Korruptionsverdacht:Linde AG zahlt 35 Millionen Euro

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Für Geschäfte, die mit Hilfe von Korruption zustande gekommen sein sollen, muss der Gas- und Anlagenkonzern Linde 35 Millionen an die Staatskasse zahlen. Über die Höhe der Ausgleichszahlung hat das Unternehmen monatelang mit den Staatsanwälten gefeilscht.

Klaus Ott

Im Vergleich zu dem, was die Siemens AG für ihren Schmiergeldskandal gebüßt hat, ist es nur ein kleiner Betrag. Aber 35 Millionen Euro sind andererseits kein Kleingeld. So viel zahlt der Gas- und Anlagenkonzern Linde für Geschäfte, bei denen Korruption im Spiel gewesen sein soll, an die Staatskasse. Darauf verständigte sich das in München ansässige Unternehmen am Mittwoch mit der örtlichen Staatsanwaltschaft. Siemens hatte 600 Millionen Euro gezahlt.

Bei den 35 Millionen Euro handele sich um eine "Ausgleichs-Zahlung", sagt ein Linde-Sprecher. Das Münchner Unternehmen soll in diesem Umfang davon profitiert haben, dass sich Berater und Vermittler bei der Akquisition von Aufträgen für das Unternehmen illegaler Praktiken bedient hätten. Die Staatsanwaltschaft spricht in solchen Fällen davon, dass man Gewinne aus Schmiergeldgeschäften abschöpfe. Bei Siemens waren es die 600 Millionen Euro in Deutschland gewesen, hinzu kam eine Strafe in etwa gleicher Höhe in den USA.

Die MAN AG, die Lastwagen, Busse und Industrieanlagen herstellt, hatte 150 Millionen Euro an die Münchner Justiz abführen müssen. Und die frühere MAN-Tochter Ferrostaal aus Essen, die für deutsche Unternehmen internationale Geschäfte großen Stils vermittelt und beispielsweise U-Boote verkaufte, soll 277 Millionen Euro aufbringen. Das fordert die Münchner Staatsanwaltschaft in einer beim Landgericht eingereichten Anklage gegen zwei ehemalige Ferrostaal-Manager, das Essener Unternehmen wehrt sich vehement dagegen.

Feilschen wie auf dem Basar

Die Ermittlungen bei MAN hatten auch zu den Verdachtsfällen bei Linde geführt. Vorstandschef Wolfgang Reitzle ließ schon vor gut einem Jahr vorsichtshalber gemeinsame Geschäfte mit einer MAN-Tochter überprüfen und die Staatsanwaltschaft einschalten, als verdächtige Vorgänge in der Sparte Engineering auftauchten. Für die ist Vorstandsmitglied Aldo Belloni verantwortlich. Die Strafverfolger nahmen sich der Sache an und leiteten Verfahren gegen mehrere Linde-Beschäftigte ein. Darunter sind aber keine Vorstandsmitglieder.

Im Verlaufe der Ermittlungen begann die Staatsanwaltschaft, mit dem Konzern über die Höhe der Gewinnabschöpfung zu feilschen. Bei den Verhandlungen soll es teilweise zugegangen sein wie auf einem Basar. Am Mittwochnachmittag kam es schließlich zur Einigung. Der Chef der Staatsanwaltschaft, Manfred Nötzel, kam zur Linde AG; dort wurde der 35-Millionen-Euro-Deal besiegelt. Konzerne wie Siemens, MAN oder Linde wägen in solchen Fällen genau ab, was mehr bringt.

Da ist auf der einen Seite ein langer Streit mit der Staatsanwaltschaft, notfalls vor Gericht, der vielleicht dazu führt, dass die geforderte Zahlung um mehrere Millionen Euro reduziert wird - aber um den Preis, dass das Unternehmen über Jahre hinweg Ärger und hohe Untersuchungs-Kosten hat und wegen des Korruptionsverdachts womöglich Aufträge verliert. Oder andererseits ein rascher Abschluss des Verfahrens, der dazu führt, dass sich der Konzern auf das Geschäft konzentrieren kann, was wohl mehr wert ist als ein paar eingesparte Millionen bei der Gewinnabschöpfung.

In der Regel wählen die Firmen die zweite Variante. Wie nun bei Linde.

© SZ vom 09.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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