Interview am Morgen:"Man redet sich mit dem Wetter heraus"

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Davos im Ausnahmezustand zum jährlichen Weltwirtschaftsforum. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Scharfschützen auf den Dächern, vermummte Polizisten in den Straßen: Abiturient und Juso-Vorstand Daniel Meier im "Interview am Morgen" über den Ausnahmezustand vor Trumps Besuch in Davos.

Von Charlotte Theile, Zürich

Das Städtchen Davos, idyllisch gelegen auf 1560 Metern Höhe in den Bündner Bergen, ist in diesen Tagen der Schauplatz der Welt: US-Präsident Donald Trump rückt mit riesiger Entourage an, Justin Trudeau, Angela Merkel, Emmanuel Macron - alle reisen nach Graubünden, um dort über Themen wie Freihandel, Digitalisierung oder Ungleichheit zu diskutieren. Gleichzeitig versinkt Davos in meterhohem Schnee. Der Wetterdienst vermeldet Rekorde, die Behörden haben einen guten Grund, die Genehmigungen zu verweigern für etwas, was inzwischen zum Weltwirtschaftsforum gehört: friedliche Demonstrationen. Ein Gespräch mit Daniel Meier, 20, der im Vorstand der JungsozialistInnen Graubünden sitzt und in Davos zur Schule geht. Er hatte die Kundgebungen mit angemeldet - und plant nun neue Formen des Protests.

SZ: Herr Meier, in diesen Tagen schaut die ganze Welt auf Ihre Heimatstadt. Wie lebt es sich da in Davos?

Daniel Meier: Viel Leben ist momentan nicht draußen. Wir haben etwa einen Meter Schnee auf der Straße, dazu viel Polizei und Sicherheitskräfte. Ich bin gespannt, wie da die Hubschrauber landen sollen ... Nun ja. Das ist alles nicht so angenehm.

Das heißt, Sie bleiben lieber zu Hause?

So gut es geht, ja. Wobei: Ich hätte gerne an einer friedlichen Anti-Trump-Demonstration teilgenommen. Sie wurde aber nicht genehmigt.

Warum das?

Es hieß, es gebe zu viel Schnee. Für mich ist das eine Ausrede. Sonst versucht man ja auch, alles möglich zu machen, damit das Wirtschaftsforum reibungslos verläuft. Nur bei unserer Kundgebung, der einzig lokalen, die ausdrücklich friedlich hätte sein sollen, redet man sich mit dem Wetter heraus.

Werden Sie also trotzdem protestieren?

Ich werde an keiner unbewilligten Demonstration mitlaufen, nein. Aber gegen das Weltwirtschaftsforum allgemein werde ich an einer Online-Protestaktion der Juso Schweiz teilnehmen, die beinahe während der ganzen Zeit des Anlasses laufen soll. Man wird gefilmt, wie man möglichst nah am Kongresszentrum auf beliebige Art Protest übt, also zum Beispiel singend, redend oder einfach still stehend. Und persönlich passt es mir gar nicht so schlecht, dass die ursprüngliche Demo abgesagt wurde. So bleibt mir mehr Zeit, ich sollte eigentlich lernen.

Für die Schule?

Genau, ich würde in diesem Jahr gerne meine Abiturprüfung bestehen. Aber in dieser Woche ist sowieso überall Ausnahmezustand. Wir werden sogar vor dem Betreten eines Schulgebäudes abgetastet, weil in einigen Räumen das Open Forum stattfindet.

Ist das nicht auch ziemlich aufregend?

Hm, kann sein. Aber wenn man jedes Jahr diesen Stress hat ... ich empfinde es eher als einengend. Genau wie die Scharfschützen auf den Dächern, die vielen vermummten Polizisten auf den Straßen. Wenn ich so was sehe, fühle ich mich nicht wie im Gangster-Film. Es macht mir eher ein mulmiges Gefühl.

Schon mal darüber nachgedacht, Davos in dieser Woche zu verlassen?

Na klar, das machen auch viele Einheimische. Ich muss leider in die Schule gehen.

Wie hat sich das Weltwirtschaftsforum in den vergangenen Jahren verändert?

Es ist immer größer geworden, immer professioneller. Früher einmal soll es richtig wild zugegangen sein, einzelne Demonstranten wurden niedergeknüppelt, es gab fast schon Straßenschlachten. Daran kann ich mich aber nicht erinnern, ich bin zu jung. Auf jeden Fall wurden die Sicherheitsvorkehrungen jedes Jahr verstärkt, was man schon sehr gut zu spüren bekommt.

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