Uran aus afrikanischen Geröllwüsten, Diamanten aus der Arktis, Öl aus dem Amazonasgebiet - um den Rohstoffhunger der Weltwirtschaft zu stillen, dringen Rohstoffkonzerne in die entlegensten Regionen dieser Erde vor. Mit ungeahnten Risiken für Mensch und Natur. Das zeigen jüngste Unglücksfälle wie die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko.
Die wundersame Rettung verschütteter Bergarbeiter in Chile zählt da eher zu den seltenen Ausnahmefällen. Technische Fehler und menschliches Versagen führen in der Rohstoffindustrie immer wieder zu schweren Unfällen.
Ein weiteres Beispiel dafür ist Ungarn, wo hochgiftiger Bauxitschlamm aus einem Aluminiumwerk gerade erst einen ganzen Landstrich verwüstet hat. Ein durch Schlampereien verursachter Unfall, der mindestens acht Menschen den Tod brachte.
Die Suche und Verarbeitung der kostbaren Bodenschätze ist ein schwieriges und riskantes Geschäft. Die Branche gilt als einer der größten Umweltverschmutzer überhaupt. Allein in Europa stammt schätzungsweise ein Drittel des jährlichen Giftmüll- und Abwasservolumens aus diesem Sektor.
Zügelloser Rohstoffabbau
Zugleich investieren die Konzerne jedes Jahr dreistellige Milliardenbeträge in die Erschließung neuer Minen und in den Bau von Verarbeitungsanlagen. Experten rechnen in diesem Jahr sogar mit einem neuen Rekordvolumen angesichts der rasant steigenden Nachfrage nach Industriemetallen, Öl und Mineralien, besonders in den Boomregionen China und Indien.
Das Problem dabei: Die Auflagen für neue Bergwerke oder bereits bestehende Minen sind von Land zu Land höchst unterschiedlich. "Es gibt keine international einheitlichen Standards", sagt Wolfgang Neumann, Bergbauexperte von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Die Rahmenbedingungen legt jeweils der nationale Gesetzgeber fest.
Zwar gibt es nach Angaben von Neumann in den meisten Ländern inzwischen ein relativ striktes Bergbaurecht. "Doch es fehlt häufig an den entsprechenden Kontrollen", ergänzt er. Die Regierungen der Mongolei und Vietnam haben deshalb vor kurzem die deutsche Behörde um Amtshilfe gebeten. Experten des BGR helfen derzeit dort, eine funktionierende Bergbauaufsicht zu installieren. Beide Länder verfügen über große, noch nicht erschlossene Rohstoffvorkommen. Solche Kooperationen bilden jedoch eher die Ausnahme.
Andere Regierungen zeigen sich da weniger zimperlich. So verseuchen in Indonesien giftige Abwässer der Grasbergmine, eine der größten Kupfer- und Goldlagerstätten der Welt, seit Jahrzehnten unberührtes Regenwaldgebiet und angrenzende Wohngebiete. Das Grundwasser ist mit Schwermetallen vergiftet, auf weiten Flächen wächst kaum noch ein Grashalm. Korrupte Aufseher schauen einfach weg.
Langfristige Lizenzverträge mit dem amerikanischen Minenbetreiber Freeport McMoran sichern der indonesischen Regierung Milliardeneinnahmen, von denen die Bevölkerung in der betroffenen Region nicht profitiert. Ein Großteil lebt nach wie vor in Armut. Mit finanziellen Entschädigungen, etwa für gesundheitliche Langzeitschäden, können die Menschen nicht rechnen.
Während die Kontrollen durch die Behörden in Europa, den USA oder Japan relativ streng sind, fehlt es gerade in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern an Aufsicht. Als besonders kritisch stufen die Experten vom BGR die Situation in afrikanischen Ländern, aber auch in einigen Regionen Asiens ein.
Diesen Missstand machen sich vor allem chinesische Rohstoffeinkäufer zunutze. Ihre Aufgabe ist es, das riesige Reich mit dem dringend benötigten Rohstoffnachschub zu versorgen. Auf der Suche nach neuen Quellen schwärmen sie in die ganze Welt aus. In Afrika werden sie von vielen Regierungschefs mit offenen Armen empfangen.
Im Tauschgeschäft gegen die begehrten Bodenschätze baut China dort Straßen und Städte auf. Sicherheit und Umweltschutz spielen dabei allenfalls eine untergeordnete Rolle. Minen unter chinesischer Aufsicht - egal ob in oder außerhalb der Volksrepublik - zählen zu den gefährlichsten weltweit.
Hohes Giftschlamm-Risiko
Umweltschützer bemängeln neben dem rücksichtlosen Raubbau an der Natur vor allem die schlechte Aufklärung der betroffenen Bevölkerung, auch in Europa. "Viele Menschen wissen nicht, was in ihrer nächsten Nähe vor sich geht, sonst würden sie sich dagegen wehren", sagt Martin Geiger, Wasserschutzexperte vom WWF.
Der Bruch eines Rückhaltebeckens für Giftschlamm zeigt seiner Ansicht nach, dass auch hier stärker kontrolliert werden müsste. Defizite gibt es laut einer Studie des WWF vor allem in Osteuropa. Eine entsprechende EU-Richtlinie für Sicherheit im Bergbau sei zu lasch, kritisieren die Umweltschützer, weil sie für ältere Anlagen eine Übergangsfrist bis 2012 einräumt.
Die Umweltschutzorganisation WWF stuft allein 260 Deponien in Ungarn als kritisch ein. Alarmierend sei die Situation auch in anderen osteuropäischen Ländern, etwa in Serbien, Bosnien, Kroatien, Rumänien und der Slowakei, heißt es weiter. Weitere Unfälle seien nicht auszuschließen, warnen die Umweltschützer.
Mit der wachsenden Rohstoff-Nachfrage erhöht sich jedoch auch der Druck auf die Konzerne, immer mehr und schneller zu liefern. Bis eine neue Mine in Betrieb gehen kann, vergehen bis zu zehn Jahre. Branchenbeobachter befürchten deshalb, dass mit der wachsenden Nachfrage der Anreiz für die Industrie wächst, bei Sicherheit und Umweltschutz das ein oder andere Auge zuzudrücken. Es lockt die Aussicht auf große Gewinne.