Konjunktur:Drei Ökonomen, vier Meinungen

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Was wird geliefert, und wie wurde es produziert? Container in Altenwerder. (Foto: Markus Scholz/dpa)

Die Konjunkturdaten zeichnen ein zwiespältiges Bild der Wirtschaftslage. Wie es tatsächlich um Deutschland steht, müssten eigentlich die führenden Volkswirte des Landes wissen - doch auch die stochern im Nebel.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Zu den beliebten Sinnsprüchen der Deutschen gehört das Bonmot, dass Licht am Ende des Tunnels immer zweierlei bedeuten kann: Im besseren Fall ist es tatsächlich die Sonne, die da in der Ferne strahlt, im schlechteren der Scheinwerfer eines entgegenkommenden Zuges.

Wer sich die jüngsten Berichte zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft anschaut, ist genau zwischen diesen Sichtweisen gefangen, denn die Daten lassen beide Schlüsse zu. So stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex, das wichtigste Stimmungsbarometer des Landes, nach einer Reihe deutlicher Rückgänge in den vergangenen Monaten im Februar um 0,3 Zähler auf 85,5 Punkte. Die rund 9000 Manager, die das Münchner Ifo-Institut allmonatlich befragt, sehen also ein wenig zuversichtlicher in die Zukunft als noch im Januar.

Zugleich gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass die gesamtwirtschaftliche Leistung in Deutschland im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent gesunken sei. Die Behörde bestätigte damit eine erste vorläufige Schätzung von Ende Januar. Auch im vierten Quartal stand im Vergleich zu den Sommermonaten ein Minus von 0,3 Prozent zu Buche. Vor allem die Investitionen der Unternehmen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge gingen zum Jahresende mit minus 3,5 Prozent deutlich zurück. Die Bauinvestitionen sanken vor allem wegen der hohen Kreditzinsen um weitere 1,7 Prozent, die Exporte verringerten sich aufgrund der fortgesetzten geopolitischen Spannungen und einer geringeren Nachfrage um 1,6 Prozent.

Auf der anderen Seite stieg der private Konsum dank der niedrigeren Inflationsraten um 0,2 Prozent und erholte sich damit ein wenig. Die Zahl der Beschäftigten rangiert trotz Rezession weiter auf Rekordniveau, und auch das Finanzierungsdefizit des Staates fiel im Gesamtjahr 2023 mit 87,4 Milliarden Euro um 9,5 Milliarden geringer aus als ein Jahr zuvor. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ergab sich eine gesamtstaatliche Defizitquote von 2,1 Prozent. Deutschland hätte also die - für 2023 ausgesetzte - EU-Defizitgrenze von drei Prozent eingehalten. Rückläufig waren vor allem die Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie, zugleich mussten insbesondere die Länder mehr Geld für die Versorgung von Flüchtlingen ausgeben. Die Sozialversicherungen, deren Bilanz ebenfalls in das gesamtstaatliche Defizit eingeht, verzeichneten hingegen wegen der guten Beschäftigungslage einen Finanzierungsüberschuss von zehn Milliarden Euro.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht die Lage eher düster

Wie aber bewerten Deutschlands führende Volkswirte nun all die Daten? Ist der Tunnelausgang in Sicht, oder droht doch noch ein dickes konjunkturelles Ende? Das Problem ist - und damit wäre man beim nächsten Bonmot: drei Ökonomen, vier Meinungen.

Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), etwa bleibt bei seiner pessimistischen Grundhaltung. Seiner Ansicht nach beweisen die Zahlen des Statistischen Bundesamts zweierlei: "Erstens ist nicht mit einer schnellen Erholung der deutschen Wirtschaft aus der aktuellen Stagnationsphase zu rechnen. Zweitens zeigt sich, wie verfehlt der aktuelle Kurs der Finanzpolitik und die Entscheidung der Bundesregierung war, nicht erneut die Schuldenbremse auszusetzen." Sogar die Regierung selbst sehe für das laufende Jahr praktisch kein Wachstum mehr, sagt Dullien mit Blick auf den gerade vorgestellten Jahreswirtschaftsbericht. Das IMK gehe "sogar von einer erneuten Schrumpfung des BIP um 0,3 Prozent aus".

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht die Lage eher düster. "Leider gibt es in Deutschland noch kein Aufwärtssignal, obwohl sich die Stimmung in der Industrie in vielen anderen Ländern in den letzten Monaten etwas erholt hat", so der Ökonom. "Offensichtlich leiden die Unternehmen in Deutschland stark unter vielen strukturellen Belastungen wie Bürokratie, lange Genehmigungsverfahren, hohe Energiepreise und Steuern, ohne dass die Regierung entschlossen umsteuert." Anders dagegen Fritzi Köhler-Geib, Chefökonomin der staatlichen Förderbank KfW: "Die Konjunkturaussichten sind nach unserer Einschätzung besser als die noch immer trüben Geschäftserwartungen der Unternehmen", sagt sie. "Steigende Reallöhne, eine voraussichtlich nahezu stabile Beschäftigung sowie eine Erholung des Welthandels sind der Silberstreif am Horizont und dürften die Konjunktur ab dem Frühjahr nach und nach anschieben."

Kurzum: Nichts Genaues weiß man nicht. Wahrscheinlich war es am Ende Clemens Fuest, der den Sachstand am treffendsten zusammenfasste. "Die Konjunktur", so der Ifo-Präsident, "stabilisiert sich auf niedrigem Niveau."

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