KI-Gipfel in Großbritannien:Ein Schiedsrichter für KI

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Die Enigma-Verschlüsselungsmaschine der Nazis wurde noch ganz ohne KI geknackt - an dem Ort, an dem nun die KI-Konferenz stattfand, in Bletchley Park. (Foto: JUSTIN TALLIS/AFP)

Sogar die USA und China sind sich einig: Künstliche Intelligenz muss reguliert werden. Die Frage ist nur: Wie soll das weltweit funktionieren? Zumindest Elon Musk hat schon mal eine Idee.

Von Alexander Mühlauer, London

Es kommt nicht oft vor, dass sich die USA und China einig sind. Allein deshalb ist es schon bemerkenswert, was da in Bletchley Park nördlich von London passiert ist. Dort, wo die Briten während des Zweiten Weltkriegs den Code der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma knackten, trafen sich am Mittwoch und Donnerstag Politikerinnen, Unternehmer und Wissenschaftler aus aller Welt, um über die Risiken künstlicher Intelligenz (KI) zu diskutieren. Was bleibt, ist eine Gipfelerklärung, mit der sich die 28 teilnehmenden Staaten erstmals zur Zusammenarbeit bei der Regulierung dieser Technologie bekennen. Der britische Premierminister Rishi Sunak bezeichnete das Ergebnis als "Meilenstein der größten KI-Nationen der Welt".

In der sogenannten Bletchley Declaration werden die Entwickler von KI aufgefordert, ihre Pläne zur Eindämmung potenziell schädlicher Auswirkungen ihrer Programme offenzulegen. Außerdem sollen sie für die Folgen ihres Handels verantwortlich gemacht werden. Wie das genau geschehen soll, ist allerdings offen. Fest steht nur, dass sich immerhin mehr als zwei Dutzend Staaten darüber einig sind, dass KI-Risiken "am besten durch internationale Kooperation angegangen werden". Dazu zählen neben China und den USA auch Länder wie Indien, Japan und Großbritannien. Als Staatenbund schloss sich außerdem die EU der Erklärung an.

Nun ist es nicht so, dass es bislang überhaupt keine Bestrebungen in Sachen KI-Regulierung geben würde. Die EU und die USA haben bereits konkrete Vorgaben auf den Weg gebracht. Erst zu Beginn dieser Woche legte US-Präsident Joe Biden mit einer sogenannten Executive Order fest, dass Unternehmen, deren KI-Modelle die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen könnten, dazu verpflichtet sind, die Sicherheit ihrer Programme zu gewährleisten. Zuvor hatten sich bereits die G-7-Staaten auf einen freiwilligen KI-Verhaltenskodex geeinigt.

In Bletchley Park forderte Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) nun einen Verhaltenskodex, der als eine Art Brücke zwischen den europäischen und US-amerikanischen Regeln fungieren solle. "KI-Entwickler und Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks brauchen rasch Rechtssicherheit", sagte Wissing. Einen "Wettbewerb um die schärfste Regulierung" dürfe es aber nicht geben, weil das zu massiven wirtschaftlichen Nachteilen führen würde.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris war es bei dem Treffen vor allem auch ein Anliegen, die Risiken für den Alltag der Menschen deutlich zu machen. Sie sagte, dass man stets das gesamte Spektrum der Risiken von KI im Auge behalten müsse, nicht nur die potenzielle Gefahr durch Cyberattacken oder biologische Waffen. Als Beispiele nannte sie den Verlust der Krankenversicherung von Senioren durch fehlerhafte KI-Algorithmen oder Menschen, die mit Deepfake-Pornografie erpresst würden oder aufgrund von KI-Gesichtserkennung fälschlicherweise in Haft kämen. So konkret wurde der Gast aus China nicht. Wu Zhaohui, Vizeminister für Wissenschaft und Technologie in der Volksrepublik, sagte, dass alle Akteure "das internationale Recht respektieren" und im Kampf gegen den böswilligen Einsatz von KI zusammenarbeiten müssten. Er bezeichnete die Technologie als "unsicher, unerklärlich und intransparent".

China muss manchmal draußen bleiben

Bereits vor dem Treffen musste sich Gastgeber Sunak einige Kritik aus seiner Konservativen Partei gefallen lassen, weil er einen Vertreter Chinas zum KI-Gipfel eingeladen hatte. Aus Sicht des Premiers kann eine internationale Regulierung aber nur dann erfolgreich sein, wenn auch China mitmacht. Um zu zeigen, dass er in dieser Frage nicht naiv ist, machte Sunak klar, dass der Abgesandte aus Peking nicht bei allen Treffen dabei sein durfte. Am Donnerstag setzte sich der Premier etwa mit "einer Gruppe Gleichgesinnter" zusammen. Dazu zählten unter anderem die USA, Italien, Frankreich, Deutschland, Australien und Singapur.

Aus Berlin nahm auch Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) teil. Seiner Meinung nach könne KI viele Dinge leichter und effizienter machen, "vom Klimaschutz bis zu Wetterdaten und Frühwarnsystemen, von der Krankheitserkennung bis zu Therapiesystemen". Natürlich sei auch Missbrauch möglich. Deswegen wolle die EU über eine Verordnung die Anwendung regulieren. Habeck betonte jedoch, es gehe nicht darum, die Technik selbst einzuschränken.

Insgesamt diskutierten etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Bletchley Park. Auf der Gästeliste stand auch Sam Altman, Mitgründer und Chef von Open AI. Die KI seiner Firma, Chat-GPT, löste den aktuellen Hype um diese Technologie vor etwa einem Jahr aus. US-Milliardär Elon Musk, der Open AI mitgegründet hatte und mit X.AI inzwischen an einem Chat-GPT-Konkurrenten arbeitet, war auch vor Ort. Er nannte als ein Ziel des Gipfels die Einsetzung eines "unabhängigen Schiedsrichters", der bei möglichen Gefahren Alarm schlagen solle. Für eine angemessene Regulierung müssten aber tiefergehende Erkenntnisse über diese Technologie gesammelt werden, sagte Musk. Sein Credo: "Vor der Aufsicht steht die Einsicht."

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