Fusion mit Thyssenkrupp:Software, Salz und Stahl: Die weite Welt des Tata-Clans

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  • Thyssenkrupps Fusionspartner ist in zahlreichen Branchen aktiv. Auch bei Salz, Tee und Software ist Tata ein bedeutender Akteur.
  • Eine indische Familie lenkt aus Mumbai die Geschicke des Weltkonzerns.
  • In Indien steht Tata neben Profit und Wachstum auch für Wohltätigkeit.

Von Arne Perras, Singapur

Der gute alte Tante-Emma-Laden hat in kleinen Gemeinden kaum noch Zukunft. Meistens ist er dort längst verschwunden. Doch im viel beschworenen "globalen Dorf", wo sich die Weltwirtschaft immer stärker vernetzt, scheint es noch Platz zu geben für den gut sortierten Gemischtwarenladen. Emma heißt dort Tata. Und ist in Indien zuhause.

Tata mit seiner Zentrale in Mumbai ist natürlich nicht nur Laden, sondern auch Werkbank und noch vieles mehr. Als weit verzweigter Mischkonzern macht er einen Umsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar im Jahr und beschäftigt 695 000 Menschen in 100 Ländern. Und die einzelnen Firmen unter der Holding "Tata Sons" bieten eine breitere Palette als viele andere Imperien dieser Art: Salz, Tee, Chemikalien, Autos, Hotelzimmer, Software - es gibt kaum eine Branche, in die Tata nicht vorgestoßen ist.

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Und natürlich kochen die Inder auch Stahl. Gerade hat Tata einen Pakt mit dem deutschen Konzern Thyssenkrupp geschmiedet, die Stahltöchter beider Konzerne wollen fusionieren. Ziel ist es, die Geschäfte im Wettbewerb mit China konkurrenzfähiger zu machen. Doch der Deal schürt Ängste unter den Beschäftigten. 4000 Arbeitsplätze sollen durch die Zusammenlegung jetzt verloren gehen.

Stahl spielte in der Geschichte des Unternehmens Tata schon früh eine tragende Rolle, der Kaufmann Jamsetji Tata gründete das Handelshaus im Jahr 1868. Zunächst konzentrierte er sich auf Textilien, aber schon 1907 folgte die "Tata Iron and Steel Factory", mit ihrer Produktionsstätte in Jamshedpur. Hinter dem Wirtschaftsimperium, das sich im Laufe der Jahrzehnte verzweigte, verbirgt sich der Aufstieg einer außergewöhnlichen parsischen Familie. Sie hat Indiens Industrialisierung geprägt wie kaum ein anderer Clan.

Ein Streit zwischen Managment und Eigentümer sorgte für Unruhe

Ratan Tata, Urenkel des Gründers, war 1991 in die Spitze des Konzerns aufgestiegen, unter seiner Führung erwarb Tata den europäischen Stahlkonzern Corus und danach die britischen Automarken Jaguar und Landrover, was viele Inder als späten Triumph über die frühere Kolonialmacht Großbritannien empfanden. 2012 gab Ratan Tata schließlich seinen Vorsitz ab. Ihm folgte der Milliardär Cyrus Mistry, der nicht zum engeren Familienkreis der Gründerfamilie zählte. Doch der Patriarch, der im Dezember 80 Jahre alt wird, wollte nie ganz loslassen.

Ratan Tata hatte ein sehr waches Auge auf seinen Nachfolger. Vier Jahre lang ging das gut. Doch dann verblüffte der Konzern die Inder plötzlich mit einer heftigen Führungskrise. Manager Mistry, den Tata eigens für diesen Job auserwählt hatte, fiel in Ungnade und musste gehen. Weil er sich das aber nicht gefallen lassen wollte, eskalierte der Streit, schon bald sickerten hässliche gegenseitige Vorwürfe über Missmanagement und angeblich fehlerhafte Entscheidungen in die Öffentlichkeit. Das hatten die Inder bei Tata so noch nicht erlebt. Ratan Tata übernahm kommissarisch die Führung und erst mit dem neuen Manager Natarajan Chandrasekaran wurde es wieder etwas ruhiger.

Der hat den Deal mit Thyssenkrupp zu verantworten, während die Vorwürfe des Vorgängers noch immer im Raum stehen. Denn Mistry hatte geklagt, dass er 2012 einige schwer verschuldete Firmen unter seinem Schirm geerbt hatte, als Problemfälle nannte er die Telekomsparte, den Automobilhersteller Tata Motors, Tata Power, die zum Konzern gehörigen defizitären Hotelgeschäfte und Tata Steel Europe. Angeblich drohten Abschreibungen von 18 Milliarden Dollar, wobei mehr als die Hälfte auf das europäische Stahlgeschäft entfallen sollten. Sorge machten vor allem milliardenschwere Pensionsforderungen in Großbritannien. Doch kürzlich gab es eine Einigung mit der britischen Rentenkasse, wodurch Tata Entlastung erhofft. Das hat offenbar dann auch die Gespräche mit Thyssenkrupp erleichtert.

Der Konzern möchte auch der Nation dienen

Mehr als die Hälfte des Jahresumsatzes erwirtschaftet Tata mit seinen beiden Sparten Tata Consultancy Services und Tata Motors. 70 Prozent des Umsatzes entfällt auf Einkünfte aus dem internationalen Geschäft. Dennoch ist es Tata immer wichtig gewesen, sich auf seine indischen Wurzeln zu besinnen, vor allem was die Unternehmensethik betrifft. Da hat der Konzern die Latte selbst sehr hoch gelegt: "Es ist ein Unterschied, Geld für sich selbst zu machen oder den Wohlstand für andere zu schaffen", schreibt das Unternehmen in einem Profil seiner Pioniere. Die Tata-Familie sah sich immer als ein Unternehmerhaus, das der Nation dienen sollte. Dazu gehört auch ein starkes Bekenntnis zu Philanthropie und Wohltätigkeit.

Zwei Drittel der Holding sind heute im Besitz gemeinnütziger Treuhandgesellschaften, durch die Familienmitglieder ihren Einfluss auf den Konzern wahren. Diese Stiftungen bringen einerseits große Steuererleichterungen, anderseits investieren sie etwa 10 Prozent ihrer Einkünfte in Bildungs- und Umweltprojekte, in kulturelle Initiativen und die Forschung. Die Inder achten die Familie für diese Arbeit. Ratan Tata trat trotz seines Reichtums nie protzig auf. Und nach den Terrorattacken von Mumbai auf das Taj-Mahal-Hotel, das zu Tata gehört, konnten die Inder beobachten, wie viel Zeit sich der Konzernchef für Opfer und Angehörige nahm, wie stark er sich für sie einsetzte. Andererseits hat das noble Bild der Familie durch die heftige Führungskrise 2016 doch auch Kratzer bekommen. Offenbar ist es nicht so leicht, alte Familientraditionen und Werte mit den Anforderungen des modernen Managements in Einklang zu bringen.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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