Es war dann doch nicht ganz so verheerend, wie es Jimmy Kimmel prophezeit hatte. Der Moderator hatte seinen Erzfeind Matt Damon während der Oscar-Verleihung Ende Februar verkohlt, dass der auf die Hauptrolle im wunderbaren Drama Manchester by the Sea verzichtet und in China ein halbes Jahr lang das Spektakel The Great Wall gedreht hatte - eine chinesisch-amerikanische Co-Produktion, die als Symbol der Symbiose beider Film-Industrien stehen sollte: "Dieser Pferdeschwanz-Streifen fährt gerade 80 Millionen Dollar Verlust ein. Schlauer Schachzug, Vollidiot!"
Wie gesagt: So schlimm war es dann doch nicht, weltweit spielte der Film knapp 330 Millionen Dollar ein und dürfte letztlich trotz der immensen Kosten für Produktionen und Marketing (jeweils 150 Millionen Dollar) profitabel sein. Aber: Diese Romanze zwischen den beiden nach Umsatz an der Kinokasse bedeutsamsten Kino-Nationen (in den USA wurden im vergangenen Jahr 11,4, in China 6,6 Milliarden Dollar eingespielt), die vor ein paar Jahren so feurig begonnen hat, ist deutlich abgekühlt. Schuld daran sind politische Entwicklungen, aber auch Projekte wie The Great Wall, die nun plötzlich symbolisch dafür stehen, warum diese Kollaboration nicht funktionieren kann.
Die Geschichte dieses Films beginnt vor sechs Jahren, als sich die beiden Film-Nationen freudig annäherten. Die Produktionsfirma Legendary Entertainment wollte ein Projekt vorantreiben, das in beiden Ländern möglichst viele Menschen ins Kino lockt. Das war en vogue in Hollywood, in Iron Man 3 (2013) etwa wurden extra für den chinesischen Markt Szenen mit chinesischen Schauspielern (und nicht zu übersehender Werbung für die Produkte der Großmolkerei Yili) eingefügt. Die Handlung von Transformers: Age of Extinction (2014) wurde gar nach China verlegt, zu sehen waren chinesische Stars und chinesische Produkte.
Die Kooperationen lohnten sich für beide Seiten: Chinesische Investoren beteiligten sich an den Produktionskosten für US-Filme, im Gegenzug sollten einzelne Szenen oder auch komplette Werke in China gedreht und damit womöglich die strengen Import-Gesetze (34 ausländische Filme pro Jahr) umgangen werden.
Es verging kaum eine Woche, in der nicht neue Deals verkündet wurden: die zwischen den Produktionsfirmen Huayi Bros. und STX Entertainment über 18 gemeinsame Filme etwa, das 1,5-Milliarden-Dollar-Investment des chinesischen Medienunternehmens Hunan Television in die Projekte von Lions Gate Entertainment oder die Beteiligung von Alibaba-Gründer Jack Ma in der "Mission-Impossible"-Reihe.
Ein chinesischer Milliardär stieg groß ins Filmgeschäft ein
Der bedeutendste Partner für Hollywood schien Wang Jianlin zu werden, der reichste Mann Chinas. Er übernahm mit seinem Unternehmen Dalian Wanda Group für 2,6 Milliarden Dollar die US-Kinokette AMC, baut derzeit in Qingdao für 8,2 Milliarden Dollar das größte Filmstudio der Welt und daneben gleich noch einen gewaltigen Freizeitpark für zwei Milliarden Dollar. Er kaufte zudem für 3,5 Milliarden Dollar die Mehrheit der Anteile an Legendary Entertainment. Hollywood war begeistert, so wie immer, wenn jemand mit einem gefüllten Geldkoffer vor der Tür steht.
The Great Wall jedoch mutierte durch die Übernahme von Legendary Entertainment von einer chinesisch-amerikanischen Co-Produktion zu einem chinesischen Exportgut. Gedreht wurde in China, als Regisseur wurde Zhang Yimou verpflichtet, der schon für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Peking verantwortlich gewesen war.
Freilich gab es noch den Hauptdarsteller Matt Damon, doch es hieß nun, dass die Chinesen einen berühmten amerikanischen Schauspieler für den US-Markt beschäftigten, so wie US-Produzenten zuvor berühmte ausländische Schauspieler für die ausländischen Märkte angeheuert hatten. Oder glaubt wirklich jemand, dass Til Schweiger im Jahr 2003 ausschließlich aufgrund seiner schauspielerischen Fähigkeiten für das Lara-Croft-Spektakel Tomb Raider: The Cradle of Life verpflichtet worden ist?
The Great Wall, künstlerisch ein ziemlich plumpes Propaganda-Plädoyer für die Großartigkeit Chinas, spielte dort 171 Millionen Dollar ein, in den USA war es mit 45 Millionen Dollar ein ordentlicher Flop und ließ das ohnehin schon latent vorhandene Misstrauen noch größer werden: Wollen die Chinesen am Ende gar keine Kooperationen auf Augenhöhe, sondern nur das amerikanische Know-how kaufen, um den heimischen Markt zu stärken? Hollywood hat das chinesische Geld bereitwillig genommen, doch was genau hat es verkauft?
"China bestimmt schon heute darüber, welche Filme in Hollywood gedreht werden und welche nicht", sagt Robert Daly, Direktor des Kissinger Institute on China and the US: "Überlegen Sie mal, wann Sie das letzte mal einen Film gesehen haben, der sich kritisch mit China auseinander setzt. Im Gegenteil: In The Martian rettet China die Welt, in Independence Day 2 spielen die Chinesen eine entscheidende Rolle und der James-Bond-Film Skyfall wurde für den chinesischen Markt komplett umgeschnitten."
Die chinesische Regierung verschärft die Gesetze
Sie sind nun vorsichtig geworden in Hollywood, wegen The Great Wall und auch wegen der politischen Entwicklungen. In China wurde im Herbst vergangenen Jahres ein Kinogesetz verabschiedet, demzufolge künftige Projekte "dem Volk und dem Sozialismus" dienen und ausländische Filme verboten werden sollen, wenn sie "Chinas nationale Würde, Ehre und Interessen verletzen".
Die chinesische Regierung hat zudem Investments in ausländische Firmen erheblich eingeschränkt. In den USA gibt es einen 553-Seiten-Bericht der US-China Economic and Security Review Commission, in dem unter anderem davor gewarnt wird, es chinesischen Staatsunternehmen zu gestatten, sich in US-Firmen einzukaufen.
In letzter Zeit sind einige Deals geplatzt wie etwa der geplante Zwei-Milliarden-Kauf des TV-Produzenten Vizio durch das chinesische Unternehmen LeEco. So bereitwillig Hollywood das Geld aus China nehmen würde, es will dann doch nicht seine künstlerische Freiheit verlieren. Dass das aufgrund der zahlreichen beschlossenen Kooperationen gar nicht mehr so einfach sein wird, zeigt die Premiere von The Great Wall im Februar: Sie fand im ehrwürdigen Grauman's Chinese Theater statt, einer 90 Jahre alten Institution auf dem Hollywood Boulevard. Nur: Das Kino heißt mittlerweile TCL Chinese Theatre - das chinesische Unternehmen TCL hat sich 2013 die Namensrechte gesichert.