Lebensmittel - Wiesbaden:Foodwatch dringt Wilke auf Reformen: Debatte um Kontrollen

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Wiesbaden/Berlin(dpa/lhe) - Der Fall Wilke stößt eine Debatte über die Sicherheit von Lebensmitteln in Deutschland an: Die Verbraucherorganisation Foodwatch warnte am Dienstag davor, bei der Aufarbeitung des Lebensmittelskandals von einem Einzelfall auszugehen. Es müsse nun darum gehen, bekannte Schwachstellen und Gesetzeslücken zu beseitigen, sagte Geschäftsführer Martin Rücker in Berlin. Dazu zähle zum Beispiel die Möglichkeit, Lieferwege von Waren lückenlos zu verfolgen.

"Das ist im EU-Recht vorgeschrieben, wird in Deutschland aber nicht umgesetzt", urteilte Rücker. Darüber hinaus sei bei relevanten Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel eine sofortige Informationspflicht von Behörden und Verkaufsstellen gegenüber Verbrauchern nötig. Im Fall Wilke hat Foodwatch wiederholt eine Offenlegung der Händlerliste gefordert.

In der Wurst des nordhessischen Herstellers Wilke waren Listerien nachgewiesen worden. Drei Todes- und Dutzende Krankheitsfällen werden mit Wilke-Produkten in Verbindung gebracht. Der Betrieb in Twistetal-Berndorf wurde vor knapp zwei Wochen geschlossen. Das Unternehmen meldete danach Insolvenz an. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen den Geschäftsführer. Listerien können für Menschen mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein.

Foodwatch veröffentlichte eine eigene Darstellung des Falls Wilke. Darin wiederholte die Organisation Anschuldigungen gegen Kontrollbehörden: "Die hessischen Behörden haben einen wesentlichen Anteil an dem Skandal." Das gelte für alle Ebenen - von dem für die Kontrollen bei Wilke zuständigen Landkreis Waldeck-Frankenberg über das Regierungspräsidium Kassel bis zum Verbraucherschutzministerium.

Foodwatch wirft den Behörden zu viel Nähe zu Wilke, eine zu späte Weitergabe von Informationen und einen verschleppten Rückruf vor. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg hatte in der Vergangenheit erklärt, man sei überzeugt, die Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erledigt zu haben. Er hat aber eine Prüfung der Vorgänge angekündigt.

Auch Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne)hat bereits Aufklärung angekündigt, aber auch an den Kreis verwiesen: Die kommunalen Behörden hätten noch keinen Abschlussbericht über die Vorgänge bei der Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH vorgelegt. Deshalb könne sie auch nicht abschließend sagen, ob Fehler bei den Kontrollen gemacht wurden. Das Ministerium habe nur die Fachaufsicht.

Trotz des Falls Wilke sieht dagegen die Lebensmittelchemikerin Ulrike Prepens die Lebensmittelüberwachung nicht in der Krise. "Lebensmittel sind sehr sicher, weil wir ein entsprechend ausgetüfteltes und gut aufgestelltes Prüfsystem in Deutschland haben", sagte die Studiengangskoordinatorin Lebensmittelsicherheit der Hochschule Fresenius in Idstein im Taunus.

So würden viele Skandale durch den technischen Fortschritt entdeckt: "Unser Kontrollsystem und unsere Nachweismethoden haben sich derart verbessert, dass wir nun deutlich mehr Fälle erfassen." Die Schwachpunkte lägen an anderer Stelle: "Maschinen und Menschen machen Fehler, das kommt überall vor", erklärte Prepens. Lebensmittelskandale entstünden vielfach aufgrund von Mikroorganismen, die überall auftreten, beispielsweise auf Pflanzen und Tieren. "Das kann man nicht generell verhindern, dadurch kommen die Keime auch in Produktionsanlagen vor." Es komme dann auf den Zustand der verwendeten Rohwaren sowie die Arbeits-, Betriebs- und Bauhygiene in betroffenen Unternehmen sowie etablierte Kontrollsysteme an.

Verbraucherschutzministerin Hinz nahm am Dienstag an einer Telefonkonferenz mit Vertretern anderer Bundesländer teil. Dabei sollte es um den Austausch von Informationen zur Rückrufaktion der Wurstwaren gehen. Zu den Ergebnissen des Gesprächs lagen zunächst keine Informationen des Landes Hessen vor. Aus dem niedersächsischen Verbraucherschutzministerium hieß es, es sei kaum um Details im Fall Wilke gegangen, sondern darum, wie man die Kommunikation von Behörden, Verbänden und Unternehmen in solchen Fällen grundsätzlich verbessern könne. Niedersachsen fordere dafür bundesweit einheitliche Lieferlisten und eine Datenauswertung anhand einheitlicher Programme.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: