Geldanlage:Wer Italien Geld leiht, soll bald auf Kreuzfahrt gehen können

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Kreuzfahrtschiff in Venedig: Wer italienische Staatsanleihen kauft, soll demnächst selbst mitfahren können, suggeriert zumindest der Finanzminister. (Foto: Alexandre Rotenberg/IMAGO/Pond5 Images)

Der italienische Finanzminister versucht mit Macht, Staatsanleihen unters Volk zu bringen. Sein Angebot: Anleger können sich von der Rendite eine Kreuzfahrt leisten - oder reicht es nur für eine Tretbootfahrt?

Von Ulrike Sauer, Rom

"Habt Ihr im Lotto gewonnen?", fragt der rüstige Rentner das befreundete Paar bass erstaunt und mit einer Spur Neid. Ach wo, frohlockt die Bekannte vergnügt. Den Traum einer Kreuzfahrt erfüllen sie und ihr Mann sich nicht mit der Teilnahme an einem Glücksspiel, sondern mit einer patriotischen Geldanlage. Im Werbespot des italienischen Finanzministeriums hat das fiktive Paar dem Staat seine neuen Anleihen für Kleinsparer abgekauft. Die fabelhafte Botschaft des Reklame-Filmchens: Wer dem klammen italienischen Staat Geld leiht, legt schon bald zur Kreuzfahrt ab. Traumschiff ahoi!

Roms Finanzminister versucht mit seinem Anlagetipp, in dieser Woche eine gezielt für italienische Privatanleger erdachte Staatsanleihe unters Volk zu bringen. Die verlockungsreiche Marketingkampagne rollt seit Tagen durchs Land. Die 30-Sekunden-Spots flimmern über alle TV-Kanäle. Seriöse Zeitungen und maßgebliche digitale Informationsanbieter rühren kräftig die Werbetrommel für den sogenannten BTP Valore. Ziel der Aktion: Giancarlo Giorgetti, der die laufende Refinanzierung von 2,85 Billionen Euro römischer Schulden sicherstellen muss, soll künftig einen möglichst hohen Anteil der Staatsanleihen in italienische Hände legen.

Die rechtspopulistische Regierung in Rom verfolgt seit einem Jahr eine nationalistische Finanzstrategie. Sie möchte sich so weit wie möglich dem Druck schwankender Stimmungen auf den internationalen Finanzmärkten entziehen. Denn wenn die Anleger im Ausland nervös werden und höhere Zinsen für italienische Schuldpapiere verlangen, wähnt sie in Rom sofort böse Spekulanten am Werk. Schon 2023 gelang es Giorgetti, mit den beiden ersten Ausgaben des patriotischen BTP Valore mehr als 35 Milliarden Euro einzusammeln. Seine Anleihe kommt gut an.

Aber darf ein Finanzminister die Käufer eines relativ sicheren Anlageprodukts, zu dem auch italienische Staatsanleihen zählen, mit einer Kreuzfahrt ködern? Nun ist Giorgetti nicht um seinen Job zu beneiden. Er muss 2024 Abnehmer für 415 Milliarden Euro Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten finden. Allein 42 Milliarden Euro davon gelangen aus dem Besitz der Europäischen Zentralbank auf den Markt. Nach dem Auslaufen der billionenschweren Kaufprogramme müssen nun andere Anleger für die EZB einspringen. Giorgetti braucht also mehr Kunden denn je.

3,77 Prozent Rendite für die Sechs-Jahre-Anleihe

Klar ist auch: Wenn jemand so dringend so viel Geld auftreiben soll wie der Finanzminister in Rom, dann versucht er dick aufzutragen. Also verheißen die erdrückenden Schulden, die seit Jahrzehnten auf dem wachstumsarmen Land lasten, den Italienern nun auf einmal privaten Kreuzfahrtluxus.

Ganz fair ist das nicht. Das Finanzministerium bietet insgesamt eine Rendite von 3,77 Prozent für die Anleihe mit sechs Jahren Laufzeit. Das ist nicht schlecht, aber große Sprünge lassen sich damit nicht machen. Von den Quartalszinsen auf dem Girokonto dürften sich die umworbenen Kleinanleger in der Regel nur einen kleinen Bootsausflug entlang der Küste leisten können. Oder mit dem Tretboot über den Trasimenischen See schippern.

Da stellt sich unweigerlich die Frage: Führt der Mann, der heute die Verantwortung für die gigantischen Staatsschulden Italiens trägt, die Leute nicht bös hinters Licht? Mit einem Lottogewinn können die Italiener jedenfalls nicht rechnen.

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