Check-in-App:Luca muss um Verträge fürchten

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Noch kann man mit der Luca-App in Restaurants und Cafés einchecken. Bald könnte es damit jedoch vorbei sein. (Foto: Fleig /imago/Eibner)

Die Deals der umstrittenen Check-in-App müssten bald verlängert werden, doch die meisten Bundesländer haben noch nicht entschieden.

Von Jana Anzlinger, Jannis Brühl und Simon Groß

Von Anfang an war sie umstritten, jetzt steht ihre Zukunft auf dem Spiel: die Luca-App. Seit vergangenem Frühjahr wurde sie dazu genutzt, Kontaktdaten von Besuchern in Gaststätten und Restaurants digital zu erfassen. Nun müssten die Lizenzverträge mit dem privaten App-Betreiber in den kommenden Wochen verlängert werden, doch in den meisten Bundesländern, die die App nutzen, ist das noch nicht klar. Fachleute hatten den Datenschutz der App scharf kritisiert. Zudem ist fraglich, wie gut die Kontaktnachverfolgung bei steigenden Infektionszahlen überhaupt noch funktioniert. Und nun scheint auch klar zu sein, wer die Kosten für die Lizenzgebühren übernehmen muss.

In zwölf Bundesländern muss noch darüber entschieden werden, wie es mit der App weitergehen soll, viele Lizenzverträge laufen im März aus. Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen nutzen die App nicht. Und Schleswig-Holstein hat nun angekündigt, die Lizenz mit dem App-Betreiber auslaufen zu lassen, da die Corona-Landesverordnung seit September nicht mehr vorschreibt, Kontaktdaten zu erfassen. Das ist auch in den anderen Bundesländern die rechtliche Grundlage für den Einsatz der App. Auch das Ob und auf welche Weise die Kontaktnachverfolgung der Gesundheitsämter zukünftig durch digitale Lösungen unterstützt werden soll, sei "Gegenstand laufender Abstimmungen", heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium.

Verwirrung gab es immer wieder darüber, welche Rolle der Luca-App neben der Corona-Warn-App (CWA) zukommt, die die Bundesregierung entwickeln ließ. Mit beiden Apps lassen sich Daten bei Check-ins erfassen und Impfzertifikate hinterlegen. Im Gegensatz zur CWA erfasst die Luca-App allerdings private Daten, um die händische Nachverfolgung von Kontakten für Gesundheitsämter zu ermöglichen. Die CWA warnt dagegen ihre Nutzer automatisch über mögliche Infektionsrisiken bei Kontakten, auch wenn sie nirgends eingecheckt haben.

Dass die persönlichen Daten von den Entwicklern der Luca-App zentral gespeichert werden, wurde von Kritikern seither als Einfallstor für Hackerangriffe gewertet. Zusätzlich war der Code, der hinter der Luca-App steckt, anders als bei der CWA, lange nicht öffentlich einsehbar und konnte daher nicht von unabhängigen Fachleuten auf Schwachstellen geprüft werden. Hauptsächlich verantwortlich für die App ist das Berliner Start-up Nexenio, in das unter anderem die Rap-Gruppe Die Fantastischen Vier investiert hat.

Kritiker fühlen sich durch einen Fall aus Rheinland-Pfalz in ihren Mahnungen bestätigt: Nachdem in Mainz im November ein Mann vor einer Gastwirtschaft mit Kopfverletzungen aufgefunden wurde, beschafften sich Ermittlungsbehörden die Kontaktdaten von Gästen beim Gesundheitsamt - ohne entsprechende Rechtsgrundlage. Politiker hatten daraufhin aufgerufen, die App zu deinstallieren. Rapper Smudo von den Fantastischen Vier verteidigte die App gegenüber der Bild-Zeitung: Die verschlüsselten Daten gebe der Betreiber nur auf Anfrage des Gesundheitsamt heraus, der Betreiber selbst habe keinen Einblick. Falls sich ein Bundesland gegen den Einsatz der App entscheide, rechtfertige das nicht einen deutschlandweiten Aufruf. "Das ist schlichtweg verantwortungslos", sagte der Musiker.

Viele Fachleute wirken allerdings nicht besonders traurig, dass Lucas Verträge womöglich nun auslaufen. "Sicherheitslücken, Intransparenz, Nutzlosigkeit" - so äußert sich der Chaos Computer Club (CCC) auf Twitter zur App. Mit seiner Kritik ist der CCC nicht allein: IT-Expertin Bianca Kastl arbeitet an Iris Connect, einer Technik, die verschiedene Check-in-Apps verbindet, bei der Luca aber nicht an Bord ist. Mit Blick auf die Geschwindigkeit, mit der sich die derzeitige Omikron-Welle ausbreitet, hält sie die App für wenig hilfreich: "Es braucht jetzt digitale Tools, die eine wirkliche Entlastung für die Gesundheitsämter darstellen - wie die Corona-Warn-App." Die Luca-App bedeute dagegen zusätzlichen Arbeitsaufwand, der kaum mehr zu leisten sei. "Eine Kündigung der Luca-Verträge ist daher nur folgerichtig."

Bei dieser Entscheidung dürfte auch von Bedeutung sein, wer am Ende für die Nutzung der App aufkommt. Insgesamt belaufen sich die Kosten unabhängigen Recherchen von Handelsblatt und netzpolitik.org zufolge auf mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr. Darauf bleiben die Länder nun wohl sitzen. Zwar hatte es ursprünglich eine Zusage des Bundesgesundheitsministeriums für eine mögliche Kostenübernahme gegeben - aber nur unter der Bedingung einer bundesweit einheitlichen Lösung, die das Ministerium nun offenbar nicht als erfüllt ansieht. Das Ministerium bestätigte auf Anfrage, dass der Bund "bisher keine Kosten für Beschaffung und Betrieb der Luca-App der Länder übernommen" habe. Die Entscheidung für Verträge mit Anbietern obliege den Ländern. Die müssen sich nun gut überlegen, ob Luca aus ihrer Sicht das viele Geld wert war.

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