Es geht um 720 000 Kunden und ihre Lebensversicherungsverträge, hinter denen ein Vermögen von 21 Milliarden Euro steht. Der Versicherer Zurich will diesen Bestand gerne loswerden, der Abwicklungsspezialist Viridium in Neu-Isenburg will ihn übernehmen und abwickeln. Das heißt, er übernimmt kein Neugeschäft, sondern pflegt den Bestand, bis der letzte Kunde ausgeschieden ist.
Vor einem Jahr haben die beiden Unternehmen die Übernahme vereinbart - doch noch steht die Genehmigung der Finanzaufsicht Bafin aus.
Die Schieflage eines Lebensversicherers in Italien könnte jetzt dazu führen, dass der Deal doch noch scheitert oder für den Käufer des Bestandes deutlich teurer wird. Denn Mehrheitseigner von Viridium ist der Londoner Private-Equity-Investor Cinven. Cinven gehört auch der Mailänder Lebensversicherer Eurovita, der jetzt kurz vor der Zerschlagung steht. Die Bafin muss sich die Frage stellen: Ist ein Private-Equity-Unternehmen überhaupt geeignet, die Mehrheit an einem Lebensversicherer zu halten?
Eurovita ist mit 18 Milliarden Euro Vermögen ein mittelgroßer Lebensversicherer. Mehr als 20 Banken vertreiben die Policen. Doch als 2022 die Zinsen nach oben kletterten, beschlossen viele Kunden, ihre Policen zu kündigen und das Geld lieber lukrativer anzulegen. In dem einen oder anderen Fall förderte auch die Bank die Entscheidung, die vorher die Verträge verkauft hatte. Sie konnte dann zweimal verdienen.
Solche Kündigungswellen wie in Italien gibt es in Deutschland bislang nicht. Hier müssen die Kunden hohe Einbußen hinnehmen, wenn sie ihre Verträge vorzeitig kündigen. Außerdem ist die deutsche Kundschaft deutlich passiver, wenn es um Anlageentscheidungen geht. Doch ausgeschlossen sind vermehrte Kündigungen nicht. Nicht ohne Grund beobachtet die Bafin die Kündigungssituation und die Liquidität der Lebensversicherer genau.
Der Mittelabfluss alarmierte 2022 die italienische Versicherungsaufsicht Istituto per la Vigilanza sulle Assicurazioni (IVASS). Sie verlangte vom Eigner in Großbritannien frisches Geld - 400 Millionen Euro sollte er einschießen. Als das Geld nicht kam, zog die Aufsicht im Februar 2023 die Notbremse und fror alle Guthaben ein. Die Kunden kommen bisher nicht an ihr Geld.
Daran änderten auch die 100 Millionen Euro nicht, die Cinven schließlich zähneknirschend überwies. Das war zu wenig. Jetzt soll Eurovita nach dem Willen von IVASS aufgelöst werden. Die fünf größten italienischen Lebensversicherer, unter ihnen Generali und Allianz, sollen die Kunden unter sich aufteilen. Die Banken, die am Vertrieb gut verdient haben, werden verpflichtet, die Liquidität sicherzustellen. Die Verhandlungen über diese Lösung ziehen sich hin und sind notorisch schwierig, schließlich haben die beteiligten Seiten sehr unterschiedliche Interessen.
Dass Cinven sich weigerte, die geforderten frischen Mittel von 400 Millionen Euro einzuschießen, muss nicht unbedingt böser Wille sein. Ein Private-Equity-Investor arbeitet immer mit fremdem Geld, seine Fonds werden meistens von großen Anlegern gespeist. Er kann nicht einfach Hunderte von Millionen nehmen und zur Rettung einer Gesellschaft verwenden, deren Zukunft zweifelhaft ist.
Für die deutsche Finanzaufsicht stellt sich damit eine wichtige Frage: Ist ein Private-Equity-Investor ein geeigneter Mehrheitsaktionär für einen Lebensversicherer?
Cinvens Tochtergesellschaft Viridium, an der Hannover Rück und Generali mit kleineren Anteilen beteiligt sind, wickelt aktuell 3,6 Millionen Verträge ab, die sie von anderen Versicherern übernommen hat. Als Viridium 2019 die Bestände der Generali Leben übernahm, hatte das noch für Schlagzeilen gesorgt. Inzwischen sind solche Deals mit Run-off-Spezialisten, wie die Branche sie nennt, Routine.
Jetzt soll der Zurich-Bestand dazukommen. Aber darf die Bafin den Zurich-Deal einfach durchwinken? Was passiert, wenn Viridium irgendwann frisches Geld braucht, der Hauptaktionär aber - wie er in Italien demonstriert - zahlungsunwillig ist? Das würde extrem negativ auf die Aufsicht zurückfallen.
Es ist dennoch unwahrscheinlich, dass die Behörde den Deal untersagt. Sie hat oft genug erklärt, dass der externe Run-off ein wichtiges Instrument bei möglichen Marktturbulenzen sein kann. Aber sie könnte Bedingungen stellen, zum Beispiel sehr hohe, mit Barmitteln unterlegte Garantien fordern. Ob das Geschäft dann noch attraktiv ist für Cinven und die Tochter Viridium, wird man sehen.