Ja, es gibt sie noch, die babyblauen Wickelauflagen mit den Wölkchen drauf - und auf der anderen Seite die Himmelbetten und das Puppenhaus in Mädchenrosa. Und man ließe Umsatz liegen, wenn man diese Klischeefarben ganz aus dem Sortiment nähme, heißt es etwa am Stand des Herstellers Roba aus Oberfranken. Doch wollen immer mehr Eltern verhindern, dass ihre Kinder in schnöden Rollenfarben aufwachsen. Deshalb dominieren an den Möbel- und Kleiderständen pastellgrüne Stoffe. Und das neue Lieblingsmuster: genderneutrale weiße Sterne auf grauem Grund.
Dass sich Geschmäcker der Eltern (und der Kinder) ändern, war schon immer das Erfolgsrezept der Baby-Ausstatter und der Spielwarenbranche, die in so manchem Jahr trotz sinkender Kinderzahl steigende Umsätze herbeizauberten. Doch nun spielt der Branche auch noch die Demografie in die Karten: Frauen in Deutschland bekommen so viele Kinder wie seit 1982 nicht mehr, meldete das Statistische Bundesamt in diesem Sommer. Dementsprechend kaufen die Familien Kindersitze, Kuscheltiere, Kugelbahnen - und andere Produkte, von denen sie noch gar nicht wussten, wie sehr man sie braucht. All das stellen gut 1200 Unternehmen seit Donnerstag bei der "Kind + Jugend" in Köln aus, der weltgrößten Messe für Baby- und Kinderausstattung.
Ein großes Zukunftsthema ist dabei das vernetzte Kinderzimmer. So können Messebesucher noch bis Sonntag einen kleinen, runden Bewegungsmelder besichtigen, den man für 70 Euro neben das Kinderbett kleben kann - und der nebenbei Temperatur und Helligkeit misst. Sobald der Sprössling das Bett verlässt, funkt der Sensor ein Signal an die Hauszentrale; und auf dem Smartphone der Eltern erscheint eine Benachrichtigung: "Achtung! Das Kind ist aufgewacht!" Eltern können die Plattform scheinbar beliebig erweitern: um smarte Söckchen etwa, die stets den Puls des Kindes messen. Oder um eine kleine Lokomotive, die automatisch Wasserdampf aus ihrem Schlot pustet, falls die Luft im Kinderzimmer zu trocken wird. Sicher ist sicher.
Viele Hersteller setzen darauf, dass eine handyaffine Elterngeneration immer mehr solcher digitalen Anwendungen fürs Kind kaufen wird. Spätestens die kleinen Kameras, die man in Gestalt einer putzigen Eule oder eines Plastikbärchens auf den Nachttisch stellen kann, werfen allerdings die Frage der Datensicherheit auf. Eltern sollten die Kommunikation zum vernetzten Kinderzimmer verschlüsseln, sodass sie sicher die Einzigen sind, die ihrem Sprössling mit bis zu vier verschiedenen Bärchen-Kameras beim Schlummern zuschauen, betonen auch die Hersteller.
E-Kinderwagen sind für Hersteller denkbar
Die "Kind + Jugend" verzeichnet in diesem Jahr einen Ausstellerrekord; es sind Unternehmen aus 50 Staaten zu Gast. Denn vom vorsichtigen Babyboom hat die Branche bereits im vergangenen Jahr profitiert. 2,5 Milliarden Euro gaben Käufer in Deutschland für die Ausstattung von unter Dreijährigen aus. Das waren vier Prozent mehr als im Vorjahr, berichtet die Beratungsfirma IFH Retail Consultants. Gerade der Handel mit Kindertextilien wächst allerdings vor allem im Internet.
Handelsstatistiken zeigen ferner, dass auf jeden Neugeborenen hierzulande etwa ein neu gekaufter Kinderwagen kommt. Carsharing hat sich bei Kinderwagen also offensichtlich noch nicht durchgesetzt. Der Trend geht vielmehr zum Zweitwagen, wie etwa ein Besuch bei Britax Römer zeigt: Das britisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen präsentiert in Köln einen Kinderwagen, den man mit einem Handgriff in Handgepäckgröße zusammenfalten kann. Das sei praktisch für Flugreisen und kleine Stadtwohnungen.
So gesehen ist die "Kind + Jugend" auch eine kleine Automobilausstellung, wobei das autonome und elektrische Fahren bei Kinderwagen noch keine Rolle spielt. Zwar machen sich Hersteller durchaus Gedanken über einen E-Kinderwagen. Doch auf absehbare Zeit werden Eltern noch händig schieben müssen. Denn wie überall auf dieser Messe darf bloß nichts Gefährliches passieren. Sicher ist sicher.