Krisenmonat September:Wann sich die Zukunft des Euro entscheidet

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Der gefährlichste Monat für die Weltwirtschaft: Ein Studie belegt, dass in den vergangenen Jahrzehnten mit Abstand die meisten Finanzkrisen im September begonnen haben. 2012 könnte es besonders dramatisch werden, denn dann geht es für die Gemeinschaftswährung um alles. Was nach der Sommerpause auf die Euro-Zone zukommt.

Benjamin Romberg

Es ist amtlich: Der September ist ein Krisenmonat. Die meisten Finanzkrisen schlagen in diesem Monat zu, sagt eine IWF-Studie. Auch die Euro-Krise könnte sich in diesem September zuspitzen. Denn nach der politischen Sommerpause stehen viele wichtige Termine und Treffen in ganz Europa an, von Nikosia über Athen bis Karlsruhe. Süddeutsche.de fasst zusammen, was im Herbst auf den Euro zukommt.

Die eingeschlagene Scheibe einer Wechselstube in der griechischen Hauptstadt Athen. (Foto: Getty Images)

Anfang September kehrt die Troika nach Athen zurück, um Griechenlands Fortschritte beim Sparprogramm zu überprüfen. Vom Urteil der Experten von IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Kommission hängt ab, ob das Land eine weitere Tranche aus dem zweiten Hilfspaket in Höhe von 31,5 Milliarden Euro erhält. Ohne neue Notkredite geht Athen das Geld aus - ein Austritt aus der Euro-Zone könnte folgen. Nach dem August-Besuch der Troika hatten sich griechische Regierung und die Besucher betont optimistisch gezeigt. Die griechische Regierung muss nach der Sommerpause weitere Einschnitte durchsetzen. Das könnte vor allem die Beamten des Landes treffen: 40.000 Stellen sollen gestrichen werden, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Vorgängerregierung hatte den Abbau von 30.000 Jobs geplant - im vergangenen Jahr hatte Athen sich aber nur von 6500 Beamten getrennt.

Schon jetzt ist die Arbeitslosigkeit in Griechenland auf ein Rekordniveau gestiegen, 23 Prozent sind nun ohne Job ( PDF). Die Jugendarbeitslosigkeit stieg sogar auf 55 Prozent - Spitzenwert in der Euro-Zone. Die Regierung könnte die schwere Wirtschaftskrise als Argument nutzen, um von der Troika mehr Zeit zu verlangen, die Sparprogramme umzusetzen. Die Vereinbarung mit der Troika sieht solche Nachverhandlungen ausdrücklich als Option vor ( PDF).

Am 6. September trifft sich der Rat der Europäischen Zentralbank. Die Notenbanker haben deutliche Hinweise gegeben, dass sie bereit sind, wieder viele Staatsanleihen zu kaufen. So soll der Druck der Finanzmärkte auf Krisenstaaten sinken. EZB-Chef Mario Draghi hat sich auf keinen Termin festgelegt - aber Details für die kommenden Wochen angekündigt. Im Moment lässt die EZB die Märkte über ihre Pläne im Dunkeln. Draghi hat aber eine Bedingung für sein Eingreifen klargemacht: Hilfsbedürftige Länder - also Spanien und Italien - müssten zunächst einen Antrag beim Euro-Rettungsschirm EFSF stellen und sich damit Reformen unterwerfen, bevor die EZB tätig wird.

Es könnte sein, dass der Rat sich erneut nicht öffentlich festlegt und zwei wichtige Termine abwartet. Zum einen will die Europäische Kommission am 11. September einen ersten Entwurf für eine europäische Bankenaufsicht vorstellen. Auf dem Euro-Gipfel im Juni hatten Europas Staats- und Regierungschefs vereinbart, dass es mit einer solchen gemeinsamen Aufsicht möglich sein soll, maroden Banken direkt Notkredite aus den Rettungsfonds zu geben - oder sie dichtzumachen.

Zum anderen könnte die EZB eine höchstrichterliche Entscheidung aus Deutschland abwarten. Am 12. September entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit von ESM und Fiskalpakt. Der neue Rettungsschirm ESM soll mit 500 Milliarden Euro ausgestattet werden, der deutsche Anteil daran beträgt 190 Milliarden Euro. Das Gericht muss abwägen, ob ein solches Haftungsrisiko nicht das Haushaltsrechts des Parlaments aushöhlt. Kippt das Gericht den ESM, würde das die ganze Krisenstrategie Europas in Frage stellen. Armin von Bogdandy, der Direkor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht in Heidelberg, formuliert es drastischer: "Wenn sie den ESM töten, ist der Euro am nächsten Tag verloren", sagte er der Financial Times.

Am 12. September wählen zudem die Niederländer ein neues Parlament. Die alte Minderheitsregierung von Premier Mark Rutte war am Widerstand des Rechtspopulisten Geert Wilders gescheitert, ein Sparpaket zu verabschieden, das die Schulden des Landes drücken soll. Wilders setzt bei den Neuwahlen nun auf die Stimmen der Euro-Gegner.

Zwei Tage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommen die Euro-Finanzminister am 14. September in Zyperns Hauptstadt Nikosia zusammen. Bei dem Treffen wird es dann - abhängig von den Entscheidungen im Vorfeld - um das weitere Vorgehen in der Krise gehen. Neben Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern könnte ein sechstes Land Rettungskredite anfragen: Slowenien steht am Abgrund.

Außerdem wird wohl noch im September zumindest ein Teil der versprochenen Hilfskredite in Höhe von 100 Milliarden Euro an die spanischen Banken fließen. Dann soll auch ein detaillierter Banken-Stresstest vorliegen. Der Bericht soll endgültig klarmachen, wie groß die Löcher in den Bilanzen der Institute wirklich sind.

Auch ein offizieller Antrag der spanischen Regierung beim EFSF ist nicht mehr ausgeschlossen. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat sich lange gewehrt, doch zuletzt einen solchen Schritt nicht mehr ausgeschlossen. Die Renditen für zehnjährige spanische Anleihen schwanken seit Wochen um die sieben Prozent - eine kritische Marke und ein Hinweis, dass Madrid neue Kredite wohl teuer bezahlen muss. Ende Oktober stehen mehrere große Auktionen spanischer Anleihen an.

Kein schöner Ausblick für die Politiker, die jetzt noch Ferien machen. "Vorsicht - wenn Sie das lesen, wollen Sie vielleicht nicht wieder aus dem Urlaub zurückkommen", schreibt die Ökonomin Megan Greene über ihren Septemberausblick. Tatsächlich können die Politiker sich nur auf eines verlassen: Der September wird stressig.

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