Schwarz-Gruppe:Der Lidl-Chef zeigt sich

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Ein Supermarkt von Lidl in Berlin. (Foto: Michele Tantussi/Getty Images)
  • Den Chef der Schwarz-Gruppe, Klaus Gehrig, sieht man kaum in der Öffentlichkeit - jetzt redet er sehr offen.
  • Er bleibt Chef des Konzerns, bis er 75 Jahre alt ist. In den letzten zwei Jahren werde er einen Nachfolger einarbeiten. Wer das sein wird, sei noch offen.
  • Gehrig beschwert sich über schwache Bewerber: "Die Leistungsbereitschaft der jungen Leute ist nicht mehr so groß wie früher."
  • Zur Schwarz-Gruppe gehören auch Lidl und Kaufland, mit 100 Milliarden Euro Jahresumsatz ist der Konzern der größte Lebensmitteldiscounter der Welt.

Von Michael Kläsgen und Stefan Mayr, Neckarsulm

Lange Zeit hat er geschwiegen. Aber jetzt hört Klaus Gehrig, 70, gar nicht mehr auf zu reden. Zwei Stunden lang geht das so, drei Fragen passen dazwischen, jede Antwort dauert etwa 15 Minuten. Die Medien haben dem groß gewachsenen Mann nach etlichen Entlassungen den Spitznamen "Killerwal" verpasst. Der Killerwal trägt eine modische schwarze Brille, lila Strickjacke und weißes Hemd ohne Krawatte. Und ohne Umschweife wird er gleich seine wichtigste Botschaft los: Er bleibt Chef des Konzerns, bis er 75 Jahre alt ist. In den letzten zwei Jahren werde er einen Nachfolger einarbeiten. Wer das sein wird, sei noch offen.

Damit räumt Gehrig alle Diskussionen um seine Nachfolge und den angeblichen Streit, den es darüber geben soll, beiseite. Er tut das mit überbordendem Selbstbewusstsein. "Er hätte keinen besseren finden können wie mich", sagt er. Er, das ist Dieter Schwarz, 79, der Inhaber der Schwarz-Gruppe, dessen volles Vertrauen Gehrig ganz offensichtlich genießt. Er lebt noch zurückgezogener als Gehrig. Gehrig dagegen präsentiert sich als unumstrittener Herrscher. "Wenn es mir gefällt, machen wir es nächstes Jahr wieder", sagt er zu den Journalisten. "Wenn nicht, dann nicht."

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Es ist die erste Pressekonferenz des Chefs der Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, und die mit mehr als 100 Milliarden Euro Jahresumsatz als größter Lebensmitteldiscounter der Welt gilt. Gelegen in Neckarsulm, einer Kleinstadt nördlich von Heilbronn, in deren Altstadt es keine Straßen gibt, sondern nur Gassen. Klein trifft groß. Ringsum Weinberge. Der Erdbeerhändler an der Straße, der seine 500-Gramm-Schale für 3,90 Euro verkauft, sagt: "Denen gehört bald ganz Deutschland."

Neckarsulm ist zu klein geworden für die Schwarz-Gruppe. Gehrig hat in 43 Jahren maßgeblich zum Wachstum beigetragen. Der Konzern baut derzeit eine neue Zentrale für Lidl-Deutschland nicht weit entfernt in Bad Wimpfen und einen Projekt-Campus für Mitarbeiter nebenan in Bad Friedrichshall.

Gehrig redet zwar viel, aber nicht immer so, dass alle es gleich verstehen

Gehrig betritt mit einem kleinen Tross im Schlepptau Empfangshalle eins der Schwarz-Zentrale. Er geht schnellen Schrittes, klopft kurz auf die Empfangstheke, die drei Damen dahinter nicken lächelnd. Dann beschwert er sich freundlich, aber bestimmt über den Stuhl, auf dem er sitzen soll. Stresssymptome bei der Entourage werden sichtbar, Schweißflecken unterm Hemd, Hautrötungen. Am Ende muss er sich doch mit dem Stuhl abfinden.

Die Sache mit der Nachfolge ist dann doch etwas vertrackter, als es anfangs den Anschein hat. Gehrig redet zwar viel, aber nicht immer so, dass alle es gleich kapieren. Nur so viel: Dieter Schwarz und er haben Regelungen getroffen für den Fall des Ablebens des einen von beiden und auch beider. "Es gibt einen Plan B", sagt Gehrig. Genauer führt er das nicht aus.

Der heißeste Anwärter auf die Gehrig-Nachfolge ist im Moment Gerd Chrzanowski. Gehrig hatte ihn im Frühjahr zu seinem Stellvertreter gemacht. Das bedeute aber nicht, dass Chrzanowski automatisch auch der neue Chef wird. Ohnehin wird Gehrig auch nach seinem 75. Geburtstag im Konzern bleiben. Er wird danach einer von derzeit fünf Gesellschaftern, die über die Konzernstrategie entscheiden und Stimmrechte haben. Das Kapital bleibt aber in der Schwarz-Stiftung.

Einer von Chrzanowskis wichtigsten Jobs ist es im Moment, eine Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten, bis Ende dieses Jahres soll sie stehen. Das hat nichts mit Onlinehandel zu tun. Es gebe keine Pläne, dort größer einzusteigen. Vielmehr soll die Digitalisierung helfen, die Gruppe für die Zukunft aufzustellen. Die Zukunft treibt Gehrig in besonderem Maße um. Vordergründig geht es dabei darum, Lidl und Kaufland enger zu verzahnen und sogenannte Synergieeffekte zu schöpfen. Was Gehrig aber tief im Innern umtreibt, zumindest gibt er das vor, ist es, dass Erfolg träge machen könnte. Er sagt Sätze wie: Früher konnten sie sechs von zehn Bewerbern einstellen, heute seien es zwei von zehn. Das wird es schwieriger, die richtigen zu finden. "Die Leistungsbereitschaft der jungen Leute ist nicht mehr so groß wie früher", sagt er.

Mindestens genauso schwierig wird es werden, bei einem Weltkonzern, der die Schwarz-Gruppe längst ist, den Geist des Unternehmens zu bewahren. "Wir brauchen die schwäbische Kultur", sagt Gehrig. "Fleiß und Leistungsbereitschaft" meint er damit. "Wir sind in der Struktur ein mittelständisches Unternehmen geblieben." Trotz der angepeilten 110 Milliarden Euro Umsatz. Gehrig will auch Entscheidungsprozesse beschleunigen. "Ich war jetzt bei Google und habe das von denen gelernt. In einer Dreiviertelstunde wollen wir jetzt zum Ergebnis kommen. Diese ewige Tagerei, das wird im Unternehmen der Vergangenheit angehören."

Mit "Killerwal" kann er gut leben

Für Kaufland will Gehrig im Herbst eine neue Strategie bekannt geben und an einigen Real-Märkten ist er nach wie vor interessiert. Der Schwarz-Chef springt von Thema zu Thema, von Baustelle zu Baustelle. "Meine Frau, sagt immer, du bist immer so unzufrieden. Da sag ich: Man kann immer was besser machen." Und bei Kaufland habe man "viel falsch" gemacht, räumt er ein, man habe die Modernisierung der Filialen vernachlässigt.

Mit seinem Spitznamen "Killerwal" könne er gut leben, sagt er noch. Denn der sei ja auch ein "soziales Wesen" und zweitens könne er gut schlafen. "Ich kann auch im Stehen schlafen." Er wisse schon, dass er etwas schwierig sei, sagt Gehrig. Das sei schon bei der Bundeswehr so gewesen. Und selbst Dieter Schwarz zupfe ihn manchmal am Ärmel und frage: "Sag mal, Klaus, muss das jetzt wieder sein?" Immerhin: Nach 40 Jahren würden sie sich jetzt duzen. Dieter Schwarz sei zufrieden mit ihm - was will er mehr?

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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