Interview mit Separatisten-Politiker:"Die Schotten waren Laborratten"

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Statue des schottischen Königs Robert the Bruce in Stirling. Er kämpfte im 14. Jahrhundert für Schottlands Unabhängigkeit von England. (Foto: Getty Images)

In der schottischen Kampagne zur Unabhängigkeit sind britische Konservative als Feindbild wichtig. Stewart Hosie, Finanzsprecher der schottischen Separatisten, über die Arroganz von Margaret Thatcher und Londons Gier nach schottischem Öl.

Von Björn Finke, Edinburgh

Seit 31 Jahren kämpft Stewart Hosie für die schottische Unabhängigkeit, mittlerweile ist er finanzpolitischer Sprecher der Scottish National Party. Er ist sich sicher, dass ein unabhängiges Schottland das Pfund als Währung behalten könnte.

SZ: Herr Hosie, Umfragen zufolge werden Sie das Referendum, wenn überhaupt, nur ganz knapp gewinnen: Können Sie ein derart gespaltenes Land wirklich in die Unabhängigkeit führen?

Stewart Hosie: 50 Prozent plus eine Stimme wären für uns ein klares Mandat, zumal die Wahlbeteiligung riesig sein wird. Und das Lager der Unabhängigkeits-Gegner würde dieses Ergebnis akzeptieren, denn kein Politiker würde hinterher alte Wunden aufreißen wollen.

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Würden Sie bei einem Sieg der Gegner im Referendum einen neuen Anlauf wagen?

Die Abstimmung an diesem Donnerstag ist Schottlands einzige Chance für sehr lange Zeit. Das Thema wäre für mindestens eine Generation vom Tisch.

Seit wann kämpfen Sie schon für Schottlands Unabhängigkeit?

Ich bin 1983 in die Schottische Nationalpartei eingetreten.

Konnten Sie sich damals vorstellen, dass es 31 Jahre später so ein Referendum gibt?

Es war damals schon klar, dass Unabhängigkeit die einzige Lösung ist. Die Arroganz der britischen Regierung in Westminster und von Premierministerin Margaret Thatcher gegenüber Schottland war riesig. London hat zugesehen, wie unsere Industrie verschwand, sie haben unser Öl genommen und die Einnahmen daraus verschwendet statt sie wie die Norweger in einen Fonds zu stecken. Die Schotten waren Laborratten: Bei uns wurde Thatchers umstrittene Kopfsteuer ein Jahr früher eingeführt. Aber Unabhängigkeit braucht Zeit. Andererseits sind 31 Jahre in der Geschichte gar nicht so lange.

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Was kann ein unabhängiges Schottland tun, was bislang nicht möglich ist?

Wir werden mit unserer eigenen Wirtschaftspolitik die Industrie stärken und Jobs schaffen. Außerdem wollen die Schotten in der EU bleiben - als Teil Großbritanniens muss Schottland vielleicht die EU verlassen, wenn Premierminister David Cameron ein Referendum darüber abhält. Die politische Mitte liegt in Schottland auch weiter links als im Rest des Königreichs. Es gibt riesige Verwerfungen in Großbritannien; die Millionäre werden reicher, zugleich müssen Millionen ihr Essen bei der Tafel abholen. Für die Schotten kann hier nur die Regierung eines unabhängigen Staates etwas ändern.

Das Referendum verunsichert allerdings die Unternehmen.

In der Übergangsphase gibt es offene Fragen, doch danach wird unsere Wirtschaft stärker sein als zuvor.

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Am Donnerstag entscheiden die Schotten über die Unabhängigkeit ihres Landes. Eine Abspaltung könnte weitreichende Folgen für den neuen Staat haben - aber auch für Europa. Wenn Sie Schotte wären, wie würden Sie abstimmen?

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Sie wollen nach der Unabhängigkeit das Pfund behalten, aber die Parteien in London schließen eine Währungsunion mit Schottland aus. Was machen Sie nun?

Das Nein zur Währungsunion ist ein grotesker Bluff. Das Pfund zu teilen, ist im Interesse Großbritanniens, weil die Regierung sonst ihren eigenen Firmen schaden würde, die mit Schottland Handel treiben.

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