Autoindustrie:Jetzt verkauft auch Mercedes sein Russland-Geschäft

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Noch kann man auch in Schaufenstern in Russland Autos von Mercedes sehen, wie hier Ende Oktober bei einem Händler in Moskau. (Foto: Mikhail Tereshchenko/IMAGO/ITAR-TASS)

Geld für das Werk mit mehr als 1000 Beschäftigten bekommt der Autobauer allerdings nicht. Damit folgt er dem Beispiel anderer Autohersteller. Dafür läuft es beim Autoverkauf trotz aller Krisen prächtig.

Von Christina Kunkel

Der Autobauer Mercedes-Benz macht endgültig Schluss mit seinem Russland-Geschäft. Das gab der Konzern am Mittwoch bekannt. Neuer Eigentümer der Vertriebsgesellschaft und des Pkw-Montagewerks mit mehr als tausend Beschäftigten soll der russische Autohändler Avtodom werden. Noch steht laut Mercedes-Finanzvorstand Harald Wilhelm die Genehmigung der zuständigen Behörden in Russland für den Deal aus, doch die dürfte wohl nur noch Formsache sein.

Geld wird der deutsche Autohersteller für sein Russland-Geschäft von Avtodom nicht erhalten. Man rechne nicht mit Einnahmen aus dem Verkauf, heißt es von Mercedes. Damit folgt Mercedes dem Beispiel anderer Autohersteller. Auch Renault hatte sein Russland-Geschäft kürzlich für einen Rubel verkauft. Sein Partner Nissan aus Japan gab die Russland-Aktivitäten für einen Euro an ein russisches Staatsunternehmen ab und musste dafür umgerechnet etwa 685 Millionen Euro abschreiben. Nissan und Renault handelten eine Klausel zum Rückkauf innerhalb von sechs Jahren aus. Die russische Zeitung Wedomosti berichtete mit Verweis auf Insider, auch Mercedes-Benz könnte eine solche Klausel vereinbaren. Dazu äußerte sich das Unternehmen nicht.

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Zusätzliche finanzielle Folgen soll der Deal für Mercedes allerdings nicht haben. Sprich: Es wird keine neuen Abschreibungen geben. Allerdings hatte der Autohersteller bereits im ersten Halbjahr rund 700 Millionen Euro abgeschrieben, als man das Russland-Geschäft infolge des Krieges in der Ukraine stoppte.

Von Januar bis September wurden in Russland nach Daten der Association of European Businesses (AEB) rund 9500 Neuwagen der Marke mit dem Stern ausgeliefert. Dabei handelt es sich nach Angaben des Unternehmens überwiegend um Fahrzeuge aus Händlerbeständen, da Mercedes seine eigenen Verkäufe bereits im März eingestellt hatte.

Besonders die hochpreisigen Modelle sind gefragt

Das Geschäft auf den anderen Weltmärkten läuft für Mercedes trotz aller Krisen gut. So gut, dass der Autobauer seinen Ergebnisausblick für das Gesamtjahr erneut erhöht hat. Jetzt soll am Jahresende eine Gewinnmarge von bis zu 15 Prozent stehen. Der Konzerngewinn verdoppelte sich im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf knapp vier Milliarden Euro. Die Nachfrage sei "robust geblieben", sagte Finanzchef Wilhelm. Den Konzernumsatz aus fortgeführten Geschäften steigerte Mercedes-Benz im dritten Quartal um 19 Prozent auf 37,7 Milliarden Euro. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern zog um fast drei Viertel auf 5,3 Milliarden Euro an.

Die Strategie des Unternehmens, hauptsächlich auf Luxusautos zu setzten, geht bislang auf. Zwar verkaufte Mercedes auch insgesamt mehr Autos - der Absatz legte im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 38 Prozent auf 530 414 Autos zu - doch besonders stark wächst der Autobauer in den hochpreisigen Segmenten, also bei der S-Klasse und dem elektrischen EQS, Maybach oder den AMG-Modellen. Auch den Absatz von Elektroautos hat der Hersteller in den ersten drei Quartalen auf 96 000 mehr als verdoppelt. Die Nachfrage übersteigt dem Unternehmen zufolge weiter das Angebot. So muss Mercedes bei langen Wartezeiten wenig Rabatte geben. "Wir haben keine Absicht, die Listenpreise zu senken und keine Absicht, die Anreize zu verstärken", sagte Finanzchef Wilhelm. Anders als etwa Audi-Chef Markus Duesmann sehen die Schwaben noch keine Anzeichen, dass die Menschen aufgrund der Inflation und gestiegener Energiepreise beim Autokauf zurückhaltender werden.

Nach neun Monaten stehen bei der bereinigten operativen Marge im Mercedes-Pkw-Geschäft 15 Prozent zu Buche, also bereits das obere Ende der nun erhöhten Prognose. Im dritten Quartal erreichte Mercedes hier 14,5 Prozent. Das ist ein Niveau, wie es normalerweise nur Autobauer im reinen Luxusbereich schaffen, die Autos mit einem deutlich höheren durchschnittlichen Preis verkaufen. Der Marge kommt auch das Sparprogramm von Ola Källenius, dem Vorstandsvorsitzenden von Mercedes-Benz, zugute, das die strukturellen Kosten des Autobauers auch durch den Abbau Tausender Stellen deutlich senken soll. Das dritte Quartal lief nach Einschätzung von Analysten gut. Auch für das laufende Schlussquartal herrscht noch Optimismus. Doch die Skepsis über die Aussichten für 2023 wächst angesichts der Energiekrise, der hohen Inflation und steigenden Zinsen sowie nur langsam nachlassender Störungen in Lieferketten.

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