Kanye West:Alles raus: Adidas verkauft Skandal-Schuhe

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Ye, früher bekannt als Kanye West. Adidas verkauft seit heute seine letzte Kollektion für den Schuhhersteller aus Herzogenaurach. Einen Teil der Einnahmen will Adidas spenden. (Foto: JEAN-BAPTISTE LACROIX; CHRISTOF STACHE/AFP)

Sneaker-Fans können beim Abverkauf von Adidas' "Yeezy"-Kollektion ein Stück düstere Schuhgeschichte erwerben - und dabei auch noch Gutes tun, sagt der Konzern. Dennoch bleiben einige Fragen offen.

Von Max Muth

Seit Mittwochmorgen können Sneaker-Fans aus aller Welt ein Stück düstere Schuhgeschichte erwerben. Über die Adidas-App vertreibt der Sportartikelhersteller das letzte Produkt seiner gescheiterten Beziehung zum US-Rapper und Designer Ye, der zu Beginn der Liaison im Jahr 2013 noch Kanye West hieß. Schuhe im Wert von 1,2 Milliarden Euro lagen seit der öffentlichen Scheidung der beiden Parteien im Oktober 2022 wegen antisemitischer Äußerungen des Rappers in den Lagerhäusern des Konzerns und sollen jetzt - so hofft es Adidas-Chef-Björn Gulden - endlich Abnehmer finden.

Seit 7 Uhr morgens können sich potenzielle Käufer auf die ersten beiden zwei Schuhpaare, die Yeezy Boost 350 V2 in den Farben schwarz und undefiniert grau-rot, bewerben. Um neun Uhr waren bei dem Modell in schwarz gängige Herrengrößen bereits vergriffen. So weit also alles normal.

Gulden, der West neulich als den "vielleicht kreativsten Menschen" der Sportartikelindustrie bezeichnet hat, ist erst seit kurzer Zeit Adidas-Chef. Den Streit um die Yeezy-Schuhe hat er von seinem Vorgänger Kasper Rorsted geerbt, der das Unternehmen wegen schlechter Geschäftsaussichten vorzeitig verlassen musste. Gulden schätzt also laut eigener Aussage Ye, er dürfte dennoch froh sein, wenn das Thema endlich vom Tisch ist.

So sehen Schuhe aus, die Adidas gemeinsam mit Kanye West auf den Markt gebracht hat. (Foto: Seth Wenig/AP)

Die Lösung, die Gulden im Dialog mit vielen Mitarbeitern im Unternehmen erarbeitet haben will, klingt so einfach wie einleuchtend. Was macht man mit Schuhen im Wert von 1,2 Milliarden Dollar? Man verkauft sie. Nur kommt das draußen so an, als wolle man zwar die schlechte PR, die der Rapper mit seinen Eskapaden verursachte, künftig nicht mehr haben, aber immer noch mit und an ihm verdienen. Um dieses Reputationsrisiko zu begrenzen, wolle Adidas einen "signifikanter Teil" der Einnahmen aus abverkauften Yeezy-Produkten spenden, so der Konzern, zum Beispiel an die Anti Defamation League (ADL) in den USA. Die Wahl der Organisation ist nicht zufällig. Der Vertrag mit dem Rapper war im Oktober 2022 vor allem wegen antisemitischer Äußerungen Yes beendet worden.

Können Schuhe antisemitisch sein?

Vielen Sneaker-Fans dürfte die Kontroverse relativ gleichgültig sein. Der aktuelle Sale ist gerade für Sammler eine interessante Gelegenheit, handelt es sich doch um die aller Voraussicht nach letzte Yeezy-Kollektion aus dem Hause Adidas. Es sind Schuhe, die zwar eine ein wenig antisemitische, aber immerhin eine Geschichte erzählen. Welcher Schuh kann das schon von sich behaupten?

Nachdenklichere Sneaker-Fans dagegen stehen vor einem Dilemma: Ist es vertretbar, Schuhe aus der Kollektion eines Mannes zu tragen, der sich wiederholt antisemitisch geäußert und den Holocaust geleugnet hat? Und ist es ein bisschen vertretbarer, wenn von dem Erlös des Schuhverkaufs Organisationen unterstützt werden, die sich gegen Antisemitismus engagieren? Die Antwort dürfte in vielen Fällen davon abhängen, wie groß der "signifikante Anteil" am Erlös eines Schuhpars tatsächlich ist. Dumm nur, dass Adidas dazu auch auf mehrfache Nachfrage keine genaueren Angaben machen will.

Ebenso unklar ist die Frage, ob der US-Rapper vom Abverkauf der Schuhe ebenfalls profitieren wird. Adidas antwortet der SZ: "Wir werden unseren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und genauso unsere Ansprüche geltend machen, äußern uns dazu aber im Detail nicht weiter." Ein Sprecher von Ye ließ eine Anfrage zum Thema unbeantwortet.

Die von Adidas gekündigten Verträge mit Ye lassen jedoch vermuten, dass der Rapper durchaus mitverdienen dürfte. West, ein selbst erklärter Nike-Fan, wechselte 2013 nur zu Adidas, weil Nike sich weigerte, ihm genauso wie Sport-Stars einen Teil der Erlöse aus ihren Signature-Schuhverkäufen abzugeben.

Vielleicht hat der Unwillen der Parteien, sich zu finanziellen Fragen zu äußern, auch mit den zahlreichen Gerichtsverfahren zu tun, die sich mit den Scheidungs- und Sorgerechtsfragen im Fall Yeezy beschäftigen. Vor wenigen Tagen erst lehnte es ein US-Gericht ab, Gelder von Yeezy, die von Ye kontrolliert werden, weiterhin einzufrieren. Und Adidas wiederum wurde vor wenigen Wochen von Aktienbesitzern auf Schadenersatz verklagt. Das Unternehmen habe die spätestens seit 2018 bekannten Probleme mit Ye unter den Teppich gekehrt und damit Anlegern mögliche Risiken verschwiegen.

Angesichts dieser Probleme ist nachvollziehbar, dass das Unternehmen den Ye-Schlussverkauf so geräuschlos wie möglich über die Bühne bringen will. Wie erfolgreich der Verkauf tatsächlich lief, dürfte sich im Nachhinein an Quartalsberichten ablesen lassen. Adidas-Chef Gulden hatte angekündigt, dass das Unternehmen mit 700 Millionen Euro Verlust rechnet, wenn es die Yeezy-Produkte nicht verkauft bekommt.

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