Jan Philipp Albrecht:An diesem Ringelshirt kam man nicht vorbei

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Jan Philipp Albrecht war im EU-Parlament bekannt für seine Digitalkompetenz - und seinen Kleidungsstil. (Foto: Ruprecht Stempell)

Jan Philipp Albrecht war im EU-Parlament der Spezialist für Digitales und Architekt der neuen Datenschutzregeln. Nun wechselt der Grüne als Minister nach Kiel. In Brüssel wird er fehlen.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Es gibt Europaabgeordnete, die man weder sieht noch hört. Sie schreiben mal ein Papierchen, stellen eine Frage im Plenum. Aber das interessiert kaum jemanden. Und dann gibt es Politiker wie den Grünen Jan Philipp Albrecht. Er zählt zu den nicht allzu vielen, die sich durch Sachverstand und Fleiß Respekt von allen Seiten erarbeitet haben. Auch als Journalist kommt man nicht vorbei an dem Mann mit den Ringel-T-Shirts. Wenn er an diesem Montag nach Kiel wechselt, als Landesminister für Umwelt, Landwirtschaft, Energiewende und Digitalisierung, hinterlässt er ein großes inhaltliches Loch in Brüssel. Und das nicht nur beim Thema Datenschutz, mit dem er sich einen Namen gemacht hat.

Als Albrecht 2009 ins EU-Parlament gewählt wurde, war er 26 Jahre alt, der jüngste deutsche Abgeordnete. Was tun im Hohen Haus? Er hatte Jura mit Schwerpunkt Europarecht studiert und ahnte, sagt er, was passieren würde. Dank Lissabonner Vertrag durfte das Parlament künftig mitentscheiden in großen Teilen der Innen- und Justizpolitik: Terror, Grundrechte, Polizeiarbeit, Grenzschutz. Also ging er in den zuständigen Innenausschuss, für den sich bis dahin kaum jemand interessiert hatte. Und suchte Antworten auf Fragen, die Europa umtreiben: Wie sollte Europa auf die Bedrohungen durch Extremisten und Terroristen reagieren? Wie lässt sich Sicherheit erreichen, ohne die Freiheit zu sehr einzuschränken? Der Niedersachse zählt zu jenen Mahnern, die lieber eine intelligentere Polizeizusammenarbeit fordern als noch mehr teure staatliche Überwachungsprogramme und Datenspeicher.

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Im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit bewegt sich auch der Datenschützer Albrecht. Als Verhandlungsführer des Parlaments war er treibende Kraft hinter der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die seit Ende Mai definitiv umgesetzt werden muss. Die großen Unternehmen klagten nicht mehr so laut über die Umstellung, sagt er, wohl aber Handwerker oder Blogger. Und der Online-Handel. Wofür Albrecht weniger Verständnis hat, "weil sich ja selbst Facebook anpassen muss". Dass die Europäische Union eines Tages den "Weltstandard im Datenschutz" setze, den amerikanische und sogar chinesische Konzerne übernehmen wollen, "das hatte ich nicht erwartet".

Einsatz künstlicher Intelligenz, Robotisierung, das werde immer schneller kommen. "Umso wichtiger, dass wir im Führerhäuschen sitzen. Wie regulieren wir das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine im Lichte der technischen Entwicklung?" Albrecht, der als Schüler einen Preis mit einer selbst programmierten Website gewann, will diese Entwicklung nicht aufhalten, sondern fördern und gestalten. Das Recht müsse Schritt halten: "Wer haftet, wenn einer der Algorithmen bei Goldman Sachs einen Fehler macht und Milliardenschäden entstehen? Der Programmierer?"

Albrecht setzt sich nicht nur für Digitales ein, sondern auch für Steuerpolitik, als Hebel für mehr Gerechtigkeit. "Noch lässt sich die Politik von den international agierenden Konzernen auf der Nase herumtanzen. Das stört die Bürger." Um hier voranzukommen, müssten notfalls die EU-Verträge geändert werden.

In Schleswig-Holstein will Albrecht die europäische Brille nicht absetzen. Deutschland müsse in der EU dringend konstruktive Vorschläge zur Energiewende und zu Zukunftstechnologien einbringen. Selbst eine Rückkehr nach Brüssel könne er sich vorstellen, sagt er lachend. "Aber nur als Kommissar."

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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