Thyssen-Krupp:Die Stahl-Jobs werden verschwinden, so oder so

Das Wohl des Landes hing mal vom Stahl ab, aber die Zeiten sind vorbei. Der Strukturwandel lässt sich nicht aufhalten.

Kommentar von Nikolaus Piper

Wieder so eine Nachricht über das atemberaubende Tempo, mit dem sich die Wirtschaft derzeit verändert. Der deutsche Thyssen-Krupp-Konzern und die indische Tata-Gruppe wollen ihre europäischen Stahlwerke unter dem Dach einer gemeinsamen Firma zusammenlegen. Das neue Unternehmen wird seinen Sitz in den Niederlanden haben, insgesamt 4000 Stellen sollen wegfallen, je zur Hälfte bei Thyssen-Krupp und bei Tata. Die Einigung ist zwar erst vorläufig, der Aufsichtsrat kann das Projekt noch verwerfen, es ist aber unwahrscheinlich, dass er das tun wird.

Stahl - das war einmal eine "Schlüsselindustrie", von der Wohl und Wehe einer Nation abhing, und die Sozialisten und Kommunisten am liebsten verstaatlicht hätten. Der Prozess der europäischen Einigung begann 1951 auch deshalb, weil Frankreich verhindern wollte, dass die Krupps, die Thyssens und die Hoeschs jemals wieder die Kanonen bauten, mit denen dann deutsche Generäle Europa zerstören könnten.

Strukturwandel kann man nicht aufhalten, aber gestalten

Das ist lange her. Stahl ist heute ein Weltmarktprodukt, und das Problem liegt darin, dass es viel zu viel davon gibt. Mancher erinnert sich noch an die 1980er-Jahre, als eine ganze Region erbittert, aber letztlich vergeblich, gegen den Plan des Krupp-Managements kämpfte, ein unrentables Walzwerk in Duisburg-Rheinhausen zu schließen. Auch heute leidet die Industrie unter einem krassen Überangebot, vor allem weil die Volksrepublik China so viel Stahl erzeugt - im Wortsinne ohne Rücksicht auf Verluste. In Europa kann da nur bestehen, wer hoch spezialisiert und effizienter produzieren kann als der Rest der Welt.

Die europäischen Stahlwerke von Tata und Thyssen-Krupp sind effizient. Aber das Vorhaben, immer an der Spitze zu bleiben, gleicht einem Wettlauf mit der Zeit, und Thyssen-Krupp-Vorstand Heinrich Hiesinger glaubt offenbar, den ohne Partner nicht bestehen zu können. Seine Argumentation klingt plausibel, trotzdem sind die Proteste der IG Metall verständlich. Immer wieder sind Fusionen und Partnerschaften von sehr unterschiedlichen Unternehmen gescheitert - mit verheerenden Folgen für die Arbeitsplätze. Aber auch die Betriebsräte müssen die Alternative zur Partnerschaft mit Tata einkalkulieren: immer neue Sparrunden im bestehenden Unternehmen. Einige Investoren denken angeblich schon über die Zerschlagung von Thyssen-Krupp nach.

So oder so wird es immer weniger Stahl-Jobs geben. Es kommt daher darauf an, den Strukturwandel nicht aufzuhalten (das funktioniert sowieso nicht), sondern ihn zu fördern und zu gestalten. Die deutsche Wirtschaft ist in dieser Hinsicht weit, jedenfalls betriebswirtschaftlich gesehen. Gesellschaftlich und regionalpolitisch hat der Wandel oft nicht funktioniert. Der Duisburger Stadtteil Marxloh, einst geprägt von der Stahlindustrie, gilt heute bei der Polizei als hochproblematischer Brennpunkt. Die wirtschaftlichen Umbrüche der vergangenen Jahrzehnte haben Verliererregionen geschaffen. Es ist eine politische Aufgabe, dies zu ändern.

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