Ein halbes Jahrzehnt ist es schon her, dass der Schmiergeldskandal bei Siemens begonnen hatte, der größte seiner Art in der deutschen Wirtschaft. Zuletzt sah es so aus, als sei dieses Thema erledigt. Doch nun haben die alten Verfehlungen ein spektakuläres Nachspiel. Acht ehemalige Manager des Konzerns mit Stammsitz München sind in den USA wegen Bestechung argentinischer Politiker angeklagt, wie das Justizministerium in Washington mitteilte. Gegen sieben frühere Siemens-Führungskräfte geht die US-Börsenaufsicht SEC zivilrechtlich vor. Für Siemens selbst ist der Skandal längst ausgestanden. Das Unternehmen hat nach früheren Strafzahlungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro von den Ermittlungsbehörden nichts mehr zu befürchten.
Dafür haben jetzt der ehemalige Vorstand Uriel Sharef und einige seiner alten Kollegen jede Menge Ärger. Sie sollen in Südamerika insgesamt 100 Millionen Dollar Schmiergeld für einen Großauftrag gezahlt haben oder dafür mitverantwortlich sein. Bestochen worden sein sollen hochrangige Regierungsvertreter, darunter zwei Präsidenten und mehrere Minister. Auf diese Weise habe die Siemens AG erreichen wollen, dass ihr die Herstellung von fälschungssicheren Ausweisen für Argentinien anvertraut werde.
Dieses Geschäft, das Ende der neunziger Jahre unter allerlei obskuren Umständen eingefädelt worden war, kam dann doch nicht zustande. Aber Schmiergeld war offenbar bereits geflossen, durch viele dunkle Kanäle, und etliche Verantwortliche in der Konzernzentrale von Siemens am Wittelsbacher Platz in München und in der argentinischen Landesgesellschaft sollen davon gewusst haben - bis hin zu Sharef, der im Konzern für Südamerika verantwortlich gewesen war und der zum engsten Führungszirkel um den langjährigen Vorstandschef Heinrich von Pierer gezählt hatte.
Gegen Pierer erheben das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC keine Vorwürfe. Er war aber wegen der Vorgänge in Argentinien mit 250.000 Euro Bußgeld in München belegt worden. Die deutsche Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, trotz Hinweisen auf fragwürdige Vorgänge im eigenen Unternehmen seine internen Aufsichtspflichten vernachlässigt zu haben. Pierer zahlte und wies weiter jede Schuld von sich.
Das Justizressort in Washington und die Börsenaufsicht begründen ihr Vorgehen mit den US-Vorschriften gegen Auslandskorruption, die auch für Unternehmen anderer Staaten gelten, sofern sie an der New Yorker Börse notiert sind. Das ist bei Siemens seit 2001 der Fall. Das wiederum führte nach der Aufdeckung von schwarzen Kassen und weltweiten Schmiergeldsystemen bei Siemens durch die Münchner Staatsanwaltschaft dazu, dass auch die US-Justiz mit der SEC gegen den Konzern vorging. Die Verfahren in München und den USA endeten für das Unternehmen mit Strafen in Höhe jeweils rund 600 Millionen Euro.
Dass die USA nun auch frühere Manager von Siemens persönlich anklagt oder verklagt, dürfte in Deutschland und darüber hinaus eine abschreckende Wirkung haben. Verantwortliche in Konzernen dürften bei Auslandsgeschäften noch genauer hinschauen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, um unangenehme Folgen zu vermeiden. Aus Deutschland werden außer von Siemens die Aktien von Deutscher Bank, Fresenius SAP und Elster Group in New York gehandelt. Mehrere Unternehmen hatten sich zuletzt von der US-Börse verabschiedet, darunter Daimler und Allianz.
Zu den Angeschuldigten in den USA im Fall Siemens zählen nicht nur Ex-Vorstand Sharef und zwei ehemalige Führungskräfte der Niederlassung Argentinien, sondern auch ein einstiger Manager aus der Münchner Konzernzentrale, der damals intern Bedenken gegen fragwürdige Zahlungen in Südamerika vorgetragen hatte; bis hinauf zum Vorstand, allerdings vergeblich. Er hatte nach Beginn des Skandals als einer von wenigen bei Siemens offen über eine mögliche Verwicklung des einstigen Konzernchefs Pierer ausgesagt und ihn damit in Schwierigkeiten gebracht hatte. Dass selbst dieser Manager nun in den USA verfolgt wird, wenn auch nur zivilrechtlich, macht deutlich, wie rigoros dort in einzelnen Fällen durchgegriffen wird.
Im Falle Siemens könnten noch weitere ehemalige Manager Ärger bekommen. "Das ist erst der Anfang", sagte eine SEC-Sprecherin. Es gebe eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass weitere Klagen folgten. Auch die US-Justiz greift hart durch. "Die heutige Anklage offenbart ein schockierendes Maß an Betrug und Korruption", erklärte der stellvertretende Staatsanwalt General Breuer in Washington. Seine Behörde sei entschlossen, Korruption sowohl bei Firmen, als auch bei Einzelpersonen zu verfolgen.
Hinterzimmer-Deals und die Bestechung ausländischer Behördenvertreter zerstört das Vertrauen in den globalen Markt", sagte der zuständige FBI-Beamte Ronald Hosko. Man werde weiter gegen jene ermitteln, die versuchten, durch Korruption geschäftliche Vorteile zu erzielen. "Bestechung korrumpiert Märkte und verschafft unfaire Vorteile gegenüber gesetzestreuen Unternehmen", äußerte Staatsanwalt Preet Bharara. Es sei entscheidend, auch einzelne Personen zur Rechenschaft zu ziehen.