Streik der Lokführer:Stille auf den Schienen

Lesezeit: 3 min

Reisen mit der Bahn wird in den kommenden Tagen kompliziert: Etwa drei Viertel der Fernverkehrszüge werden am Mittwoch und Donnerstag ausfallen. (Foto: Carsten Koall/dpa)

Die Lokführer legen bereits von diesem Mittwochmorgen an mit einer ersten bundesweiten Streikwelle den Personenverkehr weitgehend lahm. Das wird Millionen Bahnreisende treffen. Was Urlauber und Pendler jetzt wissen müssen.

Von Markus Balser und Irene Helmes

Für Reisende in Deutschland war dieser Auftritt eine ziemlich schlechte Nachricht. Als Claus Weselsky, der streitbare Chef der Lokführergewerkschaft GDL, am Dienstag in Frankfurt vor die Kameras trat, verkündete er den Beginn des härtesten Bahnstreiks seit Jahren. Von diesem Mittwochmorgen an bleiben viele Bahnsteige leer. Mitten in der Ferien-Reisewelle und trotz gerade erst zurückgewonnener Reisefreiheiten nach der schweren Pandemiewelle legt die GDL den Schienenverkehr für 48 Stunden weitgehend lahm.

Fahren an den Streiktagen überhaupt Züge?

Reisende müssen damit rechnen, dass nur wenige der 1300 Fern- und 22 000 Nahverkehrszüge täglich wie geplant fahren. Denn die GDL zählt nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der Lokführer zu ihren Mitgliedern. Ihre Streiks sind deshalb besonders wirksam. Laut Bahn kann der geplante Notfallplan nur ein Viertel des Zugverkehrs aufrechterhalten. 75 Prozent der Verbindungen werden am Mittwoch und Donnerstag wohl ausfallen. Vor allem auf den Hauptstrecken vom Ruhrgebiet Richtung Berlin sowie von Hamburg in Richtung Frankfurt sollen Züge fahren. Allerdings voraussichtlich nur im Zweistundentakt. Auch im Regionalverkehr und bei S-Bahnen rechnet die Bahn mit massiven Problemen.

Was tun, wenn ein Zug nicht fährt?

Fällt ein Zug wegen des Streiks aus, oder verpassen Reisende einen Anschluss, können sie ohne Aufpreis auf einen beliebigen anderen Zug ausweichen - wenn wieder einer fährt. Bei Angeboten wie einem Sparpreis-Ticket hebt die Bahn die Zugbindung auf. Auf einen anderen Zug dürfen Bahnreisende auch umsteigen, wenn sie damit rechnen müssen, dass ihr Zug sein Ziel mit einer Verspätung von mehr als 20 Minuten erreichen wird. Allerdings müssen Passagiere mögliche Aufpreise für schnellere Züge zunächst selbst zahlen, können sich das Geld aber erstatten lassen. Die Bahn hat inzwischen mitgeteilt, dass für den Streikzeitraum gelöste Karten bis einschließlich 20. August bei aufgehobener Zugbindung genutzt oder erstattet werden können.

Welche Rechte haben Kunden bei Verspätungen?

Schon ohne Streik gilt: Ist eine Verspätung von 60 Minuten und mehr zu erwarten, bekommen Kunden, die ihre Reise nicht antreten oder unterwegs umkehren müssen, ihr Geld zurück. Jedenfalls dann, "wenn die Fahrt nach den ursprünglichen Reiseplänen sinnlos geworden ist", heißt es bei der Bahn. Wer trotz des Streiks in den Zug steigt und die Reise absolviert, für den gelten die üblichen Entschädigungsregeln: bei 60 Minuten Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises, ab 120 Minuten 50 Prozent.

Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL, kündigt den härtesten Bahnstreik seit Jahren an. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Wie kommen Reisende an Entschädigungen?

Um Ansprüche geltend zu machen, muss das entsprechende Fahrgastrechte-Formular ausgefüllt werden. Dieses Formular bekommen Betroffene im Zug, an der DB-Information, in DB-Reisezentren oder auf der Webseite der Bahn. Wurde das Ticket über ein Kundenkonto auf bahn.de gekauft, können die Ansprüche nun auch online sowie in der DB-Navigator-App geltend gemacht werden.

Wie entschädigt die Bahn Pendler und Reisende mit Zeitkarten?

Ab einer Verspätung von 60 Minuten bekommen Fahrgäste mit Zeitkarte eine pauschale Entschädigung pro Fahrt. Für Zeitkarten der zweiten Klasse im Fernverkehr gibt es fünf Euro, in der ersten Klasse 7,50 Euro. Bahn-Card-100-Besitzer bekommen in der zweiten Klasse zehn und in der ersten Klasse 15 Euro. Im Nahverkehr fallen die Entschädigungen gering aus. Ab 60 Minuten Verspätung gibt es in der zweiten Klasse pauschal 1,50 Euro, in der ersten 2,25 Euro. Allerdings werden im Nahverkehr erst Beträge ab vier Euro ausgezahlt.

Gibt es für Wartende Anspruch auf Verpflegung?

"Bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten muss die Bahn kostenlos Erfrischungen und Mahlzeiten in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit anbieten", sagt Beatrix Kaschel von der Schlichtungsstelle Nahverkehr in Düsseldorf. Werde nichts dergleichen offeriert, sollten Reisende Belege für selbst gekaufte Verpflegung aufbewahren, rät sie.

Zahlt die Bahn ein Taxi oder ein Hotelzimmer?

Zuerst müssen Reisende sich informieren, ob die Bahn eine alternative Verbindung anbietet. Ist dies der Fall, hat das Angebot der Bahn immer Vorrang. Es sei daher wichtig, auf dem Bahnsteig auf Durchsagen und Anzeigen zu achten, sagt Kaschel. Und "wer einen Gutschein fürs Taxi bekommen hat, fragt den Fahrer besser vorher, ob er den Gutschein auch ohne Mehrkosten annimmt", rät Kaschel weiter.

Ist die Fortsetzung der Fahrt am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar, muss die Bahn auch die Kosten für ein Hotelzimmer tragen. Es werden dann "angemessene Übernachtungskosten ersetzt", wie es bei der DB heißt. Da von der Bahn organisierte Möglichkeiten Vorrang haben, sollen sich Passagiere am Ort jedoch zunächst mit der Fahrkartenverkaufs- oder Informationsstelle oder mit Zugpersonal in Verbindung setzen.

Und wenn man wegen des Bahnstreiks einen Flug verpasst?

Wer keine Pauschalreise gebucht hat oder wenigstens ein Rail-&-Fly-Ticket, bleibt wohl auf den Kosten sitzen. Denn die Bahn muss nur für ein ausgefallenes Zugticket entschädigen und nicht für einen Flug. Es bleibt Passagieren also nur, auf die Kulanz der Airline beim Umbuchen zu hoffen - oder in diesem Fall doch auf eigene Kosten ein Taxi zu nehmen, um den Check-in noch rechtzeitig zu schaffen.

Ist ein Ende des Tarifstreits in Sicht?

Nein. Die Fronten zwischen Bahn und Gewerkschaft sind verhärtet. Bislang signalisiert keine Seite Bereitschaft zum Einlenken. Als wahrscheinlich gilt, dass der Streik in Wellen erfolgt. Auf Streiktage also auch wieder Phasen ohne Streik folgen. Insider fürchten, dass der Konflikt sich über Wochen oder sogar Monate hinziehen könnte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: