Konsum:Grün kaufen reicht nicht

Lesezeit: 2 min

Individueller Öko-Konsum als Ersatz für eine sinnvolle Regulierung? Mitnichten! Nur die Politik kann die Anreize so verändern, dass sich Konzerne und Verbraucher nachhaltig verhalten.

Caspar Dohmen

Konsumieren und die Welt verbessern - nach diesem Motto handeln immer mehr Verbraucher. Sie achten darauf, ob die Hersteller die Baumwollbauern fair entlohnen oder ob sie Gemüse verkaufen, das giftfrei angebaut worden ist. Sie halten dabei viel von kleinen, überlegten Schritten, jedoch wenig von Verzicht. Schätzungsweise 12,5 Millionen Menschen gehören in Deutschland schon zu den Anhängern eines solchen Lebensstils. Für die Wirtschaft ist diese Kundschaft wesentlich interessanter als die erste Generation der grünen Konsumenten, die häufiger von Verzicht sprachen, beim Auto, Fleisch oder gar der Fernreise. Ein grüner Genießer legt sich dagegen lieber den Toyota Prius mit Hybridantrieb zu, erwirbt sein Schnitzel auf dem Ökomarkt und erkauft sich bei der Fernreise ein gutes Gewissen, indem er Geld dafür spendet, dass Bäume angepflanzt werden, die dann CO2 absorbieren.

Grünes Gewissen: Zwar achten viele Verbraucher beim Einkauf darauf, wie und wo beispielsweise das Gemüse angebaut wurde - doch das allein reicht nicht. (Foto: Foto: ddp)

Aber geht das Kalkül dieser strategischen Konsumenten auf? Sicher verändern deswegen viele Unternehmen ihre Produktionsverfahren. Dafür sorgt in einer funktionierenden Marktwirtschaft schon der Mechanismus von Angebot und Nachfrage. Deswegen gibt es fair hergestellte Schokolade nicht mehr nur im Eine-Welt-Laden, sondern auch beim Aldi. Und deswegen kann man beim Versandhandel ein T-Shirt aus rein ökologischer Baumwolle bestellen oder für die private Altersvorsorge in eine Windkraftanlage investieren.

Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, der Ressourcenverbrauch der Bürger könnte auf diesem Weg auf das notwendige Maß schrumpfen. Um einen Konsumenten in der Europäischen Union mit Nahrung, Gütern und Energie zu versorgen, braucht man jährlich sechs Hektar Land und produziert zehn Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid. Würde jeder Erdbewohner die gleiche Ressourcenmenge beanspruchen, dann bräuchte man drei neue Planeten.

Neue Konsumgewohnheiten reichen nicht aus, und Bekenntnis und Tat klaffen häufig auch auseinander. Außerdem überschätzen viele Konsumenten ihren Umweltbeitrag. Am tugendhaftesten dürften sich ohnehin diejenigen verhalten, die gar nicht anders können, weil sie wenig Geld haben - etwa die Rentnerin, die auf kleinem Raum lebt und nur zu Fuß unterwegs ist. Verglichen mit ihr dürfte die Umweltbilanz eines gut verdienenden, strategischen Konsumenten beschämend schlecht ausfallen.

Außerdem ist die Konsumwelt viel zu komplex, um als einzelner immer die richtige Entscheidung zu treffen, was folgende Beispiele zeigen: Wer Strom spart sorgt dafür, dass weniger Kohlendioxid entsteht. Leider nicht! Wenn die Haushalte in der EU weniger Strom brauchen, dann ändert sich nämlich an der Gesamtzahl der Zertifikate für Emissionen nichts. Der Schadstoffausstoß verlagert sich lediglich. Davon profitieren insbesondere energieintensive Industrien wie die Stahl- oder Aluminiumindustrie. Daran dürfte kaum ein Verbraucher denken, wenn er sich eine klimaschonendere Waschmaschine kauft. Und wer würde erwarten, dass die ökologische Rinderzucht genauso umweltschädlich ist wie die konventionelle? Tatsächlich stößt jede Kuh täglich bis zu 400 Gramm des hochwirksamen Treibhausgases Methan aus, egal, wie sie aufgezogen wird.

Der individuelle Konsum taugt eben nicht als Ersatz für eine sinnvolle Regulierung. Nur die Politik kann die Anreize so verändern, dass sich alle Unternehmen und alle Konsumenten nachhaltig verhalten, so wie bei der Glühbirne. Das ineffiziente Leuchtmittel wird schon in wenigen Jahren in Europa verschwunden sein, dank der Politik. Und schon bald dürften die Unternehmen dafür sorgen, dass die Lichtqualität der handelsüblichen Energiesparlampen deutlich besser wird.

Ehrgeizige Ziele für eine nachhaltige und gerechtere Wirtschaft lassen sich nur erreichen, wenn Gesellschaften über wirksame und gemeinwohlorientierte Steuerungsinstanzen verfügen. Deswegen sollte sich niemand auf seine Rolle als Konsument beschränken, sondern sich als politisch interessierter Bürger in der Demokratie einbringen.

© SZ vom 17.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: