Prekäre Beschäftigungsverhältnisse:Arm trotz Arbeit

Lesezeit: 2 min

Minijobs, befristete Beschäftigungen, Teilzeitstellen: In immer mehr Fällen bedeutet Arbeit nicht, dass die Angestellten davon auch leben können - Tendenz steigend. Die Gewerkschaften machen nun Jagd auf Dumping-Sünder.

Wer arbeitet, der muss auch davon leben können - diese Aussage gilt in Deutschland schon längst nicht mehr. Im Gegenteil: Immer mehr Beschäftigte sind trotz ihres Jobs von Armut bedroht. Wie das Statistische Bundesamt berichtet, waren im vergangenen Jahr 6,2 Prozent der Erwerbstätigen armutsgefährdet - 1998 waren es noch 4,6 Prozent.

Die Zahl der Teilzeit- oder Minijobs hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. (Foto: Foto: AP)

Der Grund: Immer mehr Menschen gehen keiner "klassischen Beschäftigung" nach, sondern sind als Minijobber, Zeitarbeiter oder befristet Beschäftigte tätig. Sie verdienen meistens deutlich weniger und haben ein deutlich höheres Armutsrisiko - für einige Selbstständige, insbesondere jüngere Menschen, gilt dasselbe.

In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil klassischer Beschäftigung deutlich zurückgegangen. Dagegen ist der Anteil derjenigen mit Teilzeitjob, Zeitarbeit, geringfügig oder befristeter Beschäftigung seit 1998 um 6,0 Prozentpunkte auf stolze 22,2 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen.

Den Gewerkschaften sind diese Jobs ein Dorn im Auge. Einer Studie der IG Metall zufolge nutzen deutsche Unternehmen vor allem Leiharbeit zunehmend als Mittel zur Steigerung ihrer Gewinne. Während die Zeitarbeit in der Vergangenheit vorwiegend zum Ausgleich von Personalausfall oder bei Auftragsspitzen genutzt wurde, werde sie mittlerweile zunehmend "als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite oder der Profitabilität" zweckentfremdet, bemängelt die IG Metall.

Gewerkschaften auf der Jagd nach Dumping-Sündern

Unternehmen würden Leiharbeit mittlerweile gezielt als Instrument ihrer Beschäftigungspolitik einsetzen. Die Wirtschaftskrise werde dazu führen, dass Unternehmen diesen gezielten Einsatz noch ausweiten.

Ganz anders sieht das natürlich der Bundesverband Zeitarbeit. Die Organisation hat die Studie massiv kritisiert und forderte die IG Metall auf, ihr "Bild von einer modernen Arbeitswelt grundlegend zu überdenken".

Die Gewerkschaft kämpfe "Schlachten von vorgestern", erklärte Verbands-Hauptgeschäftsführer Ludger Hinsen. Statt Zeitarbeit zu verteufeln, sollten Gewerkschaften gemeinsam mit den Arbeitgebern "die Bedürfnisse der Beschäftigten nach sozialer Sicherheit mit dem Wunsch nach flexibler Lebensplanung verbinden".

Insgesamt sind von all jenen Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen stehen, 14,3 Prozent von Armut bedroht, bei Selbstständigen ohne Mitarbeiter sind es 10,4 Prozent. Bei Normalbeschäftigten liege die Quote seit 1998 dagegen weitgehend unverändert bei 3,2 Prozent. Besonders groß war das Risiko, in die Armut abzurutschen, bei geringfügig Beschäftigten. Knapp ein Viertel war trotz weiterer Einkommen im Haushalt und staatlicher Unterstützung armutsgefährdet.

Genau dagegen wollen die Gewerkschaften Verdi und Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG) jetzt vorgehen. Die Arbeitnehmervertreter ziehen gegen Dumpinglohn-Arbeitgeber zu Felde, dafür wollen sie zunächst eine Bestandsaufnahme machen.

Beschäftigte sollen Dumpinglöhne per Telefon melden. Nach bisheriger Erkenntnis der Gewerkschaften sind mehr als 32.000 Erwerbstätige trotz ihrer Arbeit auf staatliche Zuschüsse angewiesen. Die "Aufstocker" könnten von ihrer Arbeit nicht leben, weil sie mit Niedriglöhnen von 5,50 Euro oder weniger zurechtkommen sollen. Die Gewerkschaften treten für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde ein.

Mehr Frauen bekommen Niedriglohn

Der Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, Peter Weigl, wies jedoch darauf hin, dass niedrige Löhne nicht zwingend zu einem Armutsrisiko führen müssen. Wichtig seien auch die sozialen Umstände - also, ob die Arbeitnehmer alleinstehend sind oder ob mehrere Erwerbseinkommen in einem Haushalt leben.

Tatsache ist aber, dass sogenannte atypische Beschäftigte 2006 mit durchschnittlich 11,98 Euro deutlich weniger pro Stunde verdienten als voll sozialversicherungspflichtige Normalbeschäftigte. Diese erhielten im Schnitt 18,04 Euro. Jeder zweite der atypischen Beschäftigten bekam sogar einen Bruttostundenlohn unterhalb der Niedriglohngrenze von 9,85 Euro.

Am stärksten waren 2006 die Mini-Jobber mit 81,2 Prozent von Niedriglöhnen betroffen, bei Zeitarbeitern waren es 67,2 Prozent, bei befristet Beschäftigten 36,0 Prozent und bei Teilzeitbeschäftigten knapp ein Fünftel.

Und: Deutlich mehr Frauen (27,2 Prozent) als Männer (14,3 Prozent) beziehen Niedriglohn. Ein Grund dafür ist, dass sie häufiger in Teilzeitjobs oder anderen atypischen Beschäftigungen arbeiten.

© sueddeutsche.de/AP/dpa/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: