Viele können es nicht mehr hören: Der Ruf nach der digitalen Bildung in den Schulen ist mittlerweile Kernthema in politischen Wahlkämpfen sowie auf den einschlägigen Lobby-Messen für die Aus- und Weiterbildung.
Die Personengruppen, die am meisten vom Digitalmantra genervt sind, sind die Lehrer und die Schüler selber. Denn auf deren Rücken tanzen Politiker und IT-Lobbyisten einen seltsamen Tanz, allen voran Bundesbildungsministerin Johanna Wanka und Wirtschafts- und Parteiorganisationen in den Ländern. Der Tanz heißt: "Aufrüstung und digitale Mobilmachung von Kitas und Schulen". Das Leben von Lehrern und Schülern soll mit digitalen Medien und Medientechnik vereinfacht, ja sogar verbessert werden.
Die Idee darf man haben, und wenn sie anschließend wissenschaftlichen Prüfungen und Risikofolgeabschätzungen standhält, sollte sie ernsthaft analysiert werden. Doch hält diese Idee weder wissenschaftlichen Prüfungen stand noch wird über die Risiken und Nebenwirkungen gesprochen. Summa summarum belegen nationale und internationale Studien hinreichend, dass der Einsatz von digitalen Medien in Kitas und Schulen pädagogisch und für die Persönlichkeitsentwicklung wenig bis keine Vorteile bringt.
Das belegen die nicht gerade als digitalfeindlich bekannte OECD in ihrer aktuellen Pisa-Studie oder jüngst das Gutachten "Bildung 2030" des Aktionsrats Bildung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Je jünger das Kind in der Phase zwischen vier und zwölf Jahren, desto weniger bringt der Einsatz digitaler Lehrmittel. Für Kinder unter acht Jahren sollte aufgrund der fehlenden neurologischen und kognitiven Entwicklung auf digitale Medien ganz verzichtet werden. Erst ab dem Alter von zwölf Jahren können sinnvoll in den Unterricht integrierte digitale Medien lernförderlich sein.
So beeinflussen Lobbyisten die Schulen
Der Schauplatz der Auseinandersetzung ist grundsätzlich nicht neu. Neu ist aber die Intensität und das System, mit denen Verbände und Lobbyisten Entscheidungen über den Digitaleinsatz in Kitas und Schulen beeinflussen. Deren Weg in die Schulen ist professionell organisiert. Wie Lobbyisten vorgehen, beschreibt ein öffentlich zugängliches Diskussionspapier von Lobbycontrol. Die Autoren des Papiers stellen fest: "Je geschickter die Verpackung [der Lobbyisten] desto schwerer sind [deren] Manipulationen erkennbar. Um diese Fälle zu entdecken, ist viel Zeit nötig, die im Arbeitsalltag von LehrerInnen häufig fehlt." Und weiter: "Zu lange hat die Politik das Problem der zunehmenden Einflussnahme an Schulen ignoriert. Dabei ist die Aufsicht des Staates über das Schulwesen im Grundgesetz verankert."
Lobbyismus macht seit Langem nicht mehr Halt vor dem Klassenzimmer. Den Interessenvertretern geht es aber nur oberflächlich um Lernförderung. Unter der Oberfläche wirken mächtige ökonomische Interessen in Form von Absatzpotenzialen von Hard- und Software und Kundengewinnungsmaßnahmen (Kleinkinder ab 1. Klasse) sowie Kundenbindungsmaßnahmen (ältere Schüler).