Der gelbe Altbau in Berlin-Steglitz ist hübsch und angemessen repräsentativ, wurde mit der Zeit aber doch ein wenig klein und eng. Seit 1998 residiert der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DSTGB), der die kleineren deutschen Kommunen vertritt, in der Hauptstadt. Man brauchte zuletzt mehr Platz, mehr Bürofläche. Die einfachste Lösung schien ein Anbau zu sein. Also schrieb man das Projekt aus - und wartete. Und wartete. Nichts. Keine Interessenten, die den Bau übernehmen wollten, schon gar nicht aus der Hauptstadt selbst.
"Ich dachte eigentlich, wir sind kein ganz unseriöser Auftraggeber", sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Gemeindebundes, ein Mann mit Sinn für Humor. Am Ende kam doch noch ein Bewerber, aus dem sächsischen Bautzen. Ein einziger. Er erhielt den Zuschlag.
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Bei Reisen mit der Bahn ist der Zugang zum Internet ein Glücksspiel. Jetzt will das Unternehmen zumindest die Wlan-Zugänge am Bahnhof erleichtern - und auch den eigenen Betrieb digital aufrüsten.
"Wir haben hier", sagt Landsberg, "am kleinen Beispiel selber erlebt, was unsere Mitgliedsgemeinden sehr oft erfahren": Der gute Wille sei da, das Projekt, die Finanzierung - und trotzdem geht es nicht voran. Viele Unternehmen seien "gar nicht scharf auf städtische Aufträge", sagt Landsberg. Die Wirtschaft boomt immer noch, trotz aller Unkenrufe. Und Kommunen, ob klein oder groß, geht es nicht anders als ihren Bürgern, wenn sie einen Handwerker brauchen, der neue Fenster einsetzen oder das Dach sanieren soll: Die Unternehmen haben volle Auftragsbücher und wenig Zeit, es dauert.
Und das ist nur eines jener Probleme, die zu einem erstaunlichen, in Zeiten guter Wirtschaftslage geradezu paradoxen Phänomen führen: Viele Kommunen rufen Fördermittel von Bund und Ländern nicht oder nur teilweise ab. Anders gesagt: Das Geld ist da, aber keiner greift zu. Als vor wenigen Tagen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für 2019 einen erneuten und überraschend hohen Haushaltsüberschuss verkündete, bestand ein erheblicher Teil dieses Geldes aus nicht genutzten Fördermitteln für die Kommunen, etwa für die Sanierung von Schulen.
Insgesamt vier bis fünf Milliarden Euro sollen auf diese Weise liegen geblieben sein. Norbert Portz, einer der Fachleute für Finanzen beim Städte- und Gemeindebund, schätzt, dass möglicherweise jeder vierte Euro Fördergeld nicht in den Rathäusern ankommt. Im September 2019 hatte Scholz von 15 Milliarden Euro nicht abgerufenem Fördergeld gesprochen, Mittel für Klimaschutz, Schulen, Straßen und sozialen Wohnungsbau, die ungenutzt liegen blieben, was Scholz zu einer für einen Finanzminister sehr ungewöhnlichen und natürlich öffentlichkeitswirksamen Bitte an Städte und Gemeinden inspirierte: "Bitte nehmt das Geld."
Ob im Museum oder in der Baubehörde: Viele Kommunen suchen verzweifelt Fachleute
Wie ist so etwas möglich? Manche glauben, dass dieser Mangel so etwas wie ein Schildbürgerstreich inkompetenter Stadtverwaltungen ist. In Wirklichkeit sind die Ursachen komplexer. Und die betroffenen Städte können sehr wenig ändern.
Nicht nur die Konkurrenz privater Auftraggeber ist ein Problem. Auch der Personalmangel in den Städten führt dazu, dass Geld nicht abgerufen wird, Projekte stillstehen. Die Jahre der großen kommunalen Finanzkrise in der ersten Hälfte der Nullerjahre haben vielerorts zu massiven Einsparungen beim Personal geführt. Selbst Boomstädte wie München oder Köln, die inzwischen wieder bei Kasse sind, suchen beinahe verzweifelt Mitarbeiter. In Köln fehlen selbst den berühmten Museen die Leute, Gemälde zu restaurieren oder gar Schenkungen zu begutachten. Besonders hart ist das Bauwesen betroffen, wo Planstellen zu Dutzenden frei sind und sich Baugenehmigungen, die viel Arbeit bedeuten, lange hinziehen können. Das Problem sei leider, heißt es dort, erneut die private Konkurrenz: "Dort wird besser gezahlt, als wir es können, uns setzen schon die Tarife Grenzen."
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Wenn aber "Planungskapazitäten fehlen", sagt Städte- und Gemeindebundchef Landsberg, trägt dies dazu bei, "dass bestimmte Förderprojekte nicht bearbeitet werden können", schon gar nicht innerhalb der Fristen, die oft recht kurz sind. Sein Kollege Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag, der Vertretung der Großstädte, sieht den Personalmangel ebenfalls als eine Strukturschwäche. So seien beim Programm des Bundes für die Infrastruktur finanzschwacher Kommunen "bereits 96 Prozent der Mittel fest verplant. Doch die Auftragsbücher der Bauindustrie sind voll, und die Kommunen können bei kurzfristigen Programmen nur schwer mehr Personal für die Planung aufbauen."
Ein dritter Grund für liegengelassenes Fördergeld betrifft vor allem arme Kommunen: Oftmals müssen sie, um an die Mittel zu kommen, einen Eigenanteil bezahlen, der je nach Land und Projekt zwischen zehn und 30 Prozent liegt. Wenn sie den nicht stemmen, ist auch die Fördersumme perdu. "Insgesamt fällt der fehlende Eigenanteil aber nicht so sehr ins Gewicht", sagt Landsberg, die Kommunalaufsicht sei meist bereit, arme Gemeinden entsprechend zu unterstützen: "Die sagen dann nicht: Gut, die betreffende Stadt bekommt dann eben kein Breitband."
Ein vierter Grund, warum die Kämmerer das Fördergeld eben nicht so einfach nehmen, wie es der Finanzminister empfiehlt, wiegt wesentlich schwerer: Es ist die ausgeuferte Bürokratie und die Regelungswut. Lange Planungsverfahren, endlose Rechtswege. "Wer den Bauauftrag für eine Kommune übernimmt", sagt Gemeindebund-Experte Portz, "muss erst mal Dutzende Seiten Vorschriften des komplexen Vergaberechtes studieren. Und man kann sich vorstellen, dass er einen privaten Bauherren vorzieht, der ihm weit weniger Mühe macht."
Teil dieser Bürokratie sind die oft sehr knappen Fristen für Fördermittel. So sieht das Gesetz zur Förderung klammer Kommunen vor, dass das entsprechende Geld bis Ende dieses Jahres beantragt wird - aber die Stadtverwaltung weiß vielleicht noch nicht einmal, ob ihr entsprechendes Planungsverfahren überhaupt Erfolg hat und dann tatsächlich gebaut wird.
Die Kommunalverbände sehen im ausufernden, ihnen vom Gesetzgeber aufgezwungenen Planungsrecht eines der Haupthindernisse dafür, Fördermittel von Bund und Ländern abzurufen. Städtetag-Geschäftsführer Dedy fordert daher einen Systemwechsel: "Besser als den Städten immer wieder nur mit Ad-hoc-Förderprogrammen in unterschiedlichen Bereichen kurzfristig zu helfen, wäre eine angemessene und kontinuierliche Finanzierung ihrer Aufgaben durch die Länder und den Bund." Nur so lasse sich verhindern, dass sich der Rückstand an kommunalen Investitionen, den der Städtetag auf die sagenhafte Summe von 138 Milliarden Euro beziffert, weiter vergrößere. Die Gemeinden, sagt Dedy, "brauchen nicht hier mal ein Schlaglicht und dort mal ein Schlaglicht, sondern eine solide Grundausstattung."