Luxemburg-Leaks:Wie Amazon Steuern spart

Amazon-Gründer Jeff Bezos

Mit Steuertricks kennt er sich aus: Der Gründer und Besitzer von Amazon.com, Jeff Bezos, ist selbst Multimilliardär.

(Foto: AFP)

Der Finanzminister von Luxemburg ist höchst zufrieden mit dem Versandhändler und lobt ihn als "guten Steuerzahler". Die Nachbarländer sehen das anders. Denn Amazon spart mit zwei Tricks jede Menge Abgaben.

Von Bastian Brinkmann

1. Unter Freunden

Das war ein ziemlicher Auflauf, als der Internetversandhändler Amazon im Jahr 2012 einen neuen Statthalter nach Luxemburg schickte. Der Wirtschaftsminister, der Technologieminister und der Finanzminister kamen zum Empfang. Die Lokalzeitungen fotografierten den neuen Chef der Europazentrale vor einer Amazon-Werbetafel, darauf stand ein Slogan des Konzerns: "Work hard. Have fun. Make history." Arbeite fleißig, hab Spaß, schreibe Geschichte. Finanzminister Luc Frieden sagte, seine Regierung sei dankbar und stolz, dass sich der Internethändler in Luxemburg angesiedelt habe. "Amazon ist ein guter Steuerzahler", so Frieden.

2. Operation Luxemburg

Es geschah im ersten Geschäftsquartal 2005, genauer weiß man es nicht. Die Operation Luxemburg beginnt. Amazons Finanzvorstand informiert die Anleger in einer Telefonkonferenz, dass der Konzern ausnahmsweise etwas mehr Steuern zahlen müsse (PDF). Das liege daran, dass man im ersten Quartal 2005 "gewisse Vermögenswerte" von den USA an "internationale Standorte" übertragen habe. Details nennt er nicht, aber die Amazon-Aktionäre sollen sich keine Sorgen machen, denn sie würden profitieren: "Wir erwarten, dass dieser Vermögenstransfer unseren Steuersatz im Laufe der Zeit vorteilhaft beeinflusst", sagt der Finanzvorstand. Exakt seit 2005, hat die Nachrichtenagentur Reuters im Archiv nachgeschlagen, müssen europäische Amazon-Verkaufsplattformen wie Amazon.de Lizenzgebühren nach Luxemburg überweisen.

3. Steuerfreie Gewinne

Damit Amazon seine europäischen Gewinne kleinrechnen kann, hat der Konzern zwei Firmen in Luxemburg gegründet. Beide tauchen in den Dokumenten des Luxemburg-Leaks auf. Die Amazon EU Sàrl ist zumindest den Leuten ein Begriff, die ihre Rechnungen genau lesen. Denn wer in Deutschland ein Buch oder einen Staubsauger bei Amazon kauft, bekommt seine Ware zwar oft aus einem deutschen Lager. Im Päckchen liegt dann aber eine Rechnung aus Luxemburg — von der Amazon EU Sàrl. Bei dieser Firma fließen die Gewinne aus Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Staaten zusammen. Doch dann verschwindet dieser Profit teilweise wieder — per Überweisung an die Amazon Europe Holding Technologies SCS. Das ist die zweite Luxemburger Firma, und die hat einen entscheidenden Vorteil, weil sie die Rechtsform einer geschlossenen Kommanditgesellschaft hat: Sie muss ihre Gewinne nicht versteuern. Amazon Europe Holding Technologies SCS ist eine reine Unternehmenshülle ohne einen einzigen Mitarbeiter.

4. Aus der Steuererklärung

Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Amazon EU Sàrl für 2009 (alle Werte in Euro):

Erlös: 5 191 120 846

Ausgaben für Produkte: 3 931 187 563

Ausgaben für Lizenzgebühren: 519 316 268

Zinszahlung für Kredit: 30 867 191

Gewinn nach Abzug aller Kosten: -2 689 684

5. Rechnung an sich selbst

In den Dokumenten des Leaks finden sich zwei Methoden, wie Amazon die Gewinne der Amazon EU Sàrl schmelzen und damit die Steuerlast fast verschwinden lässt. In der Steuererklärung für 2009 ist ein Kredit erwähnt. Mehr als 1,1 Milliarden Euro hat sich die Amazon EU Sàrl bei ihrer Schwesterfirma geliehen. Dafür muss sie fast 31 Millionen Euro Zinsen an die Amazon Europe Holding Technologies SCS zahlen. Dazu kommen Ausgaben in Höhe von 519 Millionen Euro für Tantiemen. Es steht nicht daneben, an wen das Geld geht. Aber in der Steuererklärung der Amazon Europe Holding Technologies SCS sind für dasselbe Jahr Einnahmen aus Lizenzgebühren in genau dieser Höhe vermerkt.

Wenn zwei Firmen zum selben Konzern gehören, können sie über solche Gebühren versuchen zu errechnen, wer welchen Wert zum Gesamtunternehmen beiträgt. Da ist beispielsweise die Abteilung, die die Software für einen Onlineshop entwickelt. Damit der Konzern weiß, ob er den Programmierern zu viel bezahlt, müssen Töchterfirmen der Software-Abteilung Geld überweisen, wenn sie einen Onlineshop verantworten. Eigentlich müssen Firmen für solche Eigenrechnungen immer die Summen anlegen, die sie auch fremden Unternehmen zahlen würden. Aber in der Praxis ist das kaum zu überprüfen. Amazon würde seine Software nie auf dem freien Markt anbieten, um den Preis zu ermitteln — denn die Software gehört zu den wichtigsten Geschäftsgeheimnissen. Die Amazon Technologies besitzt offenkundig entsprechendes geistiges Eigentum, um Gebühren zu verlangen.

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