Verglichen mit seinen Nachbarn vor allem in Nordeuropa hinkt Deutschland beim Ausbau schneller Internetanschlüsse weit hinterher - eine Folge strategischer Fehlentscheidungen vor Jahrzehnten. Doch nun tut sich etwas. Investoren haben erkannt, dass es hier einen Wachstumsmarkt gibt und investieren kräftig in den Ausbau von Glasfaser-Leitungen in Deutschland. Das macht sich auch bei der Zahl der verfügbaren Anschlüsse bemerkbar. Nach Zahlen des VATM, dem Verband der Wettbewerber der Deutschen Telekom, werden alleine in den sechs Monaten von Ende 2021 bis Juni 2022 rund 1,7 Millionen neue Glasfaseranschlüsse zur Verfügung stehen. Insgesamt könnten dann 35,8 Millionen Haushalte das Internet mit Download-Geschwindigkeiten von einem Gigabit pro Sekunde (1000 Mbit/s) oder mehr nutzen.
"Die Investoren haben den Glasfaserausbau in Deutschland für sich entdeckt", sagt VATM-Präsident David Zimmer. Den Großteil der 50 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren in den Ausbau von Glasfaserleitungen fließen sollen, würden die VATM-Mitglieder stemmen. Diese konzentrieren sich bei ihren Ausbauplänen auf Gegenden, die bisher unterversorgt sind, also auf kleinere Städte und ländliche Gemeinden.
In größeren Städten gibt es dagegen oft schon eine gute Versorgung, auch durch TV-Kabelanbieter. Deren Kupferkabel, ein sogenanntes Koaxialkabel, nutzt einen eigenen Übertragungsstandard, Docsis 3.1, und erreicht damit auch Gigabit-Geschwindigkeiten. Der Ausbau dieser Netze ist allerdings weitgehend abgeschlossen, bis Juni werden gerechnet ab Ende 2021 nur etwa 100 000 neue dazukommen. Weitere schnelle Anschlüsse werden also mit Glasfaser-Technik geschaffen werden.
Nur rund ein Drittel schließt Verträge für schnelles Internet ab
Der VATM rechnet damit, dass bis Ende 2022 etwa 38 Millionen Haushalte einen gigabitfähigen Internetanschluss nutzen könnten, das entspräche 90 Prozent aller 41,9 Millionen Haushalte in Deutschland. Knapp ein Drittel davon kann dies über einen Glasfaseranschluss tun. Allerdings nutzen längst nicht alle Haushalte, die die Möglichkeit dazu hätten, auch einen derart schnellen Zugang zum Netz. Von den insgesamt 35,8 Millionen möglichen schnellen Anschlüssen sind nur 12,3 Millionen auch tatsächlich gebucht und das aus Kostengründen oft auch nicht mit der maximal möglichen Geschwindigkeit. Nur 18 Prozent der Kunden nutzen bei gigabitfähigen Anschlüssen Geschwindigkeiten mit einem Gigabit oder mehr.
Das dürfte sich allerdings künftig ändern: "Die Nachfrage nach hochbitratigen Anschlüssen wird weiter zunehmen, da immer mehr Anwendungen diese hohen Bandbreiten benötigen", erläutert der Telekommunikations-Experte Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen. Der Verband der Telekom-Wettbewerber ruft den ehemaligen Monopolisten dabei zu einem fairen Wettbewerb auf. Die Telekom müsse "fair spielen und nicht auf Überbau oder strategische Mitverlegung setzen, die den Ausbau auf dem Land oft verzögert oder wirtschaftlich ganz unmöglich macht", sagt VATM-Präsident Zimmer.
Was er damit meint: Die Telekom solle nicht dort auch ausbauen, wo bereits Wettbewerber zugange sind oder versuchen, die eigenen Leitungen bei einem Ausbau mit zu verlegen. "Wir müssen miteinander und nicht gegeneinander bauen", sagt Zimmer. Stattdessen könne man bereits vorhandene Leitungen eines Konkurrenten anmieten - Open Access heißt das im Fachjargon. Bei den VATM-Mitgliedern sei das inzwischen gängige Praxis. Nahezu wöchentlich würden neue Kooperationen geschlossen.
Zukunftssichere Technologie
Deutschland liegt beim Ausbau von Glasfasernetzen vor allem deshalb hinten, weil man sich vor Jahrzehnten dafür entschieden hatte, auf Kupferkabel zu setzen. Diese können Daten aber bei weitem nicht so schnell übertragen wie Glasfasern oder Koaxialkabel. Mit Techniken wie Vectoring und Supervectoring gelang es zwar, Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 300 Megabit pro Sekunden (Mbit/s) zu erreichen, aber nur wenn der nächste graue Kasten auf der Straße nahezu vor dem Haus steht. Je weiter dieser sogenannte DSLAM weg ist, desto weniger Daten kann die Leitung wegen des steigenden Widerstands transportieren.
Weil vielen Kunden Bandbreiten von 50 oder 100 Mbit/s reichen, gibt es noch viele solcher Anschlüsse. Die Mehrzahl davon liegt in Händen der Telekom, die sie aber an Wettbewerber vermieten muss. Bei Glasfaserleitungen dagegen spielt die Entfernung keine Rolle für den Kunden, auch wenn die Lichtsignale auf längeren Strecken aufgefrischt werden müssen. Mit Glasfasern sind Bandbreiten mit mehr als 1000 Mbit/s bereits heute möglich, Geschäftskunden bekommen sogar Anschlüsse mit bis zu 100 Gigabit pro Sekunde. Sie gelten damit als sehr zukunftssicher.