Volkswagen-Konzern:Warum MAN das Gasturbinengeschäft nach China verkauft

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Montage von MAN Energy Solutions in Oberhausen: Das Unternehmen baut unter anderem Antriebsmotoren für Schiffe sowie Motoren für die Stromerzeugung. (Foto: Rupert Oberhäuser/Imago)

Ein chinesischer Investor übernimmt vom VW-Konzern Teile der Firma MAN Energy Solutions. Es geht um wichtige Technologie - um neue Konkurrenz für einen anderen deutschen Energietechnik-Hersteller.

Von Thomas Fromm

Es geht nicht um Tausende Mitarbeiter und es geht auch nicht um ein außerordentlich vielversprechendes Zukunftsgeschäft aus dem Bereich der Spitzentechnologien. Nicht um grünen Wasserstoff, künstliche Intelligenz oder Robotik. Stattdessen: Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen an den Standorten Oberhausen und Zürich, die dort kleinere Gasturbinen herstellen und auch warten. Und doch hat die Geschichte, so kurz nach den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, ihren ganz besonderen Reiz.

Worum es geht: Das Augsburger Unternehmen MAN Energy Solutions, eine Tochter des Volkswagen-Konzerns, verkauft sein Geschäft mit kleinen Gasturbinen an den staatlichen chinesischen Hersteller CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co (GHGT), der wiederum zum Werftenkonzern China State Shipbuilding Corporation (CSSC) gehört. Der Vertrag wurde bereits in dieser Woche unterzeichnet, nun muss noch die Bundesregierung dem Deal zustimmen. Dies könnte sich Insidern zufolge allerdings eine Weile hinziehen.

Für die VW-Tochter und die betroffenen hundert Beschäftigten scheint die Sache erst einmal gut auszugehen, der Investor hat alles unternommen, dem Verkäufer die Sache schmackhaft zu machen. Für die Standorte soll es eine fünfjährige Garantie geben, für die Geschäftseinheit soll eigens eine GmbH gegründet werden - die Oberhausener Gasturbinen bleiben also erst einmal ein deutsches Unternehmen und werden der deutschen Gesetzgebung unterliegen.

Warum aber verkaufen die Augsburger ihre Gasturbinen, die in der Energieproduktion, zum Beispiel als mechanische Antriebe bei Pipelines eingesetzt werden? Und warum haben ausgerechnet chinesische Investoren Interesse an diesem verhältnismäßig kleinen Geschäft?

MAN versucht sich an der großen Energiewende

"Die Gasturbinen stehen nicht mehr im Fokus unserer Wachstumspläne", sagte ein Sprecher am Mittwoch. "Für uns hat das Geschäft keine Zukunft." Man sei daher nicht bereit, noch weitere Gasturbinen-Generationen zu entwickeln, denn dazu brauche es einen "langen Atem und ein höheres Budget". Schon vor drei Jahren habe das Unternehmen, das schwerpunktmäßig an großen Schiffsmotoren arbeitet, beschlossen, sich von dem Geschäft mit Gasturbinen zu trennen. Vor einiger Zeit skizzierte MAN-Energy-Solutions-Chef Uwe Lauber im SZ-Gespräch, worum es ihm künftig vor allem geht: Sein Unternehmen soll eine wichtige Rolle am Markt für Wasserstoff spielen, auch deshalb habe man seine Beteiligung an dem Elektrolyse-Hersteller H-Tec-Systems von 40 auf 100 Prozent aufgestockt. Windenergie, grüner Wasserstoff - auch die VW-Tochter versucht sich an der großen Energiewende.

Bei GHGT sieht die Sache anders aus. Der Hersteller ist bislang nur in China aktiv, seit Längerem sucht man nach einer Möglichkeit, auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen. Mit der Augsburger Übernahme ist das nun gelungen. CHGT kann hier als direkter Wettbewerber von Unternehmen wie dem Münchner Energietechnik-Hersteller Siemens Energy auftreten. Eine nicht unwichtige strategische Rolle bei dem Ganzen dürfte auch der Mutterkonzern CSSC aus Peking spielen, ein Schiffs- und Maschinenbauer mit fast 100 000 Menschen an Bord. Containerschiffe, größere Tanker, aber auch Kriegsschiffe gehören zum Portfolio der Chinesen.

2011 verlor der MAN-Konzern nach mehr als 250 Jahren seine Unabhängigkeit

Um zu verstehen, wie es zu der Übernahme kam, muss man zurückgehen in das Jahr 2011, jenem Jahr, in dem der damalige Dax-Konzern MAN nach mehr als 250 Jahren seine Unabhängigkeit verlor. MAN, einst ein Mischkonzern, der von Lkws über Busse, Dieselmotoren bis zu Druckmaschinen ziemlich vieles baute, wurde vom Wolfsburger Autobauer Volkswagen geschluckt. Nicht, weil sich dort jemand für die Energielösungen aus Augsburg interessiert hätte. Der damalige, inzwischen verstorbene Konzern-Patriarch und Chefstratege Ferdinand Piëch wollte einen Autokonzern, der von Kleinwagen über Luxuslimousinen und Motorrädern bis hin zu Trucks und Bussen alles baute, was fuhr.

Die Augsburger Tochter, die damals noch MAN Diesel & Turbo hieß, wurde zu einer Art Fremdkörper in einem Konzern, der nicht so recht wusste, was er mit den ja eher zufällig miterworbenen Geschäften anfangen sollte. Immer wieder wurde erwogen, die Tochter zu verkaufen, am Ende behielt man sie - bis auf Weiteres. MAN Energy Solutions hat heute an die 14 000 Beschäftigte weltweit, allein in Oberhausen arbeiten 1600 Menschen für den Motoren- und Turbomaschinen-Hersteller.

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