Soziale Medien:Facebook, du ewiger Teenie

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Mark Zuckerberg posiert im Jahr 2007 vor einem Facebook-Logo in Palo Alto, Kalifornien. Sein Konzern war da gerade einmal drei Jahre alt. (Foto: AP)
  • Vor 15 Jahren erkannte Mark Zuckerberg das enorme Bedürfnis der Menschen, sich online selbst darzustellen und von anderen zu erfahren.
  • Er gründete Facebook, das heute wahnsinnige 2,7 Milliarden regelmäßige Nutzer hat.
  • Doch die Zustimmung zu dem Netzwerk bröckelt: Jeder dritte Amerikaner glaubt mittlerweile, dass Facebook schädlich für die Gesellschaft ist.

Von Malte Conradi

Vor 15 Jahren saß ein rothaariger College-Student in seinem Schlafzimmer und begann eine Revolution. Es war ihm aufgefallen, dass man im Internet alles fand: Bücher, Musik, Nachrichten. Es gab aber keine Webseite, auf der man das Wichtigste finden konnte: Menschen. Und so gründete der 19-Jährige selbst eine Seite, "auf der wir mit Menschen in Verbindung treten und mit ihnen teilen können, was uns wichtig ist". So erzählt Mark Zuckerberg die Geschichte in einem Facebook-Eintrag zum 15. Geburtstag seines Unternehmens am vergangenen Montag. Es ist nur die erste Unwahrheit von mehreren in diesen 13 Absätzen.

Facebook entstand nicht aus dem philanthropischen Gedanken, die Menschheit zu versöhnen. Facebook geht zurück auf die Seite Facemash, die Zuckerberg ein Jahr zuvor gegründet hatte. Dort lud er Harvard-Studenten ein, Kommilitoninnen nach ihrem Aussehen zu bewerten. Ihre Fotos hatte er aus dem Studentenverzeichnis gestohlen. Während er die Software schrieb, faselte Zuckerberg in einem Blog: "Einige dieser Gesichter würde ich am liebsten neben Farmtiere stellen, um abstimmen zu lassen, wer attraktiver ist."

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Facemash war ein großer Erfolg - für ein Wochenende. Dann verbot die Uni die Seite und warf ihrem Schöpfer den bewussten Bruch von Sicherheitsregeln vor, Datenschutzverletzungen und Missachtung der persönlichen Privatsphäre.

Man müsste die Facemash-Affäre die Jugendsünde eines von seinen Fähigkeiten etwas zu begeisterten 19-Jährigen nennen, folgte sie nicht einem Muster, das Facebook bis heute durchzieht. Würde Facebook sich nicht bis heute wie ein 19-jähriger Angeber verhalten.

Zuckerberg entschuldigte sich. Was er aus der Geschichte lernte, war aber offenbar keine Lektion in Moral, sondern eine in Internetbusiness: Das Bedürfnis der Menschen nach einem Online-Verzeichnis, auf dem sie andere vergleichen, bewerten und auch sich selbst darstellen können, war enorm. Und, die vielleicht noch wichtigere Lektion: Lieber um Entschuldigung bitten als nach Erlaubnis fragen. Zuckerberg selbst nannte es "Move fast and break things". Später sollte dieser Spruch zum Dogma einer ganzen Generation von Start-ups im Silicon Valley werden.

Facebook wird nicht untergehen

Zuckerberg aber bleibt der Meister dieser Strategie. Es wäre eine wissenschaftliche Arbeit wert zu untersuchen, ob sich schon einmal ein Firmenchef so oft öffentlich entschuldigt hat wie er. Russische Beeinflussung der US-Wahlen, eine Facebook-Kampagne des Militärs von Myanmar, die zu Morden und Vergewaltigungen an der Minderheit der Rohingya führte, der ein oder andere Datenskandal: Zuckerberg entschuldigte sich. Grundlegende Änderungen nahm er nicht vor. Auf eines konnte er sich dabei verlassen: Facebook wuchs rasant. 2,7 Milliarden regelmäßige Nutzer zählt das Netzwerk heute, gerade erst präsentierte es einen Rekordgewinn von 6,9 Milliarden Dollar in drei Monaten.

Zuckerberg beendet seinen Eintrag zum 15. Facebook-Geburtstag mit den Worten: "Auf dass die nächsten 15 Jahre großartig werden." Schon viele haben sich mit Untergangsszenarien für Facebook blamiert. Facebook wird nicht untergehen. Aber dass die kommenden 15 Jahre so erfolgreich werden wie die zurückliegenden, erscheint sehr unwahrscheinlich. Zu abhängig ist Facebook von seinem Gründer und von der langjährigen Chefin Sheryl Sandberg. Und zu oft haben beide bewiesen, dass sie sich zwar entschuldigen, dass sie sich aber weder der strukturellen Probleme annehmen, die Facebook mit dem Datenschutz hat, noch der gesellschaftlichen Verantwortung stellen, die Facebook aufgrund seiner Reichweite zufällt.

Ob Unfähigkeit oder Unwille, die Öffentlichkeit reagiert auf das Verhalten von Zuckerberg und Sandberg. Jeder dritte Amerikaner glaubt, dass Facebook schädlich für die Gesellschaft ist; sein Einfluss wird schlechter bewertet als der von McDonald's und nur etwas besser als derjenige der Zigarettenindustrie.

Es ist wahr, dass wir uns als Kunden nicht immer kongruent verhalten. Wenn uns das Produkt gefällt, kaufen wir es auch, wenn wir die Firma dahinter nicht mögen. Die Deutschen kaufen weiter Golf, auch wenn sie das Verhalten VWs in der Abgasaffäre ablehnen. Sie bestellen weiter bei Amazon, auch wenn sie die Steuertricks aufregen.

Erstaunliche Parallelen zu Donald Trump

Aber wenn ein Unternehmen sich hartnäckig weigert, offensichtliche Probleme abzustellen, überträgt sich die schlechte Meinung aufs Produkt. Dass es inzwischen selbst unter deutschen Parteivorsitzenden als cool gilt, seinen Abschied von Facebook zu verkünden (Robert Habeck), dass es in Facebooks Heimat, dem Silicon Valley, geläufig ist, Facebook mit dem Rauchen zu vergleichen, dass die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer immer weiter sinkt - all das sind nicht die Zutaten für 15 weitere großartige Jahre.

Hinzu kommt, dass Facebook im Alleingang dafür gesorgt hat, den Datenschutz auf die politische Agenda der USA zu setzen. Mit jedem neuen Skandal wird es wahrscheinlicher, dass Facebook staatlich reguliert oder gar zerschlagen wird.

In Zuckerbergs Post findet sich übrigens keine Entschuldigung. Dafür aber eine bemerkenswerte Passage, in der er schreibt, dass freie Netzwerke von Menschen (er meint Facebook) traditionelle Institutionen wie Regierungen und Medienhäuser in solch einem Ausmaß verändert haben, "dass es eine Tendenz gibt, die Veränderung zu beklagen, das Negative übertrieben hervorzuheben". Kritik an der eigenen Arbeit als Erfindung von beleidigten Medien abzutun, das erinnert an einen anderen Milliardär mit ungewöhnlicher Haarfarbe: Donald Trump.

© SZ vom 06.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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