinsam, dass beiden zunächst nur negative Vorurteile entgegengebracht werden".
Jetzt muss RWE diese Vorurteile nur noch in der Realität widerlegen - und nicht nur im idyllischen Monster-Märchen.