Luftfahrt:Radikaler Umbau bei Lufthansa: Spohr darf aber bleiben

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Für das Geschäftsjahr 2023 erwartet die Fluggesellschaft einen operativen Gewinn von 2,6 Milliarden Euro (im Bildhintergrund die Zentrale der Tochtergesellschaft Lufthansa Cargo in Frankfurt). (Foto: Markus Mainka/IMAGO/CHROMORANGE)

So etwas gab es bei der größten deutschen Fluggesellschaft noch nie, gleich vier Vorstände werden im Sommer ausgetauscht. An der Spitze soll ein neues Team die Probleme angehen, unter der Leitung des bisherigen Chefs.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die Lufthansa ist eigentlich nicht für radikale Umbrüche bekannt. Strukturen bleiben in der Regel länger erhalten, als sie dem Unternehmen guttun. Wer lange genug dabei ist und sich dabei als loyaler Lufthanseat erwiesen hat, der wird schon etwas werden. Besonders wichtig ist für die Karriere Loyalität zum Vorstandschef Carsten Spohr, der das Unternehmen seit 2014 leitet und nach heutigem Stand bis mindestens 2028 bleiben darf.

Der Hintergrund ist wichtig, um zu verstehen, wie ungewöhnlich das ist, was der Lufthansa-Aufsichtsrat am Donnerstag beschlossen hat und das Unternehmen am Abend überraschend bekannt gab: Vier der sechs aktuellen Vorstandsmitglieder werden das Unternehmen verlassen, der Vorstand wird anschließend von sechs auf fünf Mitglieder verkleinert. Und mindestens zwei der drei Neuen kommen nicht aus dem eigenen Haus.

Seit 2014 Lufthansa-Chef: Carsten Spohr. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Die Details: Detlef Kayser (Vorstand Flotte und Technologie), Harry Hohmeister (Globale Märkte und Netzmanagement), Christina Foerster (Markenführung und Nachhaltigkeit) und Remco Steenbergen (Finanzen) verlassen das Unternehmen. Steenbergen geht schon Anfang Mai, die anderen drei Ende Juni. Es kommen: Grazia Vittadini, 54, als Vorstand für Technik sowie Dieter Vranckx, 51, als Vorstand für globale Märkte. Ein neuer Finanzvorstand muss erst noch gefunden werden, bis dahin übernimmt Personalvorstand Michael Niggemann das Ressort kommissarisch.

Dass Kayser und Hohmeister gehen würden, war schon länger klar. Zwar hat Lufthansa die einst strikte Altersgrenze für Vorstände von 60 Jahren längst stark aufgeweicht, wovon auch Spohr, 57, in nicht allzu ferner Zukunft profitieren dürfte, aber Hohmeister wird im April 60 und Kayser im kommenden Jahr, da wären allenfalls neue Verträge mit kürzerer Laufzeit drin gewesen. Überraschend aber ist, dass auch Foerster und Steenbergen gehen müssen, beide hatten noch länger laufende Verträge. Nun trennt sich Lufthansa von ihnen "in beiderseitigem Einvernehmen".

Der Aufsichtsratschef leitet eine Rundumerneuerung ein

Klar ist, dass Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley den sowieso anstehenden Vorstandsumbau für eine Rundumerneuerung nutzen wollte, von der der mächtige Konzernchef Spohr ausgenommen bleibt. "Die Herausforderungen für unsere Branche und unser Unternehmen sind andere als in den vergangenen Jahren, sie bleiben jedoch gewaltig", so Kley in einer Mitteilung des Unternehmens. "Wir wollen sie mit neuem Schwung und einem veränderten Team angehen, das noch stärker internationale Erfahrung und vielfältige Perspektiven vereint. Die Interaktion mit unseren Kunden, Investoren, Partnern, aber auch die Zusammenarbeit innerhalb der Lufthansa-Gruppe verlangen mehr denn je ein ausgeprägtes Teamverständnis. Auch das versprechen wir uns von unserem neuen Vorstandsteam."

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Lufthansa hat sich nach den verheerenden Corona-Jahren zuletzt wieder in eine bessere Verfassung manövriert, auch dank der sehr starken Nachfrage im Luftverkehr, die für hohe Ticketpreise sorgt. Für das Geschäftsjahr 2023 erwartet die Fluggesellschaft einen operativen Gewinn von 2,6 Milliarden Euro, Details werden am 7. März bekannt gegeben. Strukturelle Probleme gibt es aber weiterhin: Die Flotte ist zu erheblichen Teilen veraltet, schnellere und höhere Investitionen kann sich der Konzern angesichts geringer Margen kaum leisten, hinzu kommen nun noch jahrelange Verspätungen vor allem bei Boeing-Auslieferungen. Derzeit belasten Tarifauseinandersetzungen gleich mehrerer Beschäftigtengruppen das Unternehmen. Vor einigen Tagen traten die von Verdi vertretenen Bodenmitarbeiter in den Warnstreik. Und am Donnerstagabend erklärte die Flugbegleitergewerkschaft UFO, die 18 000 Beschäftigte vertritt, die Tarifverhandlungen mit der Lufthansa für gescheitert.

Die bemerkenswerteste Neuerung beim Vorstandsumbau ist der Wechsel von Grazia Vittadini zur Lufthansa. Vittadini hat Luftfahrttechnik mit Schwerpunkt Aerodynamik studiert und fast 20 Jahre lang bei Airbus gearbeitet, unter anderem in Bremen und Hamburg. 2018 wurde sie Technologiechefin des Flugzeugbauers. Doch nach drei Jahren verkündete sie 2021 überraschend ihren Abschied. Es gab damals Gerüchte darüber, dass Vittadini für den Geschmack von Airbus-Chef Guillaume Faury ein bisschen zu sehr das Rampenlicht gesucht habe, was auch im Verhältnis mit Lufthansa-Chef Spohr noch spannend zu beobachten sein wird - der mag es auch nicht unbedingt, wenn die Mitstreiter allzu viel Beachtung abbekommen.

Vittadini, die sowohl die italienische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat, tauchte dann als Technologiechefin beim britischen Triebwerkshersteller Rolls-Royce auf. Doch nachdem dort der beinharte Tufan Erginbilgic als neuer Konzernchef einen einschneidenden Sparkurs eingeführt hatte, der auch das Forschungsbudget betraf, wollte Vittadini nicht mehr mitmachen. Da es auf diesem Niveau nicht allzu viele Jobs gibt, stellte sich seither die Frage, wo es die ehrgeizige Ingenieurin als Nächstes hinziehen würde.

Der Wechsel zur Lufthansa stellt sie vor neue Aufgaben: Sie darf sich zwar weiter mit Flugzeugen beschäftigen, kann sie aber nur noch einkaufen und warten, nicht mehr entwickeln. In ihr Ressort fällt künftig auch das Thema Nachhaltigkeit, das bislang Foerster verantwortet hat. Vor allem in diesem Bereich hat sich Vittadini bei Airbus einen Namen gemacht.

Dieter Vranckx ist derzeit Chef der Lufthansa-Tochter Swiss und hat vorher Brussels Airlines geführt. Den größten Teil seiner Karriere hat er bei Swiss verbracht.

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