Leiharbeit:Einstieg oder Ausstieg

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Leiharbeit und befristete Jobs haben dafür gesorgt, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen gesunken ist. Fatal wird es jedoch, wenn diese Arbeitsverhältnisse zur Dauerlösung werden.

Sibylle Haas

Es klingt beängstigend: Immer mehr Menschen gehen einer "untypischen" Beschäftigung nach. Teilzeitarbeit, befristete Jobs oder Zeitarbeit sind schon längst keine Ausnahmen mehr. Arbeitsverhältnisse mit jahrelanger Festanstellung im selben Betrieb nehmen dafür ab. Diese Tendenz, die das Statistische Bundesamt jetzt bestätigt hat, provoziert immer wieder die Gewerkschaften. Sie verteufeln untypische Arbeitsformen als "prekär" und unsicher.

Die prekären Arbeitsverhältnisse bieten jede Menge Chancen - wenn sie nicht zur Dauerlösung werden. (Foto: Foto: AP)

Doch so sehr sich damit auch Ängste schüren lassen: Zeitarbeit, Befristung und Co. bringen nicht nur Schlechtes. In den vergangenen Jahren haben viele Menschen gerade durch befristete Jobs, Zeitarbeit und Minijobs wieder eine Stelle gefunden. Die Politik hat diese Art von Beschäftigung genau deshalb gefördert, weil sie wollte, dass die hohe Sockelarbeitslosigkeit schmilzt und die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinkt. Das ist ihr in Ansätzen gelungen. Selbst den Gegnern dieses flexibleren Arbeitsmarktes dürfte nicht entgangen sein, dass Deutschland trotz der bislang schärfsten Rezession deutlich weniger Arbeitslose hat als Mitte dieses Jahrzehnts.

Dafür gibt es triftige Gründe. Denn durch Zeitarbeit und Befristung bindet sich ein Unternehmen eben nicht ein ganzes Arbeitsleben lang an einen Mitarbeiter. Manchmal müssen nur Auftragsspitzen abgearbeitet werden, die irgendwann wieder abflachen. Es gibt keinen Grund für Firmen, für ein halbes Jahr Mehrarbeit einen Mitarbeiter gleich fest einzustellen. Befristete Beschäftigung und Zeitarbeit bringen den Arbeitgebern mehr Flexibilität, weil sie den Kündigungsschutz umschiffen. Den Arbeitnehmern bieten sie vielleicht den Einstieg in den Arbeitsmarkt und die Aussicht auf eine Festanstellung später. Das sind die Chancen.

Doch häufig schaffen Leiharbeiter und befristet Beschäftigte den Absprung in eine Festanstellung nicht. Oft sind sie billiger als ihre festangestellten Kollegen, manchmal auch gefügiger, weil ihr Kündigungsschutz schwächer ist als der von Festangestellten. Wenn Menschen ungewollt über Jahre hinweg in solchen untypischen und oft unattraktiven Stellen verharren, dann haben die neuen Arbeitsformen ihren Sinn verfehlt. Dann werden sie Normalität. Sie fangen in diesen Fällen nicht mehr nur kurzfristige Personalengpässe und Auftragsspitzen ab, sondern sie werden fester Bestandteil betrieblicher - und damit schlechter - Personalpolitik.

Viele Arbeitnehmer zahlen einen hohen Preis dafür. Sie verzichten auf mehr Geld, auf beruflichen Aufstieg und auf Stabilität. Die Unsicherheit ihres Arbeitsverhältnisses ist für Zeitarbeitnehmer oft besonders belastend. Das ergab auch eine Umfrage der Techniker Krankenkasse in Hamburg. Das vergleichsweise niedrige Einkommen und die Diskrepanz zwischen der Qualifikation und der Tätigkeit werden als Härte empfunden.

Besorgniserregend ist, dass Menschen mit untypischen Jobs besonders gefährdet sind zu verarmen. Nach Berechnungen der Bundesstatistiker bekommt jeder Zweite weniger als 9,85 Euro in der Stunde. In kaum einem anderen Land wächst der Niedriglohnsektor damit so stark wie in Deutschland. Nach einer Studie des Instituts "Arbeit und Qualifikation" der Universität Duisburg-Essen gehören auch immer mehr Menschen mit guter Berufsausbildung zu den Geringverdienern. Das ist ein alarmierendes Signal. Es bedeutet, dass gute Leistung schlecht bezahlt wird. Es zeigt auch, dass immer mehr Menschen dazu bereit sind, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen. Sie schätzen offenbar die Chancen als gering ein, gut entlohnte Arbeit zu finden.

Doch gut ausgebildete Fachkräfte und Hochschulabsolventen haben in ihre Bildung investiert. Sie sollten deshalb besser verdienen, als Menschen, die das nicht getan haben. Sonst fehlt der Anreiz zur Qualifikation. Eine Politik, die duldet, dass sich Bildung und Leistung nicht auszahlen, muss hinnehmen, dass es immer mehr geringqualifizierte junge Menschen gibt. Das dürfte auch den Fachkräftemangel verschärfen. Deutschland wird dann im weltweiten Wettbewerb zurückfallen.

© SZ vom 20.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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